Logo

Arglistige Täuschung als Anfechtungsgrund, § 123 I Alt. 1 BGB

AnfechtungsgrundAnfechtungsgründeArglistArglistigkeitTäuschungTäuschung durch DritteTäuschung durch Dritten
Aktualisiert vor 8 Tagen

Unter welchen Voraussetzungen ist die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung begründet?

Was passiert, wenn eine der Parteien ihre Erklärung nur abgegeben hat, weil sie getäuscht wurde? In diesem Fall kann der Getäuschte nach § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB anfechten. Dafür müssen vier Voraussetzungen vorliegen: eine objektive Täuschungshandlung, ein dadurch hervorgerufener Irrtum, eine kausale Abgabe der Willenserklärung und schließlich Arglist des Täuschenden.

Eine Täuschung liegt vor, wenn durch eine Handlung oder eine Unterlassung falsche Tatsachen vorgespiegelt, entstellt oder verschwiegen werden und so ein Informationsgefälle entsteht. Eine Tatsache ist dabei jeder nachprüfbare Umstand. Beispielsweise wäre es eine Täuschung, wenn ein Autoverkäufer bewusst verschweigt, dass das Fahrzeug einen schweren Unfallschaden hatte. Auch das Vortäuschen eines niedrigen Kilometerstandes durch Manipulation des Tachos stellt eine Täuschung dar.

Durch die Täuschung muss beim Anfechtenden ein Irrtum hervorgerufen worden sein. Dabei sind auch sogenannte Motivirrtümer relevant, also Fehlvorstellungen, die die Beweggründe zum Abschluss des Geschäfts betreffen. So würde jemand, der ein Haus kauft, weil ihm wahrheitswidrig vorgespiegelt wurde, es gäbe keine geplante Großbaustelle in der Nachbarschaft, einem beachtlichen Irrtum unterliegen.

Die Willenserklärung muss aufgrund der Täuschung abgegeben worden sein. Es muss also eine ursächliche Verbindung zwischen der Täuschung und dem Vertragsschluss bestehen. Außerdem liegt hier häufig Fehleridentität, vor, wenn nicht nur das Verpflichtungsgeschäft (z. B. der Kaufvertrag) betroffen ist, sondern auch ein nachfolgendes dingliches Geschäft (z. B. die Übereignung des Autos).

Schließlich muss der Täuschende auch subjektiv arglistig gehandelt haben. Arglist setzt mindestens bedingten Vorsatz voraus. Das bedeutet, der Täuschende muss die Unrichtigkeit seiner Angaben zumindest billigend in Kauf genommen haben. Schon das Behaupten „ins Blaue hinein“, also ohne tatsächliche Kenntnis der Unwahrheit, kann als Arglist gewertet werden. Ein Beispiel wäre ein Hausverkäufer, der behauptet, die Bausubstanz sei einwandfrei, obwohl er es gar nicht überprüft hat.

Bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kann auch eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB oder nach § 826 BGB in Betracht kommen.

Kurz gesagt: Wer durch bewusste Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung gebracht wird, kann anfechten.

Merke

Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung, § 123 I Alt. 1 BGB

  1. Objektive Täuschungshandlung: Tatsachen vorgespiegelt, entstellt oder unterdrückt (Informationsgefälle)
  2. Kausaler Irrtum: Auch Motivirrtümer
  3. Kausale Abgabe einer Willenserklärung: Regelmäßig Fehleridentität (Täuschungslage aufrechterhalten, um dingliches Rechtsgeschäft durchzuführen)
  4. Subjektiv Arglist: Willentliche Täuschung (bewusst wahrheitswidrig); mind. bedingter Vorsatz, d.h. Unrichtigkeit zumindest billigend in Kauf genommen (schon bei Behauptungen „ins Blaue hinein“)

  • Bei arglistiger Täuschung immer auch an die deliktische Haftung denken, § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB und § 826 BGB

Ist auch eine Täuschung durch Dritte zu berücksichtigen?

Täuschung kann nicht nur vom Vertragspartner selbst ausgehen, sondern auch von einem Dritten. Doch wann führt eine solche Täuschung durch einen Dritten zur Anfechtung nach § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB? Genau das regelt § 123 Abs. 2 BGB.

Grundsätzlich ist eine Anfechtung nur dann möglich, wenn der Empfänger der angefochtenen Willenserklärung von der Täuschung wusste. Das heißt, wenn dein Vertragspartner selbst getäuscht wurde und nichts davon ahnte, kannst du nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten. Wenn er es aber wusste und sich bewusst auf die Täuschung berufen hat, kannst du die Erklärung anfechten.

Entscheidend ist auch, ob die täuschende Person als Dritter im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB gilt. Dritte sind nach dieser Vorschrift nur Personen, die selbst nicht am Geschäft beteiligt sind. Wer dagegen dem Vertragspartner zuzurechnen ist, wie etwa ein Vertreter oder eine andere Vertrauensperson, gilt nicht als Dritter. Hier wird auf den Gedanken von § 278 BGB zurückgegriffen. Ein Beispiel: Wenn der Verkäufer eines Autos seinen Mitarbeiter anweist, den Käufer über einen Unfallschaden falsch zu informieren, ist der Mitarbeiter kein Dritter, sondern dem Verkäufer zuzurechnen. Die Täuschung gilt dann als eigene Täuschung des Verkäufers und eine Anfechtung ist ohne weiteres möglich.

Kurz gesagt: Eine Täuschung durch Dritte berechtigt nur zur Anfechtung, wenn der Empfänger der Willenserklärung davon wusste.

Merke

Täuschung durch Dritten, § 123 II BGB

  • Anfechtungsgrund nur, wenn Empfänger der angefochtenen Erklärung die Täuschung kannte, § 123 II BGB
  • Dritter ist nur am Geschäft Unbeteiligter: Abgrenzungskriterium Gedanke des § 278 BGB (nicht Vertrauenspersonen des Empfängers, z.B. Vertreter immer „Nichtdritter“)

Kann eine Täuschung auch in einem Unterlassen bestehen?

Täuschung kann nicht nur durch aktives Handeln, sondern auch durch Unterlassen erfolgen. Damit eine solche Täuschung durch Unterlassen vorliegt, muss jedoch eine Pflicht zum Handeln bestehen.

Dies betrifft insbesondere Aufklärungspflichten. Man ist grundsätzlich nicht verpflichtet, ungefragt jede Informationen mitzuteilen. Anders sieht es aus, wenn eine besondere Aufklärungspflicht besteht. Eine solche Aufklärungspflicht kann sich aus Treu und Glauben nach § 242 BGB ergeben. Sie greift immer dann, wenn der andere Teil nach den Umständen redlicherweise eine Aufklärung erwarten durfte. Ein klassisches Beispiel ist der Verkauf eines Gebrauchtwagens. Der Verkäufer muss mitteilen, wenn das Fahrzeug ein Unfallwagen ist, eine atypische Vornutzung hatte oder von einem Händler angekauft wurde, der nicht im Kfz-Brief steht. Ebenso besteht eine Aufklärungspflicht bei Grundstücksverkäufen über Schimmelbefall oder die Lage in einem Naturschutzgebiet. Wer ein Pferd verkauft, muss über bestehende Vorerkrankungen aufklären. Bei der Anmietung von Geschäftsräumen kann eine Aufklärungspflicht des potentiellen Mieters bestehen, wenn er dort ein umstrittenes Geschäft betreiben möchte, das zu Problemen mit anderen Mietern oder der Öffentlichkeit führen kann, wie der Verkauf von Nazi-Kleidung der Marke „Thor Steinar“.

In der Prüfung ist dabei immer auch an alternative rechtliche Ansatzpunkte zu denken. So kann eine unterlassene Aufklärung nicht nur eine Täuschung nach § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB darstellen, sondern auch eine Haftung aus culpa in contrahendo begründen, wenn eine vorvertragliche Sorgfaltspflicht verletzt wurde. Zudem sind Mängelrechte zu prüfen, wenn die verschwiegene Information einen Sachmangel betrifft.

Dieses Thema ist besonders klausurrelevant, insbesondere im Assessorexamen. Merk dir: Eine Täuschung durch Unterlassen liegt nur vor, wenn eine Pflicht zur Aufklärung besteht.

Merke

Täuschung durch Unterlassen: Wenn Pflicht zum Handeln besteht

  • Insb. Aufklärungspflicht nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB: Wenn Aufklärung nach Treu und Glauben und Verkehrsanschauung redlicherweise erwartet werden darf; z.B. bei Gebrauchtwagen wenn Unfallwagen, atypische Vornutzung oder angekauft von fliegendem Händler, der nicht im Kfz-Brief steht; z.B. bei Grundstücken über Schimmelbefall oder Lage in Naturschutzgebiet; z.B. bei Pferden über Vorerkrankungen; z.B. bei Ladenanmietung darüber, dass dort Nazi-Kleidung von „Thor Steinar“ verkauft werden soll
  • In diesem Zusammenhang immer auch an C.i.c. (fehlende Aufklärung als vorvertragliche Sorgfaltspflicht) und Mängelrechte (wenn Aufklärung Mangel betrifft) denken
  • Häufiges Klausurthema insb. im Assessorexamen (zweites Staatsexamen)

Teste dein Wissen

Frage 1/3

A geht fälschlicherweise davon aus, B sei IT-Spezialist. B bemerkt dies. Weil A sich auf die nicht vorhandene Expertise des B verlässt, kauft er nach individueller Beratung einen Computer. Als A die Täuschung bemerkt, will er sich lieber von einem echten Spezialisten beraten lassen. Kann er den Kaufvertrag anfechten?

Ja, wegen eines Inhaltsirrtums gem. § 119 I Alt. 1 BGB.
Ja, wegen eines Eigenschaftsirrtums gem. § 119 II BGB.
Ja, wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 I Alt. 1 BGB.
Nein.
Logo

Deine Lernplattform für mehr Verständnis im Jurastudium

4.9 von 5 Sternen aus 60+ Google-Bewertungen

Lerne mit weiteren Inhalten aus dem Zivilrecht und zum Thema Allgemeiner Teil des BGB.
Erlebe eine neue Lernerfahrung mit kompakten, verlinkten Inhalten in einer interaktiven Plattform.
Spare wertvolle Zeit
mit kompakten Inhalten im Zivilrecht, Strafrecht & Öffentlichen Recht
Entwickle Systemverständnis
durch interaktive Verlinkungen zwischen allen Themen
Trainiere effizient die Anwendung
mit Multiple-Choice-Fallfragen und Fallbeispielen
Lerne auch unterwegs
mit nahtlosem Wechsel zwischen allen Geräten

Das sagen unsere Nutzer

Die Struktur, das Design und der Inhalt der App sind hervorragend. Während meiner Recherche habe ich viele juristische Seiten besucht und sogar einen Kurs bei Jura Academy absolviert. Ehrlich gesagt gefällt mir deine Seite am besten.

Ziad T.

Jurastudent

Z
Lernkarten
2.000+
Nutzer
1.000+
Übungsfragen
2.800+