- Zivilrecht
- Schuldrecht Allgemeiner Teil
- Erlöschen des Schuldverhältnisses
Aufrechnung, §§ 387 ff. BGB
Was versteht man unter einer Aufrechnung?
Die Aufrechnung nach den §§ 387 ff. BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, mit dem wechselseitige gleichartige Forderungen getilgt werden. Besonders häufig kommt sie bei Geldforderungen vor. Die Idee dahinter ist einfach: Wenn zwei Personen sich gegenseitig etwas schulden, können sie diese Schulden miteinander verrechnen, anstatt dass jeder separat zahlen muss.
Damit eine Aufrechnung möglich ist, müssen die Forderungen gleichartig sein. Das bedeutet, sie müssen sich auf denselben Gegenstand beziehen, insbesondere Geld. Ein Beispiel: Du schuldest einem Freund 100 Euro aus einem privaten Darlehen, gleichzeitig schuldet er dir 80 Euro aus dem Verkauf eines gebrauchten Laptops. Statt dass ihr beide separate Zahlungen leistet, kannst du ihm einfach mitteilen, dass du mit seiner Forderung aufrechnest. Dadurch sind die 80 Euro bereits verrechnet, und du musst nur noch die verbleibenden 20 Euro zahlen.
Wenn die Forderungen jedoch ungleichartig sind, ist eine Aufrechnung nicht möglich. Stell dir vor, dein Freund schuldet dir die 80 Euro und du schuldest ihm die Erbringung einer Dienstleistung im Wert von 80 Euro. In diesem Fall kann keine Aufrechnung stattfinden. In so einem Fall kommt allerdings ein Zurückbehaltungsrecht in Betracht.
Aufrechnung, §§ 387 ff. BGB: Einseitiges Rechtsgeschäft zur wechselseitigen Tilgung gleichartiger Forderungen (insb. Geld)
- Keine Aufrechnung bei ungleichartigen Forderungen: Dann nur Zurückbehaltungsrecht
Was ist die Rechtsfolge einer Aufrechnung?
Die Rechtsfolge ergibt der Aufrechnung ergibt sich aus § 389 BGB: Die Hauptforderung erlischt. Dieses Erlöschen erfolgt rückwirkend zu dem Zeitpunkt, in dem die Aufrechnungslage entstanden ist. Es erfolgt in Höhe der Gegenforderung.
Ein Beispiel verdeutlicht das: Angenommen, A schuldet B 1.000 Euro aus einem Kaufvertrag, gleichzeitig hat B gegen A eine Forderung in Höhe von 600 Euro wegen eines geleisteten Darlehens. A erklärt nun die Aufrechnung. Die Aufrechnungslage war bereits mit Bestehen beider Forderungen gegeben. Durch die Aufrechnung erlischt die Kaufpreisforderung von B gegen A rückwirkend in Höhe der aufgerechneten 600 Euro. A muss daher nur noch die verbleibenden 400 Euro zahlen.
Zentral ist also, dass bei der Aufrechnung die Hauptforderung in Höhe der Gegenforderung rückwirkend erlischt.
Rechtsfolge
- Hauptforderung erlischt, § 389 BGB: Rückwirkend zum Zeitpunkt Entstehens der Aufrechnungslage in Höhe der Gegenforderung
Lerne Jura kompakt, verlinkt und interaktiv
Unter welchen Voraussetzungen kann man wirksam aufrechnen?
Unter welchen Voraussetzungen kann man wirksam aufrechnen? Dafür sind drei grundlegende Bedingungen zu erfüllen: Erstens muss eine Aufrechnungslage vorliegen, zweitens eine Aufrechnungserklärung abgegeben werden und drittens darf kein Aufrechnungsverbot bestehen.
Zunächst zur Aufrechnungslage nach § 387 BGB. Diese setzt voraus, dass wechselseitige Forderungen bestehen. Das bedeutet, dass der Aufrechnende sowohl Gläubiger einer Forderung als auch Schuldner einer Gegenforderung ist. Wichtig ist hier die Abgrenzung zur Gegenseitigkeit im Sinne der §§ 320 ff. BGB, die sich nur auf Forderungen aus demselben Schuldverhältnis bezieht, während die Wechselseitigkeit der Forderungen bei der Aufrechnung auch aus unterschiedlichen Schuldverhältnissen stammen kann. Zudem müssen die Forderungen gleichartig sein. In der Regel sind dies Geldforderungen oder andere Gattungsschulden derselben Art. Weiterhin muss die Gegenforderung, auch Aktivforderung genannt, bestehen und durchsetzbar sein. Das bedeutet insbesondere, dass sie fällig ist. Die Aktivforderung ist die eigene Forderung des Aufrechnenden, also die Forderung, mit der aufgerechnet wird. Verjährung ist gemäß § 215 BGB dabei kein Hindernis, solange die Forderung zum Zeitpunkt der Entstehung der Aufrechnungslage noch nicht verjährt war. Außerdem muss die Hauptforderung, auch Passivforderung genannt, erfüllbar sein, wobei keine Fälligkeit erforderlich ist. Die Passivforderung ist die Forderung des Aufrechnungsgegners, die durch die Aufrechnung erlöschen soll, also die Forderung, gegen die aufgerechnet wird. Im Gesetz wird sie als „Forderung des anderen Teils“, „ihm obliegende Forderung“ bezeichnet.
Neben der Aufrechnungslage ist zweitens eine Aufrechnungserklärung gemäß § 388 BGB erforderlich. Diese Erklärung erfolgt gegenüber dem Aufrechnungsgegner.
Drittens darf die Aufrechnung nicht durch ein Aufrechnungsverbot ausgeschlossen sein. Ein solches Verbot kann sich aus Gesetz oder Vertrag ergeben, §§ 390 bis 394 BGB. Besonders relevante gesetzliche Verbote betreffen beschlagnahmte Forderungen nach § 392 BGB und unpfändbare Forderungen nach §§ 392, 394 BGB. Zudem ist eine Aufrechnung mit Forderungen aus unerlaubter Handlung gemäß § 393 BGB ausgeschlossen. Dies dient der Vermeidung von Selbstjustiz, auch als „Privatrache“ bezeichnet, indem verhindert wird, dass sich ein Schädiger seiner Verpflichtung zur Schadensersatzzahlung durch Aufrechnung entzieht. Dieses Verbot gilt jedoch nur für den Schädiger, nicht für den Geschädigten. Es gilt außerdem auch dann, wenn ein Anspruch sowohl auf vertraglicher als auch auf deliktischer Grundlage besteht. In allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Aufrechnungsverbote sind nach § 309 Nr. 3 BGB nur eingeschränkt zulässig. Daneben gibt es spezielle Aufrechnungsverbote im Insolvenzrecht gemäß den §§ 94 ff. InsO.
Kurz gesagt: Damit eine Aufrechnung wirksam ist, müssen eine Aufrechnungslage und eine Aufrechnungserklärung vorliegen und die Aufrechnung darf nicht ausgeschlossen sein.
Voraussetzungen
- Aufrechnungslage, § 387 BGB
- Wechselseitigkeit der Forderungen: Gläubiger eines Anspruchs jeweils Schuldner des anderen
- Gegenseitigkeit i.S.d. §§ 320 ff. BGB: Wechselseitige Forderungen aus selbem Schuldverhältnis
- Gleichartigkeit des Leistungsgegenstandes: Beide Geldschulden oder Gattungsschulden gleicher Gattung
- Gegenforderung / Aktivforderung besteht und ist durchsetzbar (insb. Fälligkeit)
- Aktivforderung ist die eigene Forderung des Aufrechnenden; Forderung mit der aufgerechnet wird
- Verjährung gem. § 215 BGB nicht hindernd, wenn bei Entstehung der Aufrechnungslage noch nicht verjährt
- Hauptforderung / Passivforderung ist erfüllbar (keine Fälligkeit erforderlich)
- Passivforderung ist die Forderung des Aufrechnungsgegners, die erlöschen soll („Forderung des anderen Teils“, „ihm obliegende Forderung“); Forderung gegen die aufgerechnet wird
- Aufrechnungserklärung, § 388 BGB
- Kein Ausschluss der Aufrechnung / Aufrechnungsverbot, §§ 390-394 BGB: Aufrechnungsverbot aus Vertrag oder Gesetz
- Insb. beschlagnahmte Forderungen, § 392 BGB, und unpfändbare Forderungen, §§ 392, 394 BGB
- Insb. Forderungen aus unerlaubter Handlung, § 393 BGB: Zur Vermeidung von Selbstjustiz („Privatrache“); gilt nur für Schädiger, nicht für Geschädigten; gilt auch wenn Konkurrenz zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen
- Beachte § 309 Nr. 3 BGB für in AGB vereinbarte Aufrechnungsverbote
- Daneben auch Aufrechnungsverbote des Insolvenzrechts, §§ 94 ff. InsO
Kann die Aufrechnung unter einer Bedingung erklärt werden?
Grundsätzlich ist die Aufrechnungserklärung bedingungsfeindlich. Das ergibt sich aus § 388 S. 2 BGB. Der Grund für diese Bedingungsfeindlichkeit liegt darin, dass Unsicherheiten über das Vorliegen der Aufrechnung vermieden werden sollen. Denn die Aufrechnung ist ein Gestaltungsrecht, das durch die Erklärung des Aufrechnenden unmittelbar eine Rechtsfolge herbeiführt, nämlich das Erlöschen der Forderungen in dem Umfang, in dem sie sich decken. Wäre eine bedingte Aufrechnungserklärung möglich, könnte das dazu führen, dass die Rechtslage unklar bleibt, weil nicht feststeht, ob und wann die Aufrechnung wirkt.
Diese Bedingungsfeindlichkeit gilt nicht nur für die Aufrechnung, sondern wird für alle Gestaltungsrechte analog angewendet.
Allerdings gibt es Fälle, in denen eine bedingte Aufrechnung dennoch ausnahmsweise zulässig ist. Das ergibt sich aus einer teleologischen Reduktion des § 388 S. 2 BGB. Die bedingte Aufrechnung ist zulässig, wenn die Bedingung vom Aufrechnungsgegner selbst abhängt. In einem solchen Fall bestimmt er selbst, ob die Bedingung eintritt, sodass keine Ungewissheit entsteht. Ein Beispiel dafür wäre die Erklärung: „Ich rechne auf, wenn du bis morgen nicht bezahlt hast.“ Da der Gegner selbst durch seine Handlung bestimmt, ob die Bedingung erfüllt ist, entsteht keine Rechtsunsicherheit.
Eine bedingte Aufrechnung ist auch dann zulässig, wenn die Bedingung an einen rechtlichen Umstand geknüpft ist, aus dem sich keine Unsicherheit ergibt. Ein typisches Beispiel wäre: „Ich rechne auf, falls mir tatsächlich eine Gegenforderung zusteht.“ Hier hängt die Bedingung nicht von einem willkürlichen Umstand ab, sondern von einer rechtlichen Frage, die sich objektiv klären lässt.
Zentral ist also, dass eine bedingte Aufrechnung normalerweise unzulässig ist, aber ausnahmsweise erlaubt sein kann, wenn keine Rechtsunsicherheiten entstehen.
Aufrechnungserklärung bedingungsfeindlich gem. § 388 2 BGB: Um Rechtsunsicherheit zu vermeiden
- Für alle Gestaltungsrechte analog angewendet
- Ausnahmsweise nicht bedingungsfeindlich durch teleologische Reduktion, wenn Bedingung
- vom Aufrechnungsgegner selbst abhängt: Er bestimmt selbst, keine Ungewissheit
- von rechtlichem Umstand abhängt: Keine Rechtsunsicherheit (z.B. Aufrechnung, falls Gegenforderung besteht)
Teste dein Wissen
A kauft bei Händler H ein Auto für 14.000€. Da A nur über Barmittel i.H.v. 10.000€ verfügt, tritt er dem H einen Anspruch auf Darlehensrückzahlung i.H.v. 4.000€ gegen seinen Schuldner S ab. Wie ist die Rechtslage hinsichtlich dieses Anspruchs?
Deine Lernplattform für mehr Verständnis im Jurastudium
4.9 von 5 Sternen aus 60+ Google-Bewertungen
Erlebe eine neue Lernerfahrung mit kompakten, verlinkten Inhalten in einer interaktiven Plattform.
Das sagen unsere Nutzer
Die Struktur, das Design und der Inhalt der App sind hervorragend. Während meiner Recherche habe ich viele juristische Seiten besucht und sogar einen Kurs bei Jura Academy absolviert. Ehrlich gesagt gefällt mir deine Seite am besten.
Ziad T.
Jurastudent