- Strafrecht
- Vermögensdelikte
- Diebstahl und ähnliche Delikte
Diebstahl, § 242 I StGB
Was versteht man unter Diebstahl?
Diebstahl, § 242 I StGB: Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in der Absicht, diese sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen
- Beispiel: z.B. Täter nimmt dem Opfer heimlich das Portemonnaie aus der Tasche
Was sind die Voraussetzungen des Diebstahls?
Voraussetzungen des Diebstahls im Überblick
- Objektiver Tatbestand
- Tatobjekt Fremde bewegliche Sache
- Sache: Körperlicher Gegenstand (auch Flüssigkeiten), § 90 BGB
- Beweglich: Tatsächlich fortschaffbar
- Fremd: Im Eigentum eines anderen; Miteigentum ausreichend
- Tathandlung Wegnahme: Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams
- Subjektiver Tatbestand
- Vorsatz bzgl. objektiver Tatbestandsmerkmale
- Zueignungsabsicht: Anmaßung eigentümerähnlicher Stellung
- Enteignungsvorsatz: Dem Zugriff des Eigentümers dauerhaft entziehen
- Aneignungsabsicht: Seinem Vermögen zumindest vorübergehend einverleiben
- Rechtswidrigkeit der Zueignung und Vorsatz diesbezüglich: Kein Anspruch des Täters auf Übereignung (fälliger und einredefreier Anspruch)
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Was versteht man unter einer Wegnahme?
Wegnahme: Bruch (gegen oder ohne den Willen des Berechtigten) fremden und Begründung neuen (nicht unbedingt tätereigenen) Gewahrsams
- Keine Wegnahme wenn tatbestandsausschließendes Einverständnis: Da Gewahrsamsbruch nur gegen den Willen des Opfers
- Bruch von Mitgewahrsam reicht ggü. übergeordnetem Mitgewahrsamsinhaber (z.B. Arbeitnehmer an Arbeitsmaterial ggü. Arbeitgeber)
- Auch beobachtete Wegnahme umfasst (umstritten)
- Beobachtete Wegnahme nur Versuch, da kein Gewahrsamsbruch
- Diebstahl kein „heimliches Delikt“
Was versteht man unter Gewahrsam?
Gewahrsam: Tatsächliche Sachherrschaft (jederzeitiger körperlicher Zugriff), getragen vom Herrschaftswillen
- Reichweite von der Verkehrsanschauung bestimmt
- Indiz für Übergang des Gewahrsams: Wenn Zurückerlangung sozial auffällig, rechtfertigungsbedürftig wäre; z.B. spätestens wenn Dieb Supermarkt mit Diebesgut verlässt, liegt ein Gewahrsamswechsel vor, da es sozial auffällig wäre, wenn Ladeninhaber ihm die Ware auf der Straße wegreißen würde
- Unterschiede zum Besitz nach Zivilrecht: Mittelbarer Besitzer hat Besitz, aber keinen Gewahrsam; Besitzdiener hat keinen Besitz, aber Gewahrsam
Sinnvolle Deutung nur im Zusammenhang mit sozial-normativer Zuordnung von Sachen zu Herrschaftssphäre von Personen
- Gewahrsamslockerung: Gewahrsam auch bei räumlicher Trennung, wenn sozial üblich (z.B. bei geparktem Auto, auch bei Bewusstlosigkeit)
- Vergessene Sachen ⇨ Gewahrsam besteht noch
- Verlorene Sachen ⇨ Gewahrsamslos, keine Wegnahme daran möglich
- Genereller Gewahrsamswille bzgl. Gewahrsamsbereich, selbst, wenn keine Kenntnis von Existenz der Sache: z.B. Supermarktbetreiber hat grds. gelockerten Gewahrsam an allen Waren in seinem Laden
- Apprehensionstheorie: Gewahrsamsenklave in fremder Gewahrsamssphäre bei kleinen Gegenständen, wenn komplett umschlossen, z.B. von Faust, Jackentasche oder Rucksack
Was versteht man unter Zueignungsabsicht?
Zueignungsabsicht: Anmaßung eigentümerähnlichen Stellung; bzgl. Sache oder verkörpertem Wert (etwa „geistiges Eigentum“, z.B. Klausurinhalt nicht von Klausurblättern zu trennen)
- Enteignungsvorsatz: Vorsatz, die Sache ganz oder teilweise dem Zugriff des Eigentümers dauerhaft entziehen
- Enteignung auch durch Preisgabe: Möglichkeit des Diebstahls, z.B. in anderer Stadt abgestellt (Abgrenzung danach, ob Täter sich vorstellt, dass Opfer Fahrzeug zurückerhält oder nicht)
- Enteignung auch durch mehr als unwesentliche Beschädigung: Gebrauch schlägt in Verbrauch um
- Enteignung auch durch Verlust des Sachwerts (wenn physische Substanz erhalten bleibt): z.B. wenn EC-Karte genommen, um damit Geld abzuheben und Karte anschließend zurückgegeben
- Reichweite des Sachwertbegriffs umstritten
- Gebrauchsanmaßung mit Rückführungswille: Kein Vorsatz des dauerhaften Entzugs
- Aneignungsabsicht: Absicht, die Sache seinem Vermögen zumindest vorübergehend einverleiben (einverleiben der Substanz der Sache oder ihres funktionsspezifischen Werts)
- Nicht Vernichten eines Gegenstands, da dadurch keine positive Veränderung der Vermögenslage
- Entwendung eines Druckmittels (z.B. Handy weggenommen, um Eigentümer zur Rückgabe verliehenern Fahrrads zu nötigen): Keine Aneignungsabsicht, da gerade Anerkennung fremden Eigentums („du bekommst deinen Gegenstand nur wieder, wenn…“)
- Behältnis, wenn nur Inhalt begehrt wird, z.B. Koffer, Handtasche, Safe mitgenommen, um in Sicherheit Inhalt herauszunehmen: Keine Aneignungsabsicht, nur notwendiges Übel, um an Inhalt zu gelangen
- Enttäuschender Inhalt eines Behältnisses, wenn eigentlich werthaltige Beute begehrt, aber z.B. in Handtasche nur Kosmetika, an denen kein Interesse besteht: Keine Aneignungsabsicht und Enteignungsvorsatz, da keine Kongruenz zwischen anvisiertem und weggenommenem Objekt; lediglich untauglicher Versuch
- Rechtswidrigkeit der Zueignung und Vorsatz diesbezüglich: Kein fälliger, einredefreier Übereignungsanspruch des Täters auf die konkrete Sache
- Rechtswidrigkeit ist hier normatives Merkmal des objektiven Tatbestands
- Anspruch muss sich auf konkrete Sache beziehen, zum Beispiel konkrete Geldscheine: z.B. Wegnahme von drei 100€-Scheinen, die dem Opfer gehören, rechtswidrig, auch wenn Täter dem Opfer zuvor mit sechs 50€-Scheinen ein nun zur Rückzahlung fälliges Darlehen gegeben hat
- Wertsummentheorie: Rechtmäßigkeit bei Geldschulden bereits bei Anspruch auf Wertsumme
- Zivilrechtliche Eigentumsordnung muss berücksichtigt werden (und Auswahlrecht des Schuldners)
- Eselsbrücke für die Komponenten der Zueignungsabsicht: AaA (Absicht aktueller Aneingnung) und EeE (Eventualvorsatz der endgültigen Enteignung)
Was versteht man unter Gebrauchsanmaßung mit Rückführungswille?
- Gebrauchsanmaßung mit Rückführungswille („furtum usus“): Wegnahme mit dem Willen, den rechtmäßigen Zustand alsbald wiederherzustellen, d.h. Sache ohne Identitätswechsel, wesentliche Wertminderung, Eigentumsleugnung so zurückzugeben, dass Berechtigter Herrschaftsgewalt ohne besonderen Aufwand und nicht als Folge bloßen Zufalls wieder ausüben kann
- Strafbar bei Kfz und Fahrrad als unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs gem. § 248b I StGB
- Strafbar bei Pfandsachen als unbefugter Gebrauch von Pfandsachen gem. § 290 StGB
- Ansonsten straffrei
Wie weit reicht der Sachwertbegriff im Rahmen des Enteignungsvorsatzes?
Enteignung auch durch Verlust des Sachwerts (wenn physische Substanz erhalten bleibt): z.B. wenn EC-Karte genommen, um damit Geld abzuheben und Karte anschließend zurückgegeben
- Reichweite des Sachwertbegriffs umstritten
- Extensiver Sachwertbegriff: Unter Verwendung der Sache zu erzielender Wert („lucrum ex negotio cum re“) maßgeblich, da wirtschaftlicher Wert ⇨ Enteignungsvorsatz
- h.M., restriktiver Sachwertbegriff: Nur in Sache selbst verkörperter Wert („lucrum ex re“) maßgeblich
- Eigentumsdelikte schützen (im Gegensatz zu Vermögens- bzw. Bereicherungsdelikten) nur Verfügungsgewalt über Sache, nicht Vermögens als Ganzes
Gibt es beim Diebstahl spezielle Prozessvoraussetzungen?
Teilweise Erfordernis des Strafantrags
- Als Strafprozessvoraussetzung am Schluss im Prüfungsschema prüfen (nach der Schuld)
- Diebstahl geringwertiger Sachen, § 248a StGB: Unter 50€
- Maßgeblich objektiver Wert, persönliche Verhältnisse allenfalls untergeordnet
- Wenn kein messbarer Wert, z.B. Gerichtsakten, Scheckformular, Führerscheine nicht geringwertig, wenn Wert für Dieb in den mit Sachherrschaft verknüpften funktionellen Möglichkeiten liegt
- Relatives Antragsdelikt
- Haus- und Familiendiebstahl, § 247 StGB: z.B. auch noch Ex-Schwiegermutter umfasst
- Absolutes Antragsdelikt
Stellt die EC-Karten-Abhebung durch den Berechtigten gegen den Willen seiner Bank einen Gewahrsamsbruch dar?
- EC-Karten-Abhebung durch Berechtigten gegen Willen seiner Bank als Gewahrsamsbruch
- Äußeres Erscheinungsbild bei funktionsgerechter Bedienung; „mechanisches Einverständnis“ (vergleichbar mit Angestelltem, der jedem Inhaber von Karte und PIN Geld auszahlt)
Liegt bei der unbezahlten Entnahme von Benzin an einer Tankstelle ein Gewahrsamsbruch vor?
- Bei Tankstelle Einverständnis (das Gewahrsamsbruch ausschließt) in Gewahrsamnahme des Benzins, bedingt durch Bezahlung
- Umsatzinteresse des Inhabers ⇨ Generelles Einverständnis in Gewahrsam; Schutz bereits durch § 246 StGB (≠ Gewahrsamsbruch); Möglichkeit Automaten mit vorheriger Bezahlung
- Tankvorgang an Selbstbedienungstankstelle ohne Zahlungsbereitschaft Betrug
Stellt das Lesen von Büchern eine strafbare Zueignung dar?
- Bei Büchern Lesen als Verbrauch (≠ Gebrauch) ⇨ strafbare Zueignung
- Auch Probelesen üblich: Sachwert durch einmaliges Lesen nicht beeinträchtigt
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Ziad T.
Jurastudent