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Drittschadensliquidation

DrittschadensliquidationDSL
Aktualisiert vor etwa 12 Stunden

Welche Möglichkeit besteht, wenn jemand dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch hat, der Schaden aber zufälligerweise bei jemand anderem eingetreten ist (z.B., weil beschädigtes Fahrrad nicht Anspruchsinhaber gehört, sondern von Drittem ausgeliehen wurde)?

Stell dir folgende Situation vor: Du hast ein Fahrrad von einem Freund ausgeliehen. Du bist dann mit deinem Fahrrad unterwegs und wirst von einem Auto angefahren. Das Fahrrad wird dabei beschädigt. Eigentlich hättest du gegen den Autofahrer einen Anspruch auf Schadensersatz. Aber der Schaden ist ja nicht bei dir, sondern bei deinem Freund eingetreten, dem das Fahrrad ja gehört. Was nun?

In solch einer Konstellation greift die sogenannte Drittschadensliquidation ein. Dieses Rechtsinstitut erlaubt es dem Inhaber eines Schadensersatzanspruchs ausnahmsweise, den Schaden eines Dritten geltend zu machen, wenn der Schaden zufällig bei diesem Dritten eingetreten ist. Es kommt also zu einer Schadensverlagerung. Dadurch wird verhindert, dass ein Anspruch ins Leere läuft, nur weil der Anspruchsinhaber nicht selbst geschädigt ist. Wichtig ist, dass dabei immer der Schaden zum Anspruch gezogen wird und nicht umgekehrt der Anspruch zum Schaden.

Es kommt dabei gerade nicht zu einer Schadenserhöhung oder Schadensvermehrung. Es geht also um eine reine Verlagerung des Schadens, nicht darum, dass der Schaden sich auf mehrere Personen erstreckt. Dies wäre der Fall bei einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.

Zusammengefasst ist die Drittschadensliquidation also eine Ausnahme, die es dem Inhaber eines Schadensersatzanspruchs erlaubt, den Schaden eines Dritten geltend zu machen, wenn dieser Schaden nur zufällig bei dem Dritten eingetreten ist.

Merke

Drittschadensliquidation (DSL): Inhaber eines Schadensersatzanspruchs kann ausnahmsweise Schaden eines Dritten geltend machen, wenn Schaden zufällig bei diesem eingetreten ist

  • Schadensverlagerung: „Schaden wird zum Anspruch gezogen, nicht Anspruch zum Schaden
    • Schadenserhöhung, Schadenskumulation: Dann Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Unter welchen Voraussetzungen ist eine Drittschadensliquidation möglich?

Für eine Drittschadensliquidation müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss es einen Anspruchsinhaber geben, der zwar einen Anspruch hat, aber selbst keinen Schaden erlitten hat. Zweitens muss es einen Geschädigten geben, der einen Schaden erlitten hat, aber keinen Anspruch gegen den Schädiger oder den Anspruchsinhaber hat. Drittens muss es sich um eine zufällige oder atypische Schadensverlagerung handeln. Das bedeutet, dass der Schaden aus Sicht des Schädigers genauso gut beim Anspruchsinhaber hätte eintreten können. Eine vertragliche Vereinbarung reicht dafür nicht aus.

Ein Beispiel wäre, wenn du ein Auto leihst, das bei einem Unfall durch einen Schädiger zerstört wird. Du hast einen Anspruch auf Ersatz gegen den Schädiger, hast aber selbst keinen Schaden erlitten. Der Vermieter hat wiederum einen Schaden durch den beschädigten Mietwagen, aber keinen Anspruch gegen den Schädiger. Auch handelt es sich aus Sicht des Schädigers um eine zufällige Schadensverlagerung, da der Schaden aus seiner Sicht genauso gut bei dir hätte eintreten können, insbesondere wenn du Eigentümer gewesen wärst. In diesem Fall kannst du im Wege der Drittschadensliquidation den Anspruch auf Ersatz des Mietwagens geltend machen, obwohl du keinen Schaden hast. Die Drittschadensliquidation ist also eine enge Ausnahme, die das Auseinanderfallen von Anspruch und Schaden in bestimmten zufälligen Konstellationen überbrückt.

Merke

Voraussetzung

  1. Anspruchsinhaber Anspruch aber keinen Schaden
  2. Geschädigter Schaden aber keinen Anspruch (auch nicht gegen Anspruchsinhaber)
  3. Zufällige Schadensverlagerung / atypische Schadensverlagerung (≠ Vertragsvereinbarung): Schaden hätte aus Sicht des Schädigers genauso gut bei Anspruchsinhaber eintreten können
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In welchen typischen Fällen ist eine Drittschadensliquidation möglich?

Die Drittschadensliquidation beschreibt Fälle, in denen jemand einen Schaden geltend machen kann, der eigentlich einen anderen betroffen hat.

Eine wichtige Fallgruppe ist die obligatorische Gefahrverlagerung oder Gefahrentlastung. Hier geht es darum, dass eine geschuldete Sache, z.B. im Rahmen eines Kaufvertrags, vor Erfüllung durch das Verschulden eines Dritten untergeht, aber der Eigentümer nicht mehr die Gefahr trägt. Das passiert zum Beispiel im Rahmen der §§ 447, 644, 2174 BGB. Stell dir einen Versendungskauf vor: Die Ware wird von einer Transportperson zerstört, aber die Preisgefahr ist bereits gemäß § 447 BGB auf den Käufer übergegangen. Hier kann der Verkäufer den Schaden gegen die Transportperson geltend machen, obwohl der Schaden eigentlich den Käufer trifft.

Ein weiterer typischer Fall ist die sogenannte mittelbare Stellvertretung. Hier handelt jemand im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung. Das findet man insbesondere im Kommissionsgeschäft nach §§ 383 ff. HGB oder bei einem Treuhandverhältnis. Ein Kommissionär tritt zum Beispiel nach außen hin als Geschäftsherr auf, obwohl er für den Kommittenten handelt. Sollte ein Schaden eintreten, kann der Kommissionär diesen im Interesse des Kommittenten geltend machen.

Relevant sind auch die sogenannten Obhutsfälle. In diesen Fällen befindet sich eine Sache in der Obhut eines Nichteigentümers. Stell dir vor, jemand gibt eine fremde Sache zur Reparatur und der Werkunternehmer beschädigt sie. Der Eigentümer hat zwar gegebenenfalls einen deliktischen Anspruch gegen den Werkunternehmer, doch dieser könnte sich durch Exkulpation entlasten, was die Durchsetzung erschwert. In solchen Situationen kann der Schaden von der Person geltend gemacht werden, die die Obhut hatte, um den tatsächlichen Schadensträger zu schützen.

Merke

Fallgruppen

  • Obligatorische Gefahrverlagerung / obligatorische Gefahrentlastung: Sache geht vor Erfüllung durch Verschulden eines Dritten unter, aber Eigentümer trägt nicht mehr Gefahr, z.B. aufgrund §§ 447, 644, 2174 BGB ⇨ Geltendmachung des Schadens ggü. Drittem im Interesse der die Gefahr tragenden Person; z.B. Ware beim Versendungskauf von Transportperson zerstört, Preisgefahr aber bereits gem. § 447 BGB auf Käufer übergegangen, dessen Schaden Verkäufer gegen Transportperson geltend machen kann
  • Mittelbare Stellvertretung“: Handeln im eigenen Namen auf fremde Rechnung; insb. Kommissionsgeschäft, §§ 383 ff. HGB, Treuhandverhältnis
  • Obhutsfälle: Sache in Obhut eines Nichteigentümers dann z.B. fremde Sache durch berechtigten Besitzer in Reparatur gegeben, durch Werkunternehmer beschädigt; auch, wenn Dritter zwar einen deliktischen Anspruch hat, der aber sich z.B. aufgrund der Exkulpationsmöglichkeit nicht oder schwerer realisieren lässt

Wenn der Anspruchsinhaber den Schadensersatz bekommt, geht dann der Geschädigte (der ja den Schaden hat) leer aus?

Stell dir vor, du bist Geschädigter, aber im Rahmen der Drittschadensliquidation macht eine andere Person, der Anspruchsinhaber, deinen Schaden in seinem Schadensersatzanspruch geltend. Da stellt sich die Frage: Gehst du als tatsächlich Geschädigter dann leer aus?

Die Antwort ist: Nein, der Geschädigte geht nicht leer aus. Denn im Innenverhältnis zwischen dem Anspruchsinhaber, also demjenigen, der den Schadensersatz erhalten hat, und dem Geschädigten, muss der Anspruchsinhaber das Erlangte aufgrund von § 285 BGB oder eines Vertrags an den Geschädigten herausgeben.

Zentral ist also, dass der Anspruchsinhaber verpflichtet ist, den erlangten Schadensersatz an den Geschädigten herauszugeben.

Merke

Im Innenverhältnis zwischen Anspruchsinhaber und Geschädigtem

  • Anspruchsinhaber muss Erlangtes herausgeben aus § 285 BGB oder Vertrag

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Frage 1/1

Unternehmer A kauft bei B online ein gebrauchtes Fahrrad, das B an A versenden soll. B übergibt das Rad an die Transportperson T. Durch ein Verschulden des T wird das Rad auf dem Transportweg vollständig zerstört. Welche Aussagen sind richtig?

Das Vermögen des B ist nicht berührt, denn die Preisgefahr ging gem. § 447 BGB auf A über.
A muss das Rad gem. § 433 II BGB dennoch bezahlen.
A hat keinen deliktischen Schadensersatzanspruch gegen T, da er noch nicht Eigentümer des Fahrrads ist.
B kann den Schaden des A ggü. T geltend machen.
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