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Ersatz des Vertrauensschadens, § 122 BGB

VertrauensschadenErsatz des Vertrauensschadens
Aktualisiert vor 13 Tagen

Ist der Anfechtungsgegner geschützt, wenn er im Vertrauen auf die Gültigkeit der Erklärung einen Schaden erleidet, z.B. ein anderes gewinnbringendes Geschäft ausgeschlagen hat?

Stell dir vor, du schließt einen Vertrag ab, verlässt dich darauf, dass er wirksam ist, und schlägst deswegen ein anderes Geschäft aus, das für dich vorteilhafter gewesen wäre. Doch dann wird der Vertrag vom anderen Teil angefochten, weil ihm ein Irrtum unterlaufen ist. Hast du in so einem Fall Anspruch auf Schadensersatz? Genau das regelt § 122 BGB: den Ersatz des Vertrauensschadens.

Der Vertrauensschaden entsteht, wenn jemand darauf vertraut hat, dass eine Willenserklärung gültig ist, sich darauf eingestellt hat und dadurch einen Nachteil erleidet. Das bedeutet aber nicht, dass derjenige, der angefochten hat, den Vertrag erfüllen muss. Er muss lediglich den Schaden ersetzen, der durch das Vertrauen auf die Gültigkeit der Erklärung entstanden ist. Geregelt ist das in § 122 Abs. 1 BGB, allerdings nur für bestimmte Anfechtungsgründe. Ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens besteht, wenn die Anfechtung wegen eines Irrtums nach §§ 119, 120 BGB oder wegen einer Scherzerklärung nach § 118 BGB erfolgt. In diesen Fällen musste der Anfechtende nicht zwingend mit den negativen Folgen rechnen, sodass dem Anfechtungsgegner ein gewisser Schutz gewährt wird.

Der zu ersetzende Schaden ist das sogenannte negative Interesse. Das bedeutet, dass der Anfechtungsgegner so zu stellen ist, als hätte er nie auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut. Er kann beispielsweise den entgangenen Gewinn aus einem anderen Geschäft verlangen, das er extra wegen des nun angefochtenen Vertrags nicht abgeschlossen hat.

Allerdings ist der Anspruch auf den Vertrauensschaden begrenzt durch das positive Interesse, also das Erfüllungsinteresse. Der Geschädigte soll nicht besser stehen, als wenn der Vertrag tatsächlich wirksam gewesen wäre. Ein Beispiel macht das klar: Ein Verkäufer schließt mit einem Käufer einen Kaufvertrag über eine Ware zum Preis von 2.000 Euro. Der tatsächliche Wert dieser Ware beträgt aber nur 1.800 Euro. Kurz nach Vertragsschluss bekommt der Verkäufer noch ein besseres Angebot von 2.200 Euro, das er jedoch ablehnt, weil er ja bereits einen Vertrag geschlossen hat. Später ficht der Käufer den ursprünglichen Vertrag an. Der Verkäufer kann nun grundsätzlich den entgangenen Gewinn aus dem ausgeschlagenen Geschäft verlangen, also 400 Euro, weil er die Ware für 2.200 Euro hätte verkaufen können. Allerdings ist der Anspruch auf das Erfüllungsinteresse begrenzt, also auf die Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert der Ware (1.800 Euro) und dem vereinbarten Kaufpreis (2.000 Euro). Das sind 200 Euro, und genau das ist der Betrag, den er maximal verlangen kann.

Wird die Anfechtung hingegen auf eine arglistige Täuschung nach § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder auf eine widerrechtliche Drohung nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB gestützt, dann gibt es keinen Ersatz des Vertrauensschadens. Das liegt daran, dass derjenige, der getäuscht oder bedroht hat, keinen Schutz verdient. Daher geht man in diesen Fällen davon aus, dass der Anfechtende völlig berechtigt handelt, wenn er sich vom Geschäft löst, ohne dafür noch zusätzliche Kosten tragen zu müssen.

Besonders wichtig ist deshalb, dass du immer genau prüfst, auf welchen Anfechtungsgrund sich jemand beruft. Denn je nachdem, ob die Anfechtung nur auf einem Irrtum oder auch auf arglistiger Täuschung basiert, kann sich entscheiden, ob der Vertrauensschaden ersetzt werden muss oder nicht.

Kurz gesagt: Der Vertrauensschaden wird ersetzt, aber nur bei Anfechtung wegen Irrtums oder Scherzerklärung – und höchstens bis zur Höhe des Erfüllungsinteresses.

Merke

Ersatz des Vertrauensschadens von Anfechtendem an Anfechtungsgegner zu leisten (abhängig vom Anfechtungsgrund)

  • Bei Anfechtungsgründen Irrtümer, §§ 119, 120 BGB und bei der Scherzerklärung, § 118 BGB
    • Anfechtender hat Vertrauensschaden zu ersetzen, § 122 I BGB: Negatives Interesse; Schaden, den Anfechtungsgegner dadurch erleidet, dass er auf Wirksamkeit der Erklärung vertraute (≠ Erfüllungsinteresse auf Leistung aus angefochtenem Geschäft)
    • Vertrauensschaden begrenzt durch positives Interesse (Erfüllungsinteresse), § 122 I BGB: Geschädigter soll nicht besser gestellt werden, als er bei Wirksamkeit der Erklärung gestanden hätte; z.B. kein Schadensersatz, wen das nichtige Geschäft dem Anfechtungsgegner keinen wirtschaftlichen Vorteil gebracht hätte
    • Beispiel: Kaufvertrag über Sache im Wert von 1.800€ zu Kaufpreis von 2.000€ geschlossen und deshalb späteres Angebot zu 2.200€ ausgeschlagen ⇨ nach Anfechtung durch Käufer kann Verkäufer entgangenen Gewinn aus ausgeschlagenem Geschäft i.H.v. 400€ (Differenz zwischen Sachwert und Verkaufspreis aus ausgeschlagenem Geschäft) von Käufer verlangen (aber gerade nicht Kaufpreiszahlung i.H.v. 2.000€) ⇨ da das Erfüllungsinteresse aber nur 200€ beträgt (Differenz zwischen Sachwert und Verkaufspreis aus angefochtenem Geschäft) ist der Anspruch auf 200€ begrenzt
  • Bei Anfechtungsgründen arglistige Täuschung, § 123 I Alt. 1 BGB und widerrechtliche Drohung, § 123 I Alt. 2 BGB
    • Kein Vertrauensschaden zu ersetzen

  • Daher immer alle in Betracht kommenden Anfechtungsgründe prüfen: z.B. bei Anfechtung allein wegen eines Eigenschaftsirrtums, der durch arglistige Täuschung hervorgerufen wird, muss der Vertrauensschaden ersetzt werden, nicht aber, wenn auch wegen der arglistigen Täuschung angefochten wird

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Frage 1/2

A kauft einen Computer im Laden des Händlers H. Er bezahlt und nimmt den Computer gleich mit. Später ficht er wirksam den Kaufvertrag an wegen Eigenschaftsirrtums gem. § 119 II BGB. Welche Aussagen sind richtig?

Der Kaufvertrag ist von Anfang an nichtig gem. § 142 I BGB.
H kann den Computer von A zurückfordern gem. § 985 BGB.
A kann von H den Kaufpreis zurückfordern gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB.
Falls H einen Schaden dadurch erlitten hat, dass er auf den Bestand des Kaufvertrags vertraute, kann er von A Schadensersatz verlangen gem. § 122 BGB.
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