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Gattungsschuld, § 243 I BGB

GattungsschuldKonkretisierungVorratsschuld
Aktualisiert vor 2 Tagen

Was versteht man unter einer Gattungsschuld?

Stell dir vor, du bestellst beim Bauern zehn Kilogramm Kartoffeln einer bestimmten Sorte. Der Verkäufer muss dir nicht einen bestimmten Sack Kartoffeln liefern, sondern einfach zehn Kilogramm irgendwelcher Kartoffeln dieser Sorte. Das ist ein klassisches Beispiel für eine Gattungsschuld.

Eine Gattungsschuld liegt vor, wenn der geschuldete Gegenstand nur nach Gattung und Menge bestimmt ist. Die Sache ist also nur nach bestimmten Merkmalen wie Sorte, Gewicht oder Qualität beschrieben. Meistens handelt es sich dabei um vertretbare Sachen im Sinne von § 91 BGB, also Dinge, die nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt werden können, wie etwa Getreide oder Öl. Aber auch Grundstücke können Gegenstand einer Gattungsschuld sein, wenn sie nur nach Art und Lage beschrieben werden, zum Beispiel „ein Baugrundstück von 500 Quadratmetern in einem bestimmten Wohngebiet“.

Ein wichtiger Punkt bei der Gattungsschuld ist die Frage der Unmöglichkeit. Solange die Gattung am Markt verfügbar ist, bleibt die Leistung möglich. Erst wenn entweder die gesamte Gattung nicht mehr existiert oder eine sogenannte Konkretisierung erfolgt ist, kann Unmöglichkeit eintreten.

Merke

Gattungsschuld: Gegenstand nur nach Gattung und Menge bestimmt (z.B. 10 Kilo einer Kartoffelsorte); regelmäßig vertretbare Sachen gem. § 91 BGB, aber z.B. auch Grundstück nach Art und Lage

  • Keine Unmöglichkeit, solange nicht Konkretisierung oder ganze Gattung am Markt vernichtet

Was versteht man unter der Konkretisierung einer Gattungsschuld? Was muss der Schuldner tun, damit Konkretisierung eintritt? Was für Auswirkungen hat sie?

Stell dir vor, du bestellst bei einem Händler einen Laptop eines bestimmten Modells. Der Händler muss dir nicht einen ganz bestimmten Laptop liefern, sondern irgendeinen aus der Gattung dieser Laptops. Das nennt man eine Gattungsschuld, weil die geschuldete Sache nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmt ist. Doch was passiert, wenn die Auswahl konkret wird?

Die Konkretisierung bewirkt, dass aus der anfänglichen Gattungsschuld eine Stückschuld wird, das heißt, die Leistungspflicht des Schuldners beschränkt sich auf genau diese eine ausgewählte Sache.

Damit eine Konkretisierung eintritt, muss der Schuldner das seinerseits Erforderliche tun. Was das genau bedeutet, hängt von der Art der Schuld ab. Bei einer Holschuld, die der gesetzliche Regelfall ist, muss der Schuldner eine konkrete Sache auswählen und sie dem Gläubiger ordnungsgemäß anbieten. Bei einer Schickschuld reicht es aus, wenn der Schuldner die Sache auswählt und sie an eine geeignete Transportperson übergibt. Bei einer Bringschuld muss der Schuldner die Sache tatsächlich am Wohnsitz des Gläubigers anbieten, sodass der Gläubiger in Annahmeverzug geraten würde, wenn er sie nicht annimmt.

Die Konkretisierung ist besonders wichtig für die Frage der Leistungsgefahr: Solange es eine Gattungsschuld ist, muss der Schuldner im Zweifel ein anderes Exemplar liefern, wenn eines untergeht. Nach der Konkretisierung ist er jedoch wegen Unmöglichkeit von seiner Leistungspflicht befreit, wenn genau diese eine Sache untergeht. Der Schuldner muss dann nicht mehr leisten.

Kurz gesagt: Die Konkretisierung macht aus einer Gattungs- eine Stückschuld und bewirkt den Übergang der Leistungsgefahr auf den Gläubiger.

Merke

Konkretisierung, § 243 II BGB: Ursprünglich vorliegende Gattungsschuld wird auf konkrete Sache beschränkt

  • Konkretisierung tritt ein, wenn Schuldner das seinerseits Erforderliche getan hat
    • Bei Holschuld, § 269 I BGB: Sache ausgewählt und angeboten
    • Bei Schickschuld: Sache ausgewählt und Übergabe an geeignete Transportperson
    • Bei Bringschuld: Tatsächliches Angebot am Wohnsitz des Gläubigers, das bei Nichtannahme Annahmeverzug, §§ 293 ff. BGB, begründen würde
  • Gattungsschuld wird zur Stückschuld
  • Übergang der Leistungsgefahr auf Gläubiger: Unmöglichkeit bereits, wenn konkrete Sache untergeht
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Welche Qualität schuldet der Schuldner einer Gattungsschuld?

Stell dir vor, du bestellst ein neues Handy in einem Online-Shop. Der Händler muss dir nun ein Gerät des bestellten Modells liefern. Doch was passiert, wenn er dir ein minderwertiges Exemplar schickt, das nicht deinen Erwartungen entspricht? Darf er dir Ausschussware mit einem schlechteren Akku senden?

Das Gesetz gibt in § 243 Abs. 1 BGB eine klare Antwort: Im Zweifel muss der Schuldner eine Sache mittlerer Art und Güte liefert. Das bedeutet, er muss keine Luxusversion liefern, aber auch keine mangelhafte oder minderwertige Ware. Wenn du also das bestellte Handy erhältst, muss es der üblichen Qualität entsprechen, die bei diesem Modell zu erwarten ist.

Falls der Schuldner eine Leistung anbietet, die unter diesem Standard liegt, kann der Gläubiger die Annahme verweigern. Er muss also keine mangelhafte Ware akzeptieren. Nimmt er sie jedoch dennoch an, stehen ihm anschließend nur noch die normalen Gewährleistungsrechte zur Verfügung, etwa Anspruch auf Nachbesserung oder Minderung des Kaufpreises.

Bei einer Gattungsschuld muss der Schuldner also zumindest Ware mittlerer Art und Güte liefern.

Merke

Geschuldete Qualität

  • Im Zweifel nach mittlerer Art und Güte zu leisten, § 243 I BGB
  • Zurückweisungsrecht, wenn zu geringer Standard: Nach Annahme nur noch Gewährleistungsrechte

Was versteht man unter einer Vorratsschuld?

Eine besondere Form der Gattungsschuld ist die Vorratsschuld. Hierbei muss die Leistung nur aus einem bestimmten Vorrat erbracht werden. Ein Beispiel wäre ein Landwirt, der sich verpflichtet, fünf Tonnen Äpfel zu liefern, jedoch ausschließlich aus seiner eigenen Ernte. Er muss also nicht Äpfel auf dem Markt zukaufen, wenn seine eigene Ernte kleiner ausfällt als erwartet und nicht ausreicht.

Die Vorratsschuld unterscheidet sich von der normalen Gattungsschuld dadurch, dass der Schuldner sich nicht aus der gesamten Marktverfügbarkeit bedienen muss, sondern nur aus einem festgelegten Bestand. Dadurch kann es auch schneller zur Unmöglichkeit kommen. Wenn der gesamte Vorrat erschöpft oder untergegangen ist, wird die Leistung unmöglich. Bleiben wir bei unserem Beispiel: Wenn ein Hagelsturm die gesamte Apfelernte des Landwirts vernichtet, kann er nicht mehr liefern. Zwar gibt es anderorts noch Äpfel der gleichen Sorte zu kaufen, aber seine Leistung wird unmöglich, weil sie nur aus seinem Vorrat zu erbringen ist, der zerstört ist.

Wichtig ist also, dass sich die Leistungspflicht bei einer Vorratsschuld auf einen bestimmten Bestand beschränkt.

Merke

Vorratsschuld: Spezielle Gattungsschuld, bei der Leistung nur aus bestimmtem Vorrat erbracht werden muss (z.B. eigene Ernte)

  • Unmöglichkeit, wenn Vorrat erschöpft oder untergegangen

Kann der Schuldner nach Konkretisierung einfach eine gleichwertige andere Sache liefern?

Stell dir vor, du bestellst beim Händler ein Auto einer bestimmten Modellreihe in der Farbe Rot. Der Händler hat mehrere identische Fahrzeuge auf Lager und verpflichtet sich zur Lieferung eines solchen Autos. Solange er nicht ein bestimmtes Fahrzeug zur Erfüllung auswählt, liegt eine sogenannte Gattungsschuld vor. Doch was passiert, wenn der Händler die Schuld durch Konkretisierung bereits auf ein bestimmtes Fahrzeug beschränkt hat – darf er dann trotzdem noch ein anderes, gleichwertiges Auto liefern?

Nach herrschender Meinung ist der Schuldner an die Konkretisierung gebunden und darf nicht einfach eine andere Sache leisten. Das folgt aus dem Wortlaut von § 243 Abs. 2 BGB, der besagt, dass mit der Konkretisierung eine Beschränkung der Schuld auf die konkretisierte Sache erfolgt. Auch der Wille des Gesetzgebers spricht dafür, denn die Konkretisierung dient der Rechtssicherheit und dem Schutz des Schuldners vor weitergehenden Leistungspflichten. Hat der Händler also ein bestimmtes rotes Auto zur Erfüllung ausgewählt, ist er daran gebunden und kann nicht nachträglich ein anderes Auto liefern.

Allerdings bedeutet das nicht, dass der Gläubiger – also hier der Käufer – immer auf genau dieses eine Auto bestehen kann. Nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB darf der Käufer die Annahme einer gleichwertigen Ersatzsache nicht verweigern, wenn es für ihn keinen Unterschied macht.

Nach der Konkretisierung ist der Schuldner also an die gewählte Sache gebunden, aber der Gläubiger kann verpflichtet sein, eine gleichwertige Ersatzleistung anzunehmen.

Merke

Lieferung anderer Sache nach Konkretisierung

  • h.M.: Schuldner an Konkretisierung gebunden, darf eigentlich nicht andere Sache liefern
    • Konkretisierung bindend wegen Wortlaut des § 243 II BGB und Wille des Gesetzgebers
  • Gläubiger darf aber nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB, die Annahme gleichwertiger Ersatzsache nicht verweigern

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Frage 1/7

A kauft ein Fahrrad Modell X beim Händler H. Bevor es zur Übergabe kommt, werden alle Fahrräder Modell X aus dem Lager des H gestohlen. Kann A Übereignung und Übergabe verlangen?

Nein, der Anspruch ist erloschen.
Nein, aber ggf. Rückerstattung des bereits gezahlten Kaufpreises.
Ja, H muss sich ein Fahrrad gleicher Art und Güte besorgen, um an A zu leisten.
Nein, aber H schuldet Schadensersatz.
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