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Gläubigerverzug, §§ 293 ff. BGB

GläubigerverzugAnnahmeverzug
Aktualisiert vor 8 Tagen

Was versteht man unter Gläubigerverzug?

Der Gläubigerverzug, auch Annahmeverzug genannt, ist in den §§ 293 bis 304 BGB geregelt. Er tritt ein, wenn der Gläubiger die angebotene Leistung nicht annimmt trotz Erfüllbarkeit, Möglichkeit der Leistung und einem ordnungsgemäßen Angebot.

Ein Beispiel: Ein Käufer hat mit dem Verkäufer vereinbart, dass eine bestellte Ware am 1. Juni an seine Adresse geliefert werden soll. Der Verkäufer bringt die Ware fristgerecht zum Käufer, doch dieser verweigert die Annahme ohne berechtigten Grund. Hier liegt Annahmeverzug vor, da die Leistung erfüllbar und möglich war und ordnungsgemäß angeboten wurde.

Merke

Gläubigerverzug / Annahmeverzug, §§ 293-304 BGB: Nichtannahme trotz Erfüllbarkeit und Möglichkeit der Leistung und ordnungsgemäßen Angebots

Welche Rechtsfolgen hat der Gläubigerverzug? Muss der Schuldner dennoch leisten?

Der Gläubigerverzug, geregelt in den §§ 293 ff. BGB, hat verschiedene Rechtsfolgen für das Schuldverhältnis.

Er führt allerdings grundsätzlich nicht zur Befreiung des Schuldner von der Leistungspflicht. Diese bleibt bestehen. Der Schuldner wird also nicht dadurch von seiner Verpflichtung zur Leistung befreit, dass der Gläubiger die angebotene Leistung nicht annimmt. Eine Ausnahme besteht jedoch beim Dienstvertrag nach § 615 S. 1 BGB. Hier muss der Dienstverpflichtete nicht nachleisten, sondern erhält die vereinbarte Vergütung auch dann, wenn der Gläubiger die Dienst- oder Arbeitsleistung nicht annimmt.

Den Gläubiger trifft eine Annahmeobliegenheit. Obliegenheit bedeutet, dass die Annahme nicht wie ein Anspruch rechtlich durchgesetzt werden kann, dass dem Gläubiger aber Nachteile entstehen, wenn er der Obliegenheit nicht nachkommt. Nimmt der Gläubiger die Leistung nicht an, führt das somit zu einer teilweisen Entlastung des Schuldners. Diese Entlastung zeigt sich in mehreren Punkten.

Zunächst erfährt der Schuldner eine Haftungserleichterung gemäß § 300 Abs. 1 BGB. Das bedeutet, dass er nur noch für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haftet. Wenn also etwa die Kaufsache verloren geht, weil der Schuldner leicht fahrlässig gehandelt hat, hat er dies nicht mehr zu vertreten.

Außerdem führt der Gläubigerverzug zur Konkretisierung einer Gattungsschuld, geregelt in § 300 Abs. 2 BGB. Die ursprünglich geschuldete Gattungsschuld wird spätestens durch den Eintritt des Annahmeverzugs zur Stückschuld. Das gilt auch für Geldschulden, allerdings nur in Bezug auf die Sachgefahr, etwa wenn das Geld während des Verzugs gestohlen wird. Nicht erfasst sind hingegen der Geldwertverfall oder Währungsrisiken.

Zusätzlich entfällt nach § 301 BGB die Zinspflicht bei einem Darlehen. Das bedeutet, dass ein Darlehensnehmer für den Zeitraum des Gläubigerverzugs keine Zinsen zahlen muss, da er zur Rückzahlung der fälligen Summe bereit ist, der Gläubiger diese aber nicht annimmt.

Weiterhin führt im Falle des Annahmeverzugs eine nachträgliche Unmöglichkeit der Leistung gemäß § 275 BGB nicht zu einem Wegfall der Gegenleistungspflicht. Der Anspruch auf die Gegenleistung bleibt bestehen gem. § 326 Abs. 2 Alt. 2 BGB, man spricht hier von Anspruchserhaltung. Voraussetzung dafür ist, dass der Gläubiger die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat. Da aber die Haftung des Schuldners gleichzeitig durch § 300 Abs. 1 BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit reduziert ist, scheidet eine Zurechnung an den Gläubiger häufig aus.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass der Gläubigerverzug den Schuldnerverzug beendet. Nach den §§ 286 ff. BGB kann ein Schuldner grundsätzlich in Verzug geraten, wenn er trotz Fälligkeit und Mahnung die geschuldete Leistung nicht erbringt. Sobald jedoch der Gläubiger durch ein nachträgliches Angebot selbst in Annahmeverzug gerät, endet der Schuldnerverzug.

Außerdem kann der Gläubigerverzug auch Auswirkungen auf das Rücktrittsrecht haben. Nach § 323 Abs. 6 Alt. 2 BGB ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn der Schuldner den Rücktrittsgrund nicht zu vertreten hat.

Kurz gesagt: Der Gläubigerverzug entlastet den Schuldner teilweise, aber die Leistungspflicht bleibt grundsätzlich bestehen.

Merke

Rechtsfolgen

  • Keine Befreiung von Leistungspflicht: Ausnahme nur beim Dienstvertrag gem. § 615 1 BGB
  • Nur Annahmeobliegenheit des Gläubigers
  • Nichtannahme führt zu teilweiser Entlastung des Schuldners
    • Haftungserleichterung für Schuldner, § 300 I BGB: Nur grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz zu vertreten
    • Konkretisierung von Gattungsschuld, § 300 II BGB: Wird spätestens dann zur Stückschuld; gilt auch für Geldschuld hinsichtlich der Sachgefahr (z.B. Diebstahl, z.B. nicht Geldwertverfall, Währungsrisiko)
    • Keine Zinspflicht bei Darlehen, § 301 BGB
    • Bei Unmöglichkeit der Leistung, § 275 BGB, bleibt Anspruch auf Gegenleistung erhalten, § 326 II Alt. 2 BGB: Nur, wenn Gläubiger Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat (aber Vertretenmüssen ja gem. § 300 I BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit reduziert)
    • Gläubigerverzug beendet Schuldnerverzug, §§ 286 ff. BGB
    • Rücktritt ggf. ausgeschlossen, § 323 VI Alt. 2 BGB: Sofern Rücktrittsgrund nicht vom Schuldner zu vertreten

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Frage 1/3

A kauft das gebrauchte Fahrrad der B. Er soll es am Dienstag abholen, kommt aber nicht. B lässt das Fahrrad aus Unachtsamkeit ohne Schloss an der Straße stehen. Am Mittwoch wird das Fahrrad gestohlen. A betrachtet das Geschäft damit als hinfällig. B verlangt Zahlung des Kaufpreises. Welche Aussagen sind richtig?

A kann von B Schadensersatz fordern
Die Leistungspflicht des A entfällt gem. § 326 I 1 Hs. 1 BGB.
Der A muss den Kaufpreis bezahlen.
A und B sind für den Diebstahl verantwortlich.
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