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Internet-„Versteigerungen“ („eBay-Fälle“)
Wie sind „Versteigerungen“ über Internet-Auktionsplattformen (insb. „eBay“) rechtlich zu qualifizieren? Handelt es sich um Versteigerungen i.S.d. § 156 BGB?
Bei Internetauktionen wie auf eBay stellt sich die Frage, ob es sich - wie der Name nahelegt - um eine Versteigerung im Sinne von § 156 BGB handelt. Auf den ersten Blick erinnert das Verfahren an eine klassische Versteigerung, weil Interessenten Gebote abgeben und der Höchstbietende den Zuschlag erhält. Doch rechtlich gesehen läuft der Vertragsschluss anders ab. Es handelt sich vielmehr um einen gewöhnlichen Kaufvertrag.
Bei einer Internetauktion gibt der Verkäufer mit dem Einstellen eines Artikels auf der Auktionsplattform ein verbindliches Kaufangebot ab. Dieses Angebot richtet sich an eine unbestimmte Anzahl von Personen, also eine oferta ad incertas personas. Die Teilnehmer der Auktion können durch ihre Gebote eine Annahmeerklärung abgeben. Dabei führt nicht jedes Gebot sofort zum Vertragsschluss, sondern erst das Höchstgebot am Ende der Auktionslaufzeit. Mit Ablauf der festgelegten Zeit nimmt der Verkäufer das höchste Gebot automatisch an. Das bedeutet: Der Vertrag kommt durch das Höchstgebot des Bieters und die automatische Annahme durch den Verkäufer mit Auktionsende zustande.
Wichtig ist die Rolle des Plattformbetreibers, etwa eBay. Dieser ist nicht selbst Vertragspartner, sondern fungiert als Empfangsvertreter im Sinne von § 164 Abs. 3 BGB. Das bedeutet, dass die Willenserklärungen der Beteiligten der jeweils anderen Partei über die Plattform zugehen, ohne dass der Plattformbetreiber eigene Erklärungen abgibt oder Vertragspartei wird.
Die Einordnung als gewöhnlicher Kaufvertrag hat eine wichtige Folge: Eine Internetauktion unterliegt nicht den Regeln des § 156 BGB. Dort ist geregelt, dass bei einer Versteigerung der Vertrag mit dem Zuschlag des Auktionators zustande kommt. Dies ist bei eBay und ähnlichen Plattformen nicht der Fall, da es keinen Auktionator gibt, der den Zuschlag erteilt. Deshalb fällt eine Internetauktion nicht unter § 156 BGB und genießt nicht dessen Privilegien.
Das hat insbesondere Auswirkungen auf das Widerrufsrecht. Nach § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 10 BGB besteht im Falle einer Versteigerung im Sinne des § 156 BGB kein Widerrufsrecht für Verbraucher. Da Internetauktionen jedoch keine Versteigerungen im Sinne des § 156 BGB sind, gilt dieser Ausschluss nicht. Verbraucher können also unter den Voraussetzungen der §§ 312c, 312g, 355 ff. BGB ein Widerrufsrecht haben, wenn es sich um einen Fernabsatzvertrag mit einem Unternehmer handelt.
Zentral ist also, dass eBay-Auktionen keine Versteigerungen im Sinne des § 156 BGB sind, sondern als gewöhnliche Kaufverträge behandelt werden.
Bei Internet-„Versteigerung“ wird gewöhnlicher Kaufvertrag geschlossen
- Einstellen des Warenangebots verbindliches Angebot ad incertas personas
- Abgabe des Höchstgebotes bindende Annahmeerklärung
- Plattformbetreiber (insb. „eBay“) ist für die Willenserklärungen der Parteien jeweils Empfangsvertreter, § 164 III BGB
- Vertragsschluss mit Auktionsende
- Internet-„Versteigerung“ ist keine Versteigerung i.S.d. § 156 BGB
- Daher kein Ausschluss des Widerrufsrecht gem. § 312g II 1 Nr. 10 BGB
- Ggf. Widerrufsrecht gem. §§ 312c, 312g, 355 ff. BGB
Gelten die AGB der Auktionsplattform, die alle Nutzer akzeptieren müssen, auch im Verhältnis der Nutzer untereinander?
Wer auf einer Plattform wie eBay etwas kauft oder verkauft, muss sich an deren Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) halten. Doch gelten diese AGB auch direkt zwischen den Nutzern?
Eine Ansicht, die sogenannte Einbeziehungslösung, geht davon aus, dass die Plattform-AGB auch im Verhältnis der Teilnehmer untereinander gelten. Allerdings gibt es gegen diese Auffassung erhebliche Bedenken. Denn wenn jemand sich auf einer Plattform anmeldet, möchte er in erster Linie mit der Plattform selbst ein Vertragsverhältnis eingehen, nicht aber automatisch mit anderen Nutzern. Würden die AGB dennoch zwischen den Nutzern gelten, könnte das als überraschende Klausel nach § 305c BGB gewertet werden, da der einzelne Nutzer möglicherweise nicht damit rechnet, dass er dadurch auch in seinen Verträgen mit anderen Nutzern gebunden ist.
Der Bundesgerichtshof (BGH) vertritt deshalb die sogenannte Auslegungslösung. Danach gelten die Plattform-AGB nicht unmittelbar zwischen den Nutzern, sie sind aber dennoch relevant. Denn sie können als Verkehrssitte nach § 157 BGB herangezogen werden, um den Vertrag zwischen den Nutzern auszulegen. Das bedeutet, dass sich aus den AGB Anhaltspunkte dafür ergeben können, wie die Vertragsparteien ihr Rechtsverhältnis verstanden wissen wollen. Schließlich haben beide Parteien bei ihrer Anmeldung den AGB zugestimmt und wissen, dass auch die jeweils andere Partei dies getan hat.
Allerdings hat eine individuelle Vereinbarung zwischen den Nutzern Vorrang vor einer solchen Auslegung auf Grundlage der AGB. Wenn Käufer und Verkäufer also ausdrücklich eine Regelung treffen, die von den AGB der Plattform abweicht, dann geht diese spezielle Vereinbarung vor.
Das Entscheidende ist also, dass die AGB der Plattform nicht automatisch für die Verträge zwischen den Nutzern gelten, sie aber bei der Auslegung dieser Verträge eine Rolle spielen können.
Auswirkung der Plattform-AGB (insb. „eBay-AGB“) auf Kaufvertrag zwischen Nutzern
- M.M., Einbeziehungslösung: AGB gelten auch im Verhältnis der Teilnehmer untereinander
- Dies wäre eine überraschende Klausel gem. § 305c BGB, da der Anmeldende keinen Vertrag mit Dritten schließen will
- BGH, Auslegungslösung: Keine unmittelbare Geltung, jedoch Bedeutung für Auslegung als Verkehrssitte gem. § 157 BGB, da beide Parteien durch Anmeldung wissen, dass beide AGB zugestimmt haben
- Aber Vorrang der Individualvereinbarung
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Ist die „Ersteigerung“ eines wertvollen Gegenstands weit unter Marktwert sittenwidrig?
Auf Online-Plattformen wie eBay kann es vorkommen, dass ein wertvoller Gegenstand für einen ungewöhnlich niedrigen Preis ersteigert wird. Doch stellt eine solche „Ersteigerung“ zum Beispiel eines Autos für nur einen Euro eine sittenwidrige Ausnutzung der Position des Verkäufers dar? Fraglich ist, ob der Kaufvertrag nach § 138 Abs. 2 BGB als wucherähnliches Geschäft nichtig sein könnte.
Wucher setzt voraus, dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und der begünstigte Vertragspartner eine Schwächesituation des anderen ausnutzt, etwa dann, wenn eine Seite durch Zwang oder Unerfahrenheit übervorteilt wird. Bei Internetversteigerungen ist die Situation jedoch anders gelagert. Hier bestimmt der Verkäufer selbst den Startpreis, kann ein Mindestgebot festlegen und hat damit die Möglichkeit, das Risiko eines sehr niedrigen Verkaufspreises zu steuern.
Die Interessenlage ist bei Online-Auktionen gerade von Natur aus konträr: Der Verkäufer hofft auf einen möglichst hohen Preis, während die Bieter möglichst günstig kaufen möchten. Dieses Gegenspiel ist wesensimmanent und gehört zum System solcher Auktionen. Dass ein Bieter mit seinem niedrigen Gebot erfolgreich ist, liegt also nicht an einer sittenwidrigen Ausnutzung, sondern an der vom Verkäufer selbst gewählten Gestaltung der Auktion.
Ein Schnäppchen bei einer eBay-Auktion macht den Kauf also nicht sittenwidrig.
„Ersteigerung“ unter Marktwert (z.B. Auto zu 1€)
- Sittenwidrigkeit gem. § 138 II BGB
- Möglicher Kauf mit niedrigem Gebot gerade typische konträre Interessenlage (einerseits an hohem Gebot, andererseits an vielen Bietern), die zum Wesen der Internet-„Versteigerung“ gehört; Verkäufer könnte Risiko steuern, indem er höheren Startpreis festlegt
Was passiert im Falle des vorzeitigen Abbruchs einer „Auktion“ durch den Verkäufer?
Wer eine Auktion auf einer Plattform wie eBay einstellt, gibt dadurch ein verbindliches Verkaufsangebot ab, das mit dem Höchstbietenden zum Auktionsende automatisch zum Vertrag führt. Doch was passiert, wenn der Verkäufer die Auktion vorzeitig abbricht?
Zunächst kommt es darauf an, ob der Abbruch berechtigt war. Die AGB der Plattformen enthalten typischerweise Regelungen, die einen vorzeitigen Abbruch unter bestimmten Umständen erlauben, zum Beispiel wenn die Ware zerstört wurde oder der Verkäufer sich geirrt hat. In solchen Fällen kommt kein Vertrag zustande und der Verkäufer muss sich keine Sorgen machen.
Anders sieht es aus, wenn der Abbruch unberechtigt erfolgt, etwa weil der Verkäufer mit dem erzielten Preis unzufrieden ist. In diesem Fall kommt der Kaufvertrag mit dem zu diesem Zeitpunkt Höchstbietenden zustande. Falls der Verkäufer dann nicht mehr liefern kann oder will, kann der Höchstbietende Schadensersatz verlangen. Der Schadensersatz bemisst sich dabei nach dem Wert der Ware abzüglich des gebotenen Betrags. Hat der Höchstbietende für ein teures Gemälde nur wenige Euro geboten, kann er unter Umständen eine erhebliche Summe vom Verkäufer fordern.
Doch nicht jeder Bieter kann sich darauf berufen. Manche Personen, sogenannte Abbruchjäger, geben Gebote gerade mit dem Ziel ab, dass die Auktion abgebrochen wird, um dann Schadensersatz fordern zu können. Solches Verhalten ist rechtsmissbräuchlich nach § 242 BGB und führt dazu, dass der Anspruch auf Schadensersatz nicht durchgesetzt werden kann. Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn auch der Verkäufer sich missbräuchlich verhält, etwa indem er mit einem Fake-Account künstlich hochbietet. Dann verliert er den Schutz vor dem Abbruchjäger.
Kurz gesagt: Ein unberechtigter Abbruch führt grundsätzlich zum Vertragsschluss und kann Schadensersatzpflichten auslösen, es sei denn, der Bieter handelt rechtsmissbräuchlich.
Vorzeitiger Abbruch der „Auktion“ durch den Verkäufer
- Berechtigter Auktionsabbruch nach Plattform-AGB: Kein Vertragsschluss
- Unberechtigter Auktionsabbruch
- Vertragsschluss mit dem derzeit Höchstbietendem
- Wenn nicht erfüllbar Schadensersatz in Höhe des Werts abzgl. des Gebots
- Aber „Abbruchjäger“ handeln rechtmissbräuchlich, § 242 BGB: Bieter, die nur an Schadensersatz interessiert sind, keine ernsthafte Kaufabsicht haben
- Es sei denn Verkäufer handelt auch rechtsmissbräuchlich, z.B. durch Mitbieten mit „Fake-Account“
Wie ist der Kauf über ein fremdes Benutzerkonto zu qualifizieren?
Stell dir vor, jemand nutzt dein eBay-Konto, ohne dass du es weißt, und gibt in deinem Namen Gebote für teure Artikel ab. Doch wer ist in einem solchen Fall eigentlich der Käufer? Und welche rechtlichen Konsequenzen hat das?
Wenn jemand über das Benutzerkonto eines anderen einen Kaufvertrag abschließt, liegt keine Stellvertretung nach § 164 Abs. 1 BGB vor. Denn Stellvertretung setzt voraus, dass der Handelnde ausdrücklich oder erkennbar im Namen eines anderen auftritt. Beim Kauf über ein fremdes Benutzerkonto ist jedoch nach außen nicht ersichtlich, dass nicht der Kontoinhaber selbst handelt. Das bedeutet, dass der Vertragspartner davon ausgeht, mit demjenigen zu kontrahieren, dessen Name und Konto für den Kauf genutzt wird.
Stattdessen spricht man hier von einem Handeln unter fremdem Namen. Das bedeutet, dass der Handelnde sich als eine andere Person ausgibt, ohne dass der Vertragspartner dies bemerkt. Ob der Vertrag dann mit dem Kontoinhaber oder mit dem tatsächlichen Handelnden zustande kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere davon, ob der Vertragspartner ein Interesse daran hatte, den Vertrag mit dem wahren Namensträger abzuschließen.
Wer über ein fremdes eBay-Konto kauft, handelt also nicht als Stellvertreter, sondern unter fremdem Namen.
Kauf über Benutzerkonto eines anderen
- Keine Stellvertretung, § 164 I BGB (nicht „Handeln in fremdem Namen“), da nach außen Falschheit der Identität nicht erkennbar
- „Handeln unter fremdem Namen“
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