- Zivilrecht
- Vertragliche Schuldverhältnisse
- Kaufvertrag
Inzahlungnahme
Was versteht man unter einer Inzahlungnahme?
Eine Inzahlungnahme liegt vor, wenn beim Kauf einer neuen Sache die alte Sache als Teil der Gegenleistung mit angerechnet wird. Ein typisches Beispiel ist der Neuwagenkauf, bei dem das alte Auto in Zahlung gegeben wird.
Stell dir folgende Situation vor: Du möchtest dir einen neuen Wagen kaufen, der 30.000 Euro kostet. Dein altes Auto ist noch einiges wert, sagen wir 5.000 Euro. Anstatt deinen alten Wagen separat zu verkaufen und den Erlös zusätzlich zu deinem Barbestand zu nehmen, kannst du das alte Auto direkt beim Kauf des Neuwagens in Zahlung geben. Das bedeutet, der Wert deines Altfahrzeugs von 5.000 Euro wird vom Kaufpreis des Neuwagens abgezogen. Du musst dann nur noch die Differenz von 25.000 Euro bar bezahlen.
Die Inzahlungnahme ist also eine Möglichkeit, eine bereits bestehende Sache als Teil der Gegenleistung für eine neue Sache anzurechnen. Dabei wird der Wert der alten Sache mit dem Kaufpreis der neuen Sache verrechnet. Auf diese Weise kann der Barkaufpreis reduziert werden. Die Inzahlungnahme ist eine gängige Praxis insbesondere beim Kauf von Gebrauchtwagen, seltener auch bei Smartphones, Möbeln oder anderen Gebrauchsgegenständen.
Inzahlungnahme: z.B. bei Neuwagenkauf altes Kfz in Zahlung gegeben, Wert des alten Kfz mit Kaufpreis
Wie ist eine Inzahlungnahme rechtlich zu qualifizieren?
Lass uns über die rechtliche Qualifizierung der Inzahlungnahme sprechen. Dabei geht es um die Frage, wie die Abrede einzuordnen ist, wenn etwa der Käufer beim Kauf eines Neuwagens sein Altfahrzeug in Zahlung gibt.
Es gibt hier verschiedene Ansichten in der Rechtswissenschaft. Eine Meinung ist, dass es sich um einen Doppelkauf mit einer Aufrechnungsabrede handelt. Das würde bedeuten, es liegen zwei getrennte Kaufverträge vor, die nur durch eine Vereinbarung zur Aufrechnung miteinander verbunden sind. Gegen diese Ansicht spricht allerdings, dass dann der Parteiwille nach einem einheitlichen Vertrag nicht ausreichend berücksichtigt würde. Denn wenn der Verkäufer wegen eines Mangels am Gebrauchtfahrzeug zurücktreten könnte, hätte der Käufer am Ende zwei Autos und müsste trotzdem den vollen Kaufpreis zahlen. Das entspricht sicher nicht dem Interesse des Käufers. Die Meinung ist daher abzulehnen
Eine andere Meinung qualifiziert die Inzahlungnahme als einen einheitlichen gemischten Vertrag aus Kauf und Tausch. Das hätte zur Folge, dass ein Rücktritt nur vom gesamten Vertrag möglich wäre. Tritt der Käufer also wegen eines Mangels am Gebrauchtfahrzeug zurück, müsste die gesamte Transaktion rückabgewickelt werden, also auch der Kauf des Neuwagens. Diese Lösung wird allerdings als unnatürlich und als überzogener Käuferschutz kritisiert. Auch sie ist daher abzulehnen.
Überzeugender ist es daher, in der Inzahlungnahme einen einheitlichen Kaufvertrag über den Neuwagen mit einer Ersetzungsbefugnis analog § 364 Abs. 1 BGB für den Käufer zu sehen. Das bedeutet, der Käufer darf anstelle eines Teils des Kaufpreises sein Altfahrzeug leisten. Der Verkäufer ist verpflichtet, dieses als Leistung an Erfüllung statt anzunehmen. Die Gewährleistungsrechte richten sich dann nach den Regeln der Leistung an Erfüllungsstatt in den §§ 364, 365 BGB.
Zusammengefasst ist die Inzahlungnahme ein einheitlicher Kaufvertrag mit einer Ersetzungsbefugnis für den Käufer.
Rechtsnatur der Abrede
- Doppelkauf mit Aufrechnungsabrede: Zwei getrennte Kaufverträge
- Nach Parteiwillen einheitlicher Vertrag; Sonst Käuferinteresse nicht ausreichend berücksichtigt (bei Rücktritt des Verkäufers wegen Mangels hat Käufer zwei Autos und muss vollen Kaufpreis zahlen)
- Einheitlich gemischter Vertrag aus Kauf und Tausch ⇨ Rücktritt nur vom ganzen Vertrag, d.h. Rücktritt wegen Mangelhaftigkeit des in Zahlung gegebenen Gebrauchtwagens führt zu Rückabwicklung des gesamten Vertrags (auch über Neuwagen)
- Lösung unnatürlich, Käuferschutz überdehnt
- Einheitlicher Kaufvertrag über Neuwagen mit Ersetzungsbefugnis (Leistung an Erfüllung statt analog § 364 I BGB)
- Käufer darf wählen statt eines Teils des Kaufpreises altes Kfz zu leisten, Verkäufer zur Annahme verpflichtet (Gewährleistung an Erfüllung statt wie Käufer, § 365 BGB)
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Hat der Verkäufer des Neuwagens bzgl. des alten Kfz Mängelrechte?
Lass uns über die Inzahlungnahme sprechen, also den Fall, dass du beim Kauf eines neuen Autos dein altes Auto in Zahlung gibst. Hier stellt sich die Frage: Hat der Autohändler, der dein altes Auto in Zahlung nimmt, Mängelrechte bezüglich Verschleißmängeln an deinem alten Kfz?
Die Antwort lautet: Nein, der Händler hat in der Regel keine Mängelrechte für Verschleißmängel an deinem alten Auto, das er in Zahlung genommen hat. Warum ist das so? Hier kommt der sogenannte stillschweigende Haftungsausschluss ins Spiel.
Wenn du dein altes Auto in Zahlung gibst, hast du ein gesteigertes Interesse daran, nicht nach einem möglichen Rücktritt zwei Autos zu besitzen und zusätzlich den vollen Kaufpreis für das neue Auto zahlen zu müssen. Der Händler hingegen hat in der Regel den nötigen Sachverstand, um das alte Auto auf Mängel zu untersuchen.
Aus diesen Gründen wird stillschweigend unterstellt, dass der Händler die Haftung für Verschleißmängel an dem in Zahlung genommenen Gebrauchtfahrzeug ausschließt. Der stillschweigende Haftungsausschluss ist hier die Regel.
Kurz gesagt: Bei der Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens schließt der Händler stillschweigend die Haftung für Verschleißmängel aus.
Mängelrechte bzgl. Verschleißmängel an altem Kfz
- Durch stillschweigenden Haftungsausschluss ausgeschlossen, da Kunde gesteigertes Interesse hat, nicht bei Rücktritt zwei Autos zu besitzen und Kaufpreis voll zu zahlen und Händler grds. mit Sachverstand zur Untersuchung auf Mängel
Wie wirkt es sich aus, wenn der Autohändler das alte Kfz nicht in Zahlung nimmt, sondern nur an einen privaten Käufer vermittelt, damit er diesem ggü. nicht für Mängel haftet?
Angenommen, du möchtest dir ein neues Auto beim Autohändler kaufen. Dabei willst du dein altes Auto in Zahlung geben, um den Preis für das Neufahrzeug zu drücken. Der Autohändler schlägt dir jedoch vor, dein Altfahrzeug nicht direkt in Zahlung zu nehmen, sondern es stattdessen an einen privaten Käufer zu vermitteln. Warum macht er das?
Die Antwort liegt in der Haftung für Mängel. Wenn der Autohändler dein Altfahrzeug direkt in Zahlung nimmt, haftet er gegenüber dem Letztkäufer für etwaige Mängel an dem Gebrauchtfahrzeug. Um dieses Risiko zu umgehen, vermittelt er das Auto lieber von Privat an Privat weiter. Dabei tritt er nur als Mittler auf und muss nicht für Mängel einstehen.
Allerdings kann diese Konstruktion als Umgehungsgeschäft im Sinne des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB gewertet werden, wenn der Händler das Risiko der Weiterveräußerung trägt. Das ist der Fall, wenn er dir einen festen Betrag für dein Altfahrzeug zusagt. Sagt er dir hingegen nur zu, den noch unbekannten Betrag, den er beim Weiterverkauf erzielt, anzurechnen, liegt kein Umgehungsgeschäft vor.
Bei Vermittlung des alten Kfz durch Händler von Privat an Privat um nicht Mängelrisiko ggü. Letztkäufer zu tragen
- Umgehungsgeschäft i.S.d. § 476 I 2 BGB wenn Händler Risiko der Weiterveräußerung trägt (dh festen Betrag zusagt; nicht, wenn nur Zusage, den erzielten Betrag in noch unbekannter Höhe anzurechnen)
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Ziad T.
Jurastudent