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Kreditsicherung: Regress des Sicherungsgebers
An wen kann sich ein Sicherungsgeber wenden, wenn er den Gläubiger befriedigt hat?
Stell dir vor, du hast für einen Freund gebürgt, der einen Kredit aufgenommen hat. Eines Tages kann er die Raten nicht mehr zahlen, und die Bank fordert das Geld stattdessen von dir als Bürgen. Du begleichst die Schuld – aber was nun? Bleibst du auf den Kosten sitzen? Nein, hier greift der Regress des Sicherungsgebers.
Wenn ein Sicherungsgeber den Gläubiger befriedigt hat, kann er sich das gezahlte Geld von den anderen Beteiligten zurückholen. In erster Linie richtet sich der Rückgriff gegen den Hauptschuldner. Schließlich war es dessen ursprüngliche Verpflichtung, die Schuld zu begleichen. Der Sicherungsgeber tritt somit an die Stelle des Gläubigers und kann die Forderung gegen den Hauptschuldner geltend machen.
Doch was ist, wenn es neben dem Hauptschuldner noch weitere Sicherungsgeber gibt, etwa mehrere Bürgen oder weitere Sicherungsgebe? Auch in diesem Fall kann der Sicherungsgeber Rückgriff nehmen und einen Ausgleich verlangen.
Kurz gesagt: Ein Sicherungsgeber, der den Gläubiger befriedigt hat, kann sich das Geld in der Regel vom Hauptschuldner oder weiteren Sicherungsgebern zurückholen.
Regress des Sicherungsgebers: Möglichkeit des Sicherungsgebers nach Befriedigung des Gläubigers Rückgriff zu nehmen beim Hauptschuldner oder weiteren Sicherungsgebern
Welche Ansprüche hat der Sicherungsgeber gegen den Hauptschuldner?
Wer für jemand anderen eine Sicherheit gestellt hat, möchte im Zweifel nicht auf seinen Kosten sitzen bleiben. Doch welche Ansprüche hat der Sicherungsgeber gegen den Hauptschuldner, wenn er tatsächlich aus der Sicherheit in Anspruch genommen wurde?
Zunächst geht die Hauptforderung nach der Befriedigung der Gläubigerin auf den Sicherungsgeber über. Das passiert in einigen Fällen kraft Gesetzes durch eine sogenannte Legalzession. Ein Beispiel dafür findet sich in § 774 Abs. 1 S. 1 BGB bei der Bürgschaft: Hat ein Bürge die Schuld des Hauptschuldners beglichen, gehen die Forderungen des Gläubigers automatisch auf ihn über. Ebenso funktioniert das beim Schuldbeitritt nach § 426 Abs. 2 BGB. Falls keine gesetzliche Regelung greift, kann sich der Sicherungsgeber die Forderung aufgrund der Sicherungsabrede vom Sicherungsnehmer abtreten lassen gem. § 398 BGB. In beiden Fällen ist wichtig, dass auch die Einwendungen des Hauptschuldners gegen die ursprüngliche Forderung "mitübertragen" werden gemäß § 404 BGB. Das bedeutet, dass sich der Hauptschuldner gegenüber dem Sicherungsgeber auf dieselben rechtlichen Einwände berufen kann, die er auch gegen den ursprünglichen Gläubiger gehabt hätte.
Neben diesem Forderungsübergang gibt es noch einen weiteren möglichen Regressanspruch. Das Grundverhältnis zwischen Sicherungsgeber und Hauptschuldner ist regelmäßig entweder ein Auftrag gemäß § 662 BGB, wenn die Sicherheit unentgeltlich gestellt wurde, oder ein Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB, wenn der Sicherungsgeber dafür eine Gegenleistung erhält. Aus diesem Grundverhältnis ergibt sich zusätzlich ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 670 BGB. Der Vorteil dieses Anspruchs ist, dass er ein neuer, unverjährter und frischer Anspruch ist, der nicht durch Einreden gegen die ursprüngliche Hauptforderung beeinträchtigt wird.
Merke dir also: Der Sicherungsgeber kann sich einerseits durch den Forderungsübergang und andererseits durch einen Aufwendungsersatzanspruch beim Hauptschuldner schadlos halten.
Regress gegenüber Hauptschuldner
- Nach Befriedigung Übergang der Hauptforderung an Sicherungsgeber
- Durch Legalzession: z.B. bei Bürgschaft §§ 774 I 1, 412, 398, 401 BGB; z.B. bei Schuldbeitritt gem. § 426 II
- Sonst durch Abtretung, § 398 BGB: Kann Sicherungsgeber von Sicherungsnehmer fordern aufgrund der Sicherungsabrede
- Einwendungen „mitübertragen“, § 404 BGB
- Grundverhältnis zwischen Hauptschuldner und Sicherungsgeber regelmäßig Auftrag, § 662 BGB (wenn unentgeltlich) oder Geschäftsbesorgungsvertrag, § 675 BGB (wenn entgeltlich)
- Zusätzlich Aufwendungsersatzanspruch aus § 670 BGB: Unverjährter frischer Anspruch ohne Einreden gegen Hauptforderung
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Welche Ansprüche hat der Sicherungsgeber gegen weitere Sicherungsgeber, wenn die Sicherungsmittel akzessorisch sind?
Stell dir vor, ein Kreditnehmer nimmt bei einer Bank einen Kredit auf und zur Absicherung des Kredits gibt es zwei Sicherungsgeber. Der eine verbürgt sich mit einer Bürgschaft, der andere gewährt eine Hypothek auf sein Grundstück. Später kann der Kreditnehmer die Schuld nicht begleichen und einer der Sicherungsgeber muss einspringen. Nun stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang dieser Sicherungsgeber von dem anderen einen Ausgleich verlangen kann.
Grundsätzlich gilt: Bei akzessorischen Sicherheiten – also Sicherheiten, die unmittelbar mit der Hauptforderung verknüpft sind, wie die Bürgschaft oder Hypothek – gehen die Sicherungsmittel nach der Zahlung auf den Leistenden über. Das bedeutet, dass ein Bürge, der die Forderung beglichen hat, gemäß § 774 Abs. 1 BGB in die Gläubigerstellung eintritt und auch eine bestehende Hypothek auf ihn übergeht gem. § 1153 Abs. 1 BGB. Er kann dadurch beim anderen Sicherungsnehmer Regress nehmen.
Allerdings kann der Sicherungsgeber den Regress nicht in voller Höhe verlangen, sondern nur anteilig. Sind zum Beispiel zwei Sicherungsgeber vorhanden, die für dieselbe Schuld haften, kann der Zahlende nur die Hälfte von dem anderen zurückfordern. Bei drei Sicherungsgebern wäre es entsprechend ein Drittel.
Dies ergibt sich aus § 426 BGB, der die gesamtschuldnerische Haftung regelt.
Besonders interessant wird es, wenn die Sicherungsgeber unterschiedliche Sicherungsmittel gestellt haben – beispielsweise, wenn der eine eine Bürgschaft übernommen hat und der andere eine Hypothek bestellt hat. Hier gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung für den Regress. Dennoch wendet die Rechtsprechung § 774 Abs. 2 BGB analog an. Der Grund dafür ist eine vergleichbare Interessenlage: Wenn der Bürge den gesamten Betrag beglichen hat, soll er gegenüber dem anderen Sicherungsgeber nicht schlechtergestellt werden als wenn beide nur Bürgen gewesen wären. Ohne diese analoge Anwendung könnte es sonst zu einem unfairen Vorteil für den anderen Sicherungsgeber kommen, weil dann allein die Reihenfolge der Zahlenden über die finanzielle Belastung entscheiden würde. Um einen „Wettlauf der Sicherungsgeber“ zu vermeiden, also um sicherzustellen, dass der zuerst Leistende nicht automatisch besser oder schlechter gestellt wird, ist ein anteiliger Regress auch in solchen Konstellationen gerechtfertigt.
Kurz gesagt: Hat ein Sicherungsgeber gezahlt, kann er bei akzessorischen Sicherheiten anteiligen Regress von weiteren Sicherungsgebern verlangen – auch bei unterschiedlichen Sicherungsmitteln.
Regress gegenüber weiteren Sicherungsgebern bei akzessorischen Sicherheiten: z.B. Bürgschaft, Hypothek
- Sicherungsmittel werden bei Erwerb der Hauptforderung „mitübertragen“; z.B. Bürge erhält nach Befriedigung Forderung, § 774 I BGB, und damit auch Hypothek, § 1153 I BGB
- Aber Regress nur anteilig: z.B. hälftiger Regress bei insgesamt zwei Sicherungsgebern, je ein drittel Regress bei insgesamt drei Sicherungsgebern
- Wenn beide Sicherungsgeber Bürgen, § 774 II BGB: Nur hälftiger Regress gem. § 426 BGB
- Bei ungleichartigen Sicherungsmitteln, § 774 II BGB analog: Analoge Anwendung da Fall von Gesetzgeber nicht gesehen und vergleichbare Interessenlage
- Sonst gäbe es den „Wettlauf der Sicherungsgeber“: Zuerst Leistender Sicherungsgeber hätte vollen Regress und wäre somit ggü. weiteren Sicherungsgebern unbillig privilegiert
Welche Ansprüche hat der Sicherungsgeber gegen weitere Sicherungsgeber, wenn die Sicherungsmittel nichtakzessorisch sind?
Wenn mehrere Sicherungsgeber für eine Forderung haften, aber nicht alle Sicherheiten akzessorisch sind, stellt sich die Frage, wie der leistende Sicherungsgeber Regress nehmen kann. Ein typisches Beispiel für eine nichtakzessorische Sicherheit ist die Sicherungsgrundschuld. Im Gegensatz zu akzessorischen Sicherheiten wie der Bürgschaft geht eine nichtakzessorische Sicherheit nicht automatisch mit der Hauptforderung über, wenn diese übertragen wird. Das bedeutet, dass der leistende Sicherungsgeber nicht unmittelbar einen Rückgriff auf die ihm nachgeordneten weiteren Sicherungsgeber nehmen kann. Dennoch soll er nicht schlechter gestellt sein als andere Sicherungsgeber.
Hier hilft ebenfalls eine analoge Anwendung des § 774 Abs. 2 BGB. Zwar regelt diese Vorschrift ausdrücklich nur den Regress unter Bürgen, doch auch hier besteht eine planwidrige Regelungslücke und die Interessenlage ist vergleichbar: Würde man den Regress verweigern, entstünde ein negativer "Wettlauf der Sicherungsgeber", also die gegenteilige Situation wie bei den akzessorischen Sicherheiten. Das bedeutet, dass der Sicherungsgeber, der zuerst leistet, im Zweifel leer ausgehen würde, während sich die übrigen Sicherungsgeber der Haftung entziehen könnten. Dies wäre unbillig und widerspräche dem Grundsatz der Lastenverteilung.
Neben der analogen Anwendung von § 774 Abs. 2 BGB wird teilweise stattdessen argumentiert, dass der Regressanspruch aus den allgemeinen Vorschriften über die Gesamtschuld nach §§ 421 ff. BGB folgt. Denn auch hier haften mehrere Schuldner für dieselbe Forderung, sodass eine anteilige Rückgriffsmöglichkeit entsprechend § 426 BGB gerechtfertigt sein könnte.
Damit der zuerst zahlende Sicherungsgeber nicht benachteiligt wird, erhält er also auch bei nichtakzessorischen Sicherheiten anteiligen Regress gegenüber weiteren Sicherungsgebern.
Regress gegenüber weiteren Sicherungsgebern bei nichtakzessorischen Sicherheiten: z.B. Sicherungsgrundschuld
- Werden nicht automatisch „mitübertragen“, wenn Hauptforderung übergeht
- Aber dennoch Regress anteilig, § 774 II BGB analog: Analoge Anwendung da Fall von Gesetzgeber nicht gesehen und vergleichbare Interessenlage
- Sonst gäbe es einen negativen „Wettlauf der Sicherungsgeber“: Zuerst Leistender Sicherungsgeber hätte keinen Regress und wäre somit ggü. weiteren Sicherungsgebern unbillig benachteiligt
- Teilweise wird zur Begründung des Regressanspruchs statt auf § 774 II BGB analog auf den allgemeinen Entstehungstatbestand der Gesamtschuld gem. §§ 421 ff. BGB abgestellt
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B1 und B2 bürgen für die Verpflichtung des A ggü. C. Als A nicht zahlen kann, befriedigt sich C bei B1. Was kann B1 tun?
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