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Minderjährigenschutz

Minderjährigenschutz
Aktualisiert vor 10 Tagen

In welchem Verhältnis steht der Minderjährigenschutz zu anderen Wertungen des Zivilrechts?

Der Minderjährigenschutz ist ein grundlegendes Prinzip des Zivilrechts und dient dazu, minderjährige Personen vor den Risiken des Rechtsverkehrs zu bewahren. Dabei stellt sich die Frage, wie dieser Schutz im Verhältnis zu anderen zivilrechtlichen Wertungen steht, etwa in Bezug auf die culpa in contrahendo oder die Saldotheorie. Hier gilt dass der Minderjährigenschutz, um die vom Gesetzgeber intendierte Wirksamkeit zu entfalten, niemals durch andere Regelungen ausgehöhlt werden darf.

Ein Beispiel betrifft rechtlich neutrale Geschäfte. Solche Geschäfte sind für den Minderjährigen zwar weder vorteilhaft noch nachteilig, könnten aber mittelbar dazu führen, dass er gegenüber einem Dritten ersatzpflichtig wird. Hier darf der Minderjährigenschutz nicht dadurch ausgehebelt werden, dass man ihn durch andere rechtliche Konstruktionen faktisch in eine Haftung drängt, die das Gesetz ihm eigentlich ersparen will.

Zentral ist also, dass der Minderjährigenschutz nicht durch andere zivilrechtliche Vorschriften umgangen werden darf.

Merke

Vorrang des Minderjährigenschutzes: Darf nicht durch andere Regelungen (z.B. c.i.c., Saldotheorie) ausgehebelt werden

  • z.B. nicht durch Bereicherungsansprüche gestellt werden, als ob wegen Minderjährigkeit unwirksamer Vertrag
  • z.B. auch bei rechtlich neutralem Geschäft, wenn deswegen ersatzpflichtig ggü. Drittem

Wie ist das Verhältnis des Minderjährigenschutzes zur c.i.c.?

Ein minderjähriger Vertragspartner kann besondere rechtliche Probleme aufwerfen, insbesondere wenn es um Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo (c.i.c.) geht. Hier stellt sich die Frage, ob der Minderjährige für sein pflichtwidriges Verhalten bei Vertragsverhandlungen haften muss oder ob der Schutz des Minderjährigen Vorrang hat.

Nach herrschender Meinung geht der Minderjährigenschutz der c.i.c. grundsätzlich vor. Das bedeutet, dass pflichtwidriges Verhalten des Minderjährigen während der Vertragsanbahnung nicht zu Schadensersatzansprüchen aus c.i.c. führt. Diese Auffassung stützt sich auf mehrere Argumente. Erstens darf durch die c.i.c. keine quasivertragliche Haftung des Minderjährigen begründet werden, da er ohne Einwilligung oder Genehmigung seiner Eltern ohnehin keine wirksamen Verpflichtungen eingehen kann. Zweitens ergibt sich aus § 179 Abs. 3 S. 2 BGB, dass der gute Glaube an die Geschäftsfähigkeit nicht geschützt ist. Wer also mit einem Minderjährigen einen Vertrag abschließen möchte, trägt selbst das Risiko, ob dieser geschäftsfähig ist oder nicht. Drittens regelt § 109 Abs. 2 BGB abschließend die vertragsrechtlichen Folgen einer Täuschung durch den Minderjährigen: Der Vertrag kann widerrufen werden, jedoch entsteht kein Schadensersatzanspruch.

Allerdings macht die herrschende Meinung eine Ausnahme, wenn der Minderjährige mit Zustimmung seiner Eltern Vertragsverhandlungen führt. In einem solchen Fall soll eine analoge Anwendung von § 179 Abs. 3 S. 2 BGB zu einer Haftung aus c.i.c. führen. Das ergibt sich aus der vergleichbaren Interessenlage zu Fällen, in denen jemand als Vertreter ohne Vertretungsmacht handelt. Die §§ 177 ff. BGB regeln, dass ein solcher Vertreter haftet, wenn der Vertretene den Vertrag nicht genehmigt. Überträgt man diesen Gedanken auf den Minderjährigen, dann kann dieser haftbar gemacht werden, wenn er mit Zustimmung seiner Eltern Verhandlungen führt, der Vertrag später aber nicht genehmigt wird und dadurch Schäden entstehen.

Kurz gesagt: Ohne Zustimmung der Eltern haftet der Minderjährige nicht aus c.i.c., mit Zustimmung kann eine analoge Anwendung von § 179 Abs. 3 S. 2 BGB zur Haftung führen.

Merke

Verhältnis des Minderjährigenschutzes und c.i.c.

  • h.M.: Minderjährigenschutz geht vor c.i.c., pflichtwidriges Handeln führt nicht zu Schadensersatz
    • Über c.i.c. darf keine quasivertragliche Haftung begründet werden; auch aus § 179 III 2 BGB ergibt sich, dass guter Glaube an Geschäftsfähigkeit nicht geschützt; § 109 II BGB regelt abschließend vertragsrechtliche Folgen der Täuschung (nur Widerruf, kein Schadensersatz)
  • h.M.: Aber Haftung aus c.i.c. wenn Vertragsverhandlungen mit Zustimmung der Eltern, § 179 III 2 BGB analog
    • Vergleichbare Interessenlage wie beim Vertreter ohne Vertretungsmacht, §§ 177 ff. BGB mit Zustimmung der Eltern

Sind rechtlich nachteilhafte dingliche Geschäfte mit dem gesetzlichen Vertreter selbst zulässig?

Kann der gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen selbst mit dem Minderjährigen ein rechtlich nachteilhafte dingliche Geschäfte abschließen? Grundsätzlich ist diese Konstellation problematisch, denn hier geht es um sogenannte Insichgeschäfte, also Fälle, in denen ein Vertreter sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite des Geschäfts steht. Gerade im Minderjährigenschutz sind solche Selbstkontrahierungen kritisch zu betrachten.

Ein Beispiel: Ein Vater ist gesetzlicher Vertreter seines minderjährigen Sohnes. Er möchte seinem Sohn ein Grundstück übertragen und erklärt dafür die sogenannte Auflassung, also die dingliche Einigung über den Übergang des Eigentums gem. §§ 873 Abs. 1, 925 BGB. Gemäß §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 181 BGB sind Insichgeschäfte jedoch grundsätzlich unzulässig, es sei denn, sie dienen der Erfüllung einer bereits bestehenden Verbindlichkeit. Das könnte hier der Fall sein, wenn vorher ein Schenkungsvertrag geschlossen wurde, durch den sich der Vater verpflichtet hat, das Grundstück zu übertragen.

Früher verfolgte der BGH die sogenannte Gesamtbetrachtungslehre. Danach wurde das dingliche Geschäft nicht isoliert betrachtet, sondern mit dem vorhergehenden schuldrechtlichen Geschäft – also der Schenkung – zusammen bewertet. War die dingliche Einigung nachteilig für den Minderjährigen, wurde auch die vorteilhafte Schenkung als nachteilig angesehen (umgekehrt galt das nicht). Das führte dazu, dass in solchen Fällen der Vertreter keine ausreichende Vertretungsmacht hatte und somit sowohl die Schenkung als auch die Auflassung unwirksam waren. Diese Ansicht missachtete jedoch das Trennungs- und Abstraktionsprinzip, das zwischen dem schuldrechtlichen und dem dinglichen Geschäft unterscheidet.

Heute folgt die herrschende Meinung einer anderen Linie. Sie nimmt eine teleologische Reduktion des § 181 BGB vor und legt die Ausnahme „zur Erfüllung einer Verbindlichkeit“ enger aus. Demnach kann der gesetzliche Vertreter sich nicht auf diese Ausnahme berufen, wenn das Erfüllungsgeschäft – hier die Auflassung – für den Minderjährigen rechtlich nachteilig ist. Das bedeutet: Der Schenkungsvertrag als schuldrechtliches Geschäft bleibt wirksam, und nur das dingliche Geschäft, also die Auflassung, ist unwirksam. In einem solchen Fall muss gemäß § 1809 BGB ein Ergänzungspfleger bestellt werden, um den Minderjährigen zu schützen.

Merke

Rechtlich nachteilhaftes dingliches Geschäft mit gesetzlichem Vertreter selbst

  • Auflassungserklärung gem. §§ 873 I, 925 BGB des Vertreters grds. gem. §§ 1629 II, 1795 II, 181 BGB bei Insichgeschäften unwirksam, es sei denn zur Erfüllung einer Verbindlichkeit
  • Erfüllung einer Verbindlichkeit aus Schenkungsvertrag

    • Früherer BGH, Gesamtbetrachtungslehre: Wenn dinglicher Vertrag nachteilhaft, auch vorteilhaftes Grundgeschäft (Schenkung) als nachteilhaft zu beurteilen (umgekehrt nicht) ⇨ keine VertretungsmachtSchenkung und Auflassung unwirksam
      • Trennungs- und Abstraktionsprinzip missachtet
    • h.M.: Teleologische Reduktion des § 181 BGB a.E. „zur Erfüllung einer Verbindlichkeit“ wegen Minderjährigenschutz dahingehend, dass Selbstkontrahieren auch dann nicht möglich, wenn Erfüllungsgeschäft für Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft Schenkung wirksam, Auflassung unwirksam (Ergänzungspfleger muss bestellt werden, § 1809 BGB)
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