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Missbrauch der Vertretungsmacht

Missbrauch der VertretungsmachtKollusionEvidenz
Aktualisiert vor 7 Tagen

Was versteht man unter Missbrauch der Vertretungsmacht? Führt dies grds. zur Unwirksamkeit des Geschäfts?

Stell dir vor, der Prokurist eines Unternehmens darf laut Anstellungsvertrag nur Verträge bis zu einer bestimmten Summe abschließen. Seine Prokura erlaubt gibt ihm aber dahingehend unbeschränkte Vertretungsmacht nach außen und er unterschreibt einen Vertrag mit einer höheren Summe. Ist das Geschäft deshalb unwirksam? Nun, es kommt darauf an.

Beim Missbrauch der Vertretungsmacht handelt der Vertreter zwar im Rahmen seiner Vertretungsmacht, also nach außen hin wirksam, verstößt dabei aber gegen interne Beschränkungen aus dem Innenverhältnis. Das bedeutet, er überschreitet nicht das rechtliche Können, sondern das rechtliche Dürfen. Ein klassisches Beispiel ist die Prokura nach § 50 Abs. 1 HGB: Sie kann im Außenverhältnis nicht beschränkt werden, wohl aber im Innenverhältnis, etwa durch eine arbeitsvertragliche Weisung des Arbeitgebers. Hält sich der Prokurist nicht daran und schließt trotzdem das Geschäft ab, liegt ein Missbrauch der Vertretungsmacht vor.

Grundsätzlich bleibt der Vertretene an das Geschäft gebunden. Das liegt daran, dass der Gesetzgeber das Risiko des Missbrauchs typischerweise dem Vertretenen aufbürdet, damit der Geschäftsverkehr nicht unnötig gefährdet wird. Der Vertretene kann sich aber im Innenverhältnis schadlos halten und vom Vertreter Regress verlangen.

Eine Ausnahme gibt es jedoch: Wenn der Geschäftspartner des Vertreters nicht schutzwürdig ist, entfaltet das Geschäft ausnahmsweise keine Wirkung für oder gegen den Vertretenen. Dies ist insbesondere der Fall bei Kollusion und Evidenz. Das schauen wir uns sogleich genauer an.

Der Missbrauch der Vertretungsmacht macht das Geschäft also grundsätzlich nicht unwirksam, es sei denn, es handelt sich um einen Fall von Kollusion oder Evidenz.

Merke

Missbrauch der Vertretungsmacht: Handeln im Rahmen der Vertretungsmacht (nach außen) verletzt gleichzeitig Pflichten aus Innenverhältnis; „Überschreitung des rechtlichen Dürfens“ (nicht des „rechtlichen Könnens“, wie beim Vertreter ohne Vertretungsmacht); z.B. Prokura gem. § 50 I HGB nicht im Außenverhältnis beschränkbar, jedoch im Innenverhältnis z.B. durch Arbeitsvertrag

  • Vertretergeschäft verpflichtet Vertretenen grds. trotzdem: Vertretener trägt grds. das Missbrauchsrisiko im Außenverhältnis; Regress im Innenverhältnis gegen Vertreter möglich
  • Es sei denn Dritter nicht schutzwürdig: Ausnahmsweise keine Wirkung für und gegen den Vertretenen bei Kollusion und Evidenz

In welchen Fällen führt ein Missbrauch der Vertretungsmacht ausnahmsweise zur Unwirksamkeit des Geschäfts?

Beim Missbrauch der Vertretungsmacht bleibt der Vertretene grundsätzlich an das Geschäft gebunden, da der Missbrauch das Außenverhältnis zwischen Vertreter und Drittem nicht berührt. Allerdings gibt es zwei Ausnahmen, in denen das Rechtsgeschäft ausnahmsweise unwirksam ist: die Kollusion und die Evidenz.

Die Kollusion liegt vor, wenn der Vertreter und der Dritte bewusst und einvernehmlich zusammenarbeiten, um den Vertretenen zu schädigen. Das bedeutet, dass beide sich darüber einig sind, zum Nachteil des Vertretenen zu handeln. In einem solchen Fall gilt das Geschäft als sittenwidrig nach § 138 BGB und ist von Anfang an nichtig. Das schützt den Vertretenen davor, durch ein absichtliches Zusammenwirken zwischen Vertreter und Geschäftspartner benachteiligt zu werden. Ein Beispiel wäre, wenn ein Vertreter absichtlich das Auto des Vertretenen weit unter Wert verkauft, um dem Käufer, der das genau weiß, einen Vermögensvorteil zu verschaffen.

Die zweite Ausnahme, die Evidenz, betrifft Fälle, in denen der Dritte den Missbrauch der Vertretungsmacht kannte oder zumindest hätte erkennen müssen. Eine Mindermeinung verlangt als zusätzliche Voraussetzung, dass der Dritte bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelt. Dagegen wird eingewandt, dass dies schwer nachweisbar ist und den Schutz des Dritten von seinem Verschulden abhängig macht.

Das Geschäft ist im Fall der Evidenz schwebend unwirksam bis der Vertretene es genehmigt oder die Genehmigung verweigert.

Auch die Rechtsfolgen bei der Evidenz sind umstritten. Nach der Rechtsprechung des BGH kann sich der Vertretene auf eine Einrede aus Treu und Glauben nach § 242 BGB berufen, um nicht an das Geschäft gebunden zu sein. Die herrschende Lehre sieht das Geschäft hingegen als schwebend unwirksam an und wendet § 177 BGB analog an. Das bedeutet, dass der Vertretene das Geschäft genehmigen kann, wenn er es ausnahmsweise doch gelten lassen möchte. In der Praxis führt dies meist zum gleichen Ergebnis wie die Lösung des BGH, weshalb der Streit regelmäßig keine große Bedeutung hat.

Zentral ist also, dass der Missbrauch der Vertretungsmacht nur in Ausnahmefällen zur Unwirksamkeit eines Geschäfts führt.

Merke

Kollusion und Evidenz

  • Kollusion / kollusives Zusammenwirken: Vertreter und Dritter wirken bewusst einverständlich zusammen, um Vertretenen zu schädigen
    • Vertretener nicht gebunden wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB
  • Evidenz / Offenkundigkeit: Dritte kannte Missbrauch oder muss erkennen
    • M.M.: Darüber hinaus bewusstes Handeln zum Nachteil des Vertretenen erforderlich
      • Schwer nachweisbar; verschuldensabhängiger Schutz des Geschäftsgegners bedenklich
    • Schwebend unwirksam bis Genehmigung oder Verweigerung (Gesetzliche Anknüpfung umstritten)
      • BGH: Einrede aus Treu und Glauben gem. § 242 gegen Inanspruchnahme aus Vertrag
      • h.L.: Behandlung wie Vertretung ohne Vertretungsmacht analog § 177 BGB: Da Vertretener dann auch Genehmigungsmöglichkeit hat, wenn er das Geschäft dennoch gelten lassen will
      • Streitentscheid regelmäßig entbehrlich zwischen BGH und h.L., da beide regelmäßig zum gleichen Ergebnis kommen

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Frage 1/1

A möchte den B bevollmächtigen. Um nach außen zu zeigen, dass B sein volles Vertrauen genießt, erteilt er ihm Generalvollmacht. Mit B vereinbart er aber, dass dieser keine Fahrzeuge für A ankaufen darf. Dennoch kauft B im Namen des A einen Sportwagen beim Händler H. Diesem erzählt er im Laufe der Vertragsverhandlungen, von der Vereinbarung mit A, keine Fahrzeuge kaufen zu dürfen. Als H von A Zahlung verlangt, weist dieser die Forderung empört zurück. Muss er dennoch bezahlen?

Ja, denn die Generalvollmacht umfasst eben auch den Ankauf von Fahrzeugen.
Ja, denn der Ausschluss des Ankaufs von Fahrzeugen betrifft nur das Innenverhältnis zwischen A und B.
Nein, denn das Verhalten von B und H war sittenwidrig.
Nein, denn H kannte die Beschränkung im Innenverhältnis.
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