- Strafrecht
- Allgemeiner Teil des StGB
- Rechtfertigung
Notwehr, § 32 StGB
Was versteht man unter Notwehr und Nothilfe?
Notwehr, § 32 StGB: Rechtfertigung von Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren
- Nothilfe, § 32 II Var. 2 StGB: Notwehr zugunsten eines Dritten
Nach welchen Prinzipien wird die Notwehrhandlung gerechtfertigt?
Prinzipien der Notwehr
- Schutzprinzip: Individualschutz
- Rechtsbewährungsprinzip: „Recht braucht Unrecht nicht zu weichen“
- Können zur Argumentation im Gutachten herangezogen werden
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Unter welchen Voraussetzungen ist eine tatbestandsmäßige Handlung durch Notwehr gerechtfertigt?
Voraussetzungen der Notwehr
- Notwehrlage, § 32 II StGB: Gegenwärtiger rechtswidriger Angriff; zugespitzte Gefahrenlage (z.B. keine Dauergefahr)
- Angriff: Von Menschen drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder Interessen; aus objektiver ex ante-Perspektive; auch Angriff durch Unterlassen möglich
- „Angriff“ durch Tier: Abwehr eines angreifenden Tieres ist keine Notwehr, aber ggf. defensiver Notstand gem. § 228 BGB
- Gegenwärtig: Wenn zeitlich und räumlich unmittelbar bevorstehend, gerade stattfindend oder noch andauernd; bedrohliche Lage, die unmittelbar in Verletzung umschlagen kann, Andauern bis Gefahr abgewendet oder die Rechtsgutsverletzung endgültig eingetreten ist; z.B. Angreifer setzt sich in Bewegung, um Faustschlag auszuführen
- Rechtswidrig: Nicht von Erlaubnissatz gedeckt, d.h. Angriff ist nicht seinerseits gerechtfertigt
- Insb. keine Notwehr gegen Notwehr
- Notwehrhandlung
- Verteidigung: Gegen Rechtsgüter des Angreifers (keine Drittwirkung)
- Erforderlichkeit: Objektiv aus der ex ante-Perspektive geeignet und das relativ mildeste Mittel, um Angriff sofort mit Sicherheit dauerhaft zu beenden
- aa) Geeignet
- bb) Relativ mildestes Mittel: Kein milderes gleich effektives Mittel ersichtlich
- Verteidiger muss kein Risiko eingehen: Wenn mehrere gleich effiziente Mittel zur Verfügung stehen, kommen diese auch nur in Betracht, wenn genug Zeit zum Abwägen bleibt; z.B. bei Schusswaffen ist ein Warnschuss in die Luft oder ein Schuss in die Gliedmaßen milder als ein tödlicher Schuss in den Kopf, aber eine Abwägung ist nicht mehr möglich, wenn ein Messerstecher bereits auf den Täter einstürmt (dann ist mangels Zeit auch ein direkter Kopfschuss gerechtfertigt)
- Alle Mittel in Betracht: z.B. auch verbotene Waffen (dann nur Verstoß gegen WaffenG)
- Gebotenheit: Fehlt ausnahmsweise, wenn Rechtsbewährungsprinzip oder Schutzprinzip dies gebietet
- Subjektives Rechtfertigungselement: Kenntnis der Notwehrlage / Verteidigungsabsicht
- Erforderlichkeit des subjektiven Rechtfertigungselements umstritten
Kann ein Angriff auch in einem Unterlassen bestehen?
Angriff durch Unterlassen: Wenn Rechtspflicht zu handeln i.S.e. Garantenstellung gem. § 13 I StGB; z.B. verletzen Ehemann hilflos Liegenlassen oder Kind Verhungernlassen
- Allgemeine Hilfspflicht aus § 323c StGB ausreichend für Angriff durch Unterlassen
- Geringer Strafrahmen zeigt, dass nicht mit Handlungspflicht des Garanten auf einer Stufe, „scharfes Schwert“ der Notwehr daher unangemessen
In welchen Fällen fehlt es einer Notwehrhandlung an der Gebotenheit?
Gebotenheit der Notwehr: Fehlt ausnahmsweise, wenn Rechtsbewährungsprinzip oder Schutzprinzip dies gebietet; sozial-normative Einschränkungen
- Bagatellangriffe und krasses Missverhältnis von Angriff und Verteidigungsmittel: z.B. Schuss auf Kirschendieb
- Keine Berufung auf Notwehr
- Erkennbar schuldloser Angreifer: z.B. Kinder oder Geisteskranke
- Gestuftes Notwehrrecht nach Drei-Stufen-Theorie
- Stufe Ausweichen oder Hilfe von Dritten holen
- Stufe Schutzwehr: Zurückhaltende, defensive Verteidigungshandlung
- Stufe Trutzwehr: Aktive Verteidigungshandlung, z.B. Gegenangriff; wenn einzige Möglichkeit um möglicherweise tödlichen Angriff abzuwehren
- Eselsbrücke für die Stufen der Drei-Stufen-Theorie: AST (Ausweichen, Schutzwehr, Trutzwehr)
- Angriffe nahestehender Personen: z.B. Eheleute
- Gestuftes Notwehrrecht nach Drei-Stufen-Theorie
- Absichtsprovokation: Notwehrsituation absichtlich herbeigeführt
- Keine Berufung auf Notwehr: Umstritten
- M.M.: Erhaltung des Notwehrrechts wegen Rechtswidrigkeit des Angriffs, teilweise auch gestuftes Notwehrrecht
- Rechtsmissbräuchliche Verteidigung steht Angriff gleich und darf nicht geschützt werden
- Absichtsprovokation liegt nur vor, soweit Provokateur den Angriff erwartet hat
- Wenn stärkerer Angriff, als erwartet „Wiederaufleben“ des Notwehrrechts nach Regeln der Fahrlässigkeitsprovokation
- Konkrete Handlung des Opfers gerade nicht beabsichtigt, also nur fahrlässig provoziert
- Vorsatzprovokation und Fahrlässigkeitsprovokation
- Gestuftes Notwehrrecht (je vorwerfbarer die Tat, desto größer die Einschränkung, z.B. auch milde Mittel bei Trutzwehr)
- Eselsbrücke für die Fallgruppen, in denen die Gebotenheit problematisch ist: KEBAP (Krasses Missverhältnis; enge Beziehung; Bagatellangriffe; Angriff Schuldloser; Provokation)
Wie verhält es sich, wenn der Täter zwar objektiv durch Notwehr gerechtfertigt wäre, aber nichts vom Vorliegen der Notwehrlage weiß?
Strafbarkeit bei Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements im Rahmen der Notwehr umstritten
- M.M.: Subjektive Rechtfertigungselement nicht erforderlich ⇨ Rechtfertigung
- Wortlaut § 32 „um abzuwenden“; Notwehrlage beseitigt nur Erfolgsunwert, Handlungsunwert bleibt; Unkenntnis des Rechtfertigungsgrundes bestätigt rechtsfeindliche Gesinnung
- M.M.: Nach vollendeter Tat, da Versuch nur, wenn objektives Tatbestandsmerkmal fehlt
- Erfolg aufgrund der Notwehrlage nicht rechtlich missbilligt ⇨ Rechtslage entspricht Versuch
- h.M.: Nur nach Versuch (falls strafbar), direkte oder analoge Anwendung der Versuchsregeln
- Aber keine komplette Versuchsprüfung, nur Strafzumessung nach Versuch
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