- Zivilrecht
- Schuldrecht Allgemeiner Teil
- Lösung vom Schuldverhältnis
Rücktritt B: Rückgewährschuldverhältnis, §§ 346 ff. BGB
Welche Ansprüche können sich aus dem Rückgewährschuldverhältnis ergeben?
Wenn ein Vertrag rückabgewickelt wird, etwa durch Rücktritt, entsteht ein sogenanntes Rückgewährschuldverhältnis. Daraus können sich verschiedene Ansprüche ergeben.
Zunächst einmal verpflichtet das Rückgewährschuldverhältnis zur Rückgewähr empfangener Leistungen gemäß § 346 Abs. 1 BGB. Grundsätzlich erfolgt dies in natura, das heißt, die empfangenen Sachen oder Zahlungen sind so zurückzugeben, wie sie erhalten wurden. Ein Beispiel: Wenn du ein Auto gekauft hast und von dem Kauf zurücktrittst, musst du das Auto zurückgeben (nicht etwa den Wert des Autos bezahlen), während der Verkäufer dir den Kaufpreis erstattet.
Des Weiteren entsteht ein Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen ebenfalls gemäß § 346 Abs. 1 BGB. Auch diese Nutzungen sollen in natura herausgegeben werden. Hast du beispielsweise mit dem Auto Einnahmen durch Vermietung erzielt, sind diese herauszugeben.
Sollte eine Herausgabe in natura nicht möglich sein, tritt gemäß § 346 Abs. 2 BGB Wertersatz an die Stelle der Herausgabe. Für die Berechnung des Wertersatzes ist die ursprünglich erbrachte Gegenleistung maßgeblich. Eine Wertminderung, wie sie beispielsweise bei einem mangelhaften Gegenstand auftreten kann, kann prozentual von der Gegenleistung abgezogen werden. Dies ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des Rechtsgedanke des § 441 Abs. 3 BGB. Stellen wir uns vor, du hast eine Anlage für 12.000€ gekauft, die einen Neuwert von 10.000€ hat und inzwischen nur noch einen aktuellen Verkehrswert von 8.000€ hat – also 80% ihres Neupreises. In einem solchen Fall beträgt der Wertersatz 9.600€, also 80% des Kaufpreises. Es gibt Ausnahmen der Wertersatzpflicht, die in § 346 Abs. 3 BGB genannt werden.
Ein weiterer Anspruch ergibt sich aus § 346 Abs. 4 BGB. Er berechtigt zur Forderung von Schadensersatz gem. §§ 280 ff. BGB, wenn eine Pflicht aus dem Rückgewährschuldverhältnis verletzt wird. Dies kann zum Beispiel Folgeschäden betreffen oder auch einen entgangenen Gewinn gemäß § 252 BGB. Es ist jedoch wichtig zu unterscheiden, dass für Pflichtverletzungen aus dem ursprünglichen Vertrag nicht § 346 Abs. 4 BGB, sondern direkt §§ 280 ff. BGB heranzuziehen sind. Diese Regeln gelten auch neben dem Rücktritt, wie in § 325 BGB festgelegt.
Zusätzlich besteht ein Anspruch auf Ersatz nicht gezogener Nutzungen gemäß § 347 Abs. 1 BGB. Hierunter fallen Nutzungen, die entgegen den Regeln ordnungsgemäßer Wirtschaft nicht gezogen wurden. Schließlich umfasst das Rückgewährschuldverhältnis auch den Ersatz notwendiger Verwendungen gemäß § 347 Abs. 2 BGB, wenn diese zur Erhaltung oder ordnungsgemäßen Bewirtschaftung objektiv erforderlich waren.
Anspruchsgrundlagen
- Rückgewähr empfangener Leistungen, § 346 I BGB: Grds. in natura
- Herausgabe gezogener Nutzungen, § 346 I BGB: Grds. in natura
- Wertersatz, § 346 II BGB: Wenn Herausgabe in natura unmöglich
- Für Berechnung Gegenleistung zu Grunde zu legen
- Wertminderung kann prozentual von Gegenleistung abgezogen werden gem. Rechtsgedanke des § 441 III BGB; z.B. Gegenleistung = Kaufpreis: 12.000€, Neuwert: 10.000€, wegen Mangel aktueller Verkehrswert: 8.000€ (80% vom Neuwert) ⇨ Wertersatz 9.600€ (80% vom Kaufpreis)
- Ausnahmen der Wertersatzpflicht, § 346 III BGB
- Schadensersatz, § 346 IV BGB: Schadensersatz gem. §§ 280 ff. BGB für Verletzung von Pflicht aus Rückgewährschuldverhältnis, z.B. für Folgeschäden oder entgangenen Gewinn, § 252 BGB
- Pflichtverletzung aus ursprünglichem Vertrag: Dafür nicht § 346 IV BGB maßgeblich, sondern direkt §§ 280 ff. BGB (neben Rücktritt möglich, § 325 BGB)
- Ersatz nichtgezogener Nutzungen, § 347 I BGB: Herausgabe von entgegen Regeln ordnungsgemäßer Wirtschaft
- Ersatz notwendiger Verwendungen, § 347 II BGB: Zur Erhaltung oder ordnungsgemäßer Bewirtschaftung objektiv erforderlich
Muss gem. § 346 IV BGB Schadensersatz geleistet werden, wenn sich eine zurückzugewährende Sache bereits vor der Rücktrittserklärung untergeht oder sich verschlechtert?
Stell dir vor, du hast ein Smartphone gekauft. Leider fällt es dir beim Auspacken aufgrund leichter Fahrlässigkeit aus der Packung und bekommt dadurch einen Sprung im Display. Später stellst du fest, dass der Akku einen irreparablen Defekt hat. Du entscheidest dich deshalb, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Hier stellt sich die Frage, ob du in einem solchen Fall nach deinem Rücktritt für das Display Schadensersatz an den Verkäufer leisten musst. Die Antwort hängt davon ab, ob ein vertraglicher Rücktrittsvorbehalt vorliegt oder ein gesetzliches Rücktrittsrecht.
Beginnen wir mit dem Fall des vertraglichen Rücktrittsvorbehalts. Hier muss mit dem Rücktritt gerechnet werden, da die Parteien ihn vertraglich vorgesehen haben. Wenn sich nun eine Sache vor der Rücktrittserklärung untergeht oder verschlechtert, kann dies eine schuldhafte Pflichtverletzung darstellen. In diesem Fall führt dies zu einer Schadensersatzpflicht nach den §§ 346 Abs. 4 und 280 ff. BGB. Wärst du also aufgrund eines vertraglichen Rücktrittsvorbehalts zurückgetreten und nicht wie im Beispiel aufgrund eines gesetzlichen Rücktrittsgrundes, hättest du besser auf das Handy aufpassen müssen und haftest für den Schaden.
Anders ist die Situation bei einem gesetzlichen Rücktrittsrecht. Hier ist zu unterscheiden zwischen dem Rücktrittsberechtigten und dem Rücktrittsgegner. Der Rücktrittsberechtigte ist privilegiert, da er von der Endgültigkeit seines Erwerbs ausgehen darf. Ihn trifft daher keine Schutzpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB gegenüber der anderen Partei. Das bedeutet, dass er keinen Schadensersatz leisten muss, selbst wenn er die Sache vorsätzlich zerstört. Der Rücktrittsgegner hingegen, der den Rücktrittsgrund zu vertreten hat, ist nicht privilegiert, sobald er Kenntnis vom Rücktrittsgrund hat. In unserem Beispiel bist du mangelbedingt, also aufgrund eines gesetzlichen Rücktrittsrechts zurückgetreten. Du musst daher keinen Schadensersatz leisten.
Zusammengefasst: Bei vertraglichem Rücktrittsvorbehalt kann Schadensersatz fällig werden, bei gesetzlichem Rücktrittsrecht ist der Rücktrittsberechtigte privilegiert und der Rücktrittsgegner nur vor Kenntnis des Rücktrittsgrunds.
Untergang oder Verschlechterung einer Sache bereits vor Rücktrittserklärung
- Bei vertraglichem Rücktrittsvorbehalt muss mit Rücktritt gerechnet werden
- Schuldhafte Pflichtverletzung führt zu Schadensersatz, §§ 346 IV, 280 ff. BGB
- Bei gesetzlichem Rücktrittsrecht
- Rücktrittsberechtigter privilegiert: Da er von Endgültigkeit seines Erwerbs ausgehen darf, trifft ihn keine Schutzpflicht gem. § 241 II BGB ggü. der anderen Partei (z.B. kein Schadensersatz auch bei vorsätzlicher Zerstörung)
- Rücktrittsgegner, der Rücktrittsgrund zu vertreten hat, nicht privilegiert ab Kenntnis des Rücktrittsgrunds
Teste dein Wissen
A ist wirksam vom Vertrag mit B zurückgetreten. Welche Ansprüche könnten ihm gegen B zustehen?
Deine Lernplattform für mehr Verständnis im Jurastudium
4.9 von 5 Sternen aus 60+ Google-Bewertungen
Erlebe eine neue Lernerfahrung mit kompakten, verlinkten Inhalten in einer interaktiven Plattform.
Das sagen unsere Nutzer
Die Struktur, das Design und der Inhalt der App sind hervorragend. Während meiner Recherche habe ich viele juristische Seiten besucht und sogar einen Kurs bei Jura Academy absolviert. Ehrlich gesagt gefällt mir deine Seite am besten.
Ziad T.
Jurastudent