- Zivilrecht
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- Lösung vom Schuldverhältnis
Rücktritt A
Was versteht man unter dem Rücktritt?
Der Rücktritt ist ein wichtiges Rechtsinstitut, das es dir erlaubt, dich von einem Vertrag zu lösen. Stell dir vor, du kaufst ein neues Smartphone und nach ein paar Tagen fällt dir auf, dass es im Display einen Fehler gibt. Immer mehr Pixel fallen aus und bleiben schwarz. In so einer Situation wäre es natürlich ärgerlich, an den Vertrag gebunden zu sein. Hier kommt der Rücktritt ins Spiel.
Der Rücktritt ist in § 346 BGB geregelt. Es handelt sich dabei um ein Gestaltungsrecht, das einer Vertragspartei die Möglichkeit gibt, sich einseitig von einem Vertrag zu lösen. Das bedeutet, du kannst den Vertrag ohne Zustimmung der anderen Seite auflösen. Der Rücktritt wirkt ex nunc, also nur für die Zukunft.
Rücktritt, § 346 BGB: Gestaltungsrecht, mit dem sich Vertragspartei einseitig von einem Vertrag löst mit ex nunc-Wirkung
Unter welchen Voraussetzungen ist der Rücktritt möglich?
Der Rücktritt hat mehrere Voraussetzungen.
Erstens muss ein Rücktrittsgrund vorliegen. Das kann ein gesetzlicher Rücktrittsgrund wegen einer Pflichtverletzung oder anderer Leistungsstörungen sein, wie etwa in den §§ 313 Abs. 3, 323, 324, 326 Abs. 5 BGB geregelt. Im Gegensatz zum Schadensersatz wegen Pflichtverletzung ist es hier nicht erforderlich, dass der Anspruchsgegner die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Es kann sich aber auch um einen vertraglich vereinbarten Rücktrittsgrund handeln, einen sogenannten Rücktrittsvorbehalt. Das wären Formulierungen wie "freibleibend" oder "Liefermöglichkeit vorbehalten", wobei hier allerdings zu berücksichtigen ist, was nach Treu und Glauben noch zumutbar ist.
Zweitens ist eine Rücktrittserklärung gemäß § 349 BGB erforderlich. Das heißt, die Partei, die zurücktreten möchte, muss ihren Willen hierzu eindeutig gegenüber der anderen Seite erklären.
Drittens darf sich die Partei, die zurücktreten möchte, gemäß § 218 BGB nicht auf die Verjährung des Leistungs- oder Nacherfüllungsanspruchs berufen. Das Rücktrittsrecht als solches, als sogenanntes Gestaltungsrecht, kann zwar nicht verjähren. Aber wenn der Anspruch, dessen Nichterfüllung den Rücktrittsgrund darstellt, bereits verjährt ist, dann ist ein Rücktritt gemäß § 218 BGB nicht mehr möglich.
Sind diese drei Voraussetzungen erfüllt - Rücktrittsgrund, Rücktrittserklärung und keine Verjährungseinrede - dann kann die Partei wirksam vom Vertrag zurücktreten.
Voraussetzungen
- Rücktrittsgrund
- Gesetzlicher Rücktrittsgrund: Wegen Pflichtverletzung und anderen Leistungsstörungen, insb. §§ 313 III, 323, 324, 326 V BGB
- Im Gegensatz zum Schadensersatz kein Vertretenmüssen der Pflichtverletzung erforderlich
- Vertraglicher Rücktrittsgrund / Rücktrittsvorbehalt: z.B. „freibleibend“, „Liefermöglichkeit vorbehalten“ (unter Berücksichtigung des nach Treu und Glauben zumutbaren)
- Rücktrittserklärung, § 349 BGB
- Keine Berufung auf Verjährung des Leistungs- oder Nacherfüllungsanspruch, § 218 BGB (Rücktritt selbst als Gestaltungsrecht kann nicht verjähren)
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Welche Rechtsfolgen hat der Rücktritt? Können bereits erbrachte Leistungen nach Bereicherungsrecht herausgefordert werden?
Der Rücktritt vom Vertrag hat weitreichende Rechtsfolgen. Zunächst einmal führt er zum Erlöschen aller unerfüllten Leistungspflichten aus dem Vertrag. Mit anderen Worten, keiner der Vertragspartner muss mehr die ihm obliegenden Leistungen erbringen. Der Rücktritt wirkt als rechtsvernichtende Einwendung.
Darüber hinaus wandelt sich der Vertrag durch den Rücktritt in ein Rückgewährschuldverhältnis nach den §§ 346 ff. BGB um. Das bedeutet, dass bereits erbrachte Leistungen von beiden Seiten zurückzugewähren sind.
Wichtig ist dabei, dass das Schuldverhältnis als solches nicht wegfällt, sondern lediglich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wird. Es besteht also weiterhin fort, nur eben mit dem Zweck der Rückgewähr bereits erbrachter Leistungen. Gerade weil das Schuldverhältnis fortbesteht, kann man die Rückgewähr nicht über die Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB verlangen. Denn für die bereits erbrachten Leistungen gibt es weiterhin einen Rechtsgrund, nämlich das fortbestehende Rückgewährschuldverhältnis. Die Rückgewähr erfolgt daher ausschließlich nach den §§ 346 ff. BGB.
Kurz gesagt wandelt der Rücktritt den Vertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis um, in dem bereits Geleistetes zurückzugewähren ist.
Rechtsfolgen
- Erlöschen unerfüllter Leistungspflichten (rechtsvernichtende Einwendung)
- Umwandlung des Vertrages in Rückgewährschuldverhältnis gem. §§ 346 ff. BGB: Bereits erbrachte Leistungen zurückzugewähren
- Kein Wegfall des Schuldverhältnisses: Schuldverhältnis besteht als Rückgewährschuldverhältnis fort
- Keine Leistungskondiktion, § 812 I 1 Alt. 1 BGB, da Schuldverhältnis fortbesteht, und weiterhin Rechtsgrund für bereits erbrachte Leistungen ist; Rückgewähr nur gem. §§ 346 ff. BGB
Wenn der Rücktritt wegen einer Pflichtverletzung erfolgt, kann daneben auch Schadensersatz gefordert werden?
Wenn du vom Vertrag wegen einer Pflichtverletzung der anderen Seite zurücktrittst, kannst du in vielen Fällen zusätzlich auch noch Schadensersatz aus den §§ 280 ff. BGB fordern, die die gesetzlichen Ansprüche auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen regeln.
Hier liegt nämlich eine sogenannte Anspruchskonkurrenz vor, wie es § 325 BGB normiert. Das bedeutet, dass der Rücktritt vom Vertrag die Möglichkeit, daneben noch Schadensersatz zu verlangen, nicht ausschließt. Du kannst also beides geltend machen - den Rücktritt und zusätzlich die Forderung auf Ersatz des dir entstandenen Schadens.
Du mietest eine Wohnung, und bei deinem Einzug stellst du fest, dass die Heizung nicht funktioniert. Trotz mehrfacher Aufforderung und Fristsetzung behebt der Vermieter den Mangel nicht. Aufgrund dieser erheblichen Pflichtverletzung trittst du vom Mietvertrag zurück. Gleichzeitig machst du Schadensersatz geltend, weil dir durch die fehlende Heizung zusätzliche Kosten entstanden sind – etwa für die Übernachtung in einem Hotel oder für die Anschaffung von Heizgeräten. Der Rücktritt vom Vertrag schließt deinen Anspruch auf Schadensersatz nicht aus, denn § 325 BGB ermöglicht es dir, beides gleichzeitig zu fordern.
Ggf. daneben Schadensersatz wegen Pflichtverletzung, §§ 280 ff. BGB
- Anspruchskonkurrenz, § 325 BGB: Rücktritt schließt Schadensersatzforderung nicht aus, kann daneben geltend gemacht werden
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A ist hobbymäßig Fahrradfahrer. Er kauft sich bei Einzelhändler E über dessen Website ein Rad. Eine Woche später bereut er den Kauf. Das Geld benötigt er dringend für andere Anschaffungen. Im Internet stand zudem, das Rad sei straßenverkehrstauglich, tatsächlich fehlen aber Reflektoren, die E trotz mehrfacher Aufforderung nicht nachliefert. Kann sich A ggf. vom Vertrag lösen?
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Ziad T.
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