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Schuldbeitritt

Schuldbeitritt
Aktualisiert vor 8 Tagen

Kann ein Dritter die Schuld auch mitübernehmen, ohne dass der Schuldner aus der Verantwortung entlassen wird?

Manchmal möchte ein Dritter zusätzlich zum bestehenden Schuldner für eine Verbindlichkeit haften, ohne dass der ursprüngliche Schuldner aus der Verantwortung entlassen wird. Das nennt man Schuldbeitritt, auch als kumulative Schuldübernahme oder Schuldmitübernahme bezeichnet. Diese Konstellation ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber aus der Vertragsfreiheit in § 311 Abs. 1 BGB.

Wesentlich ist, dass der Beitretende eine eigene Schuld übernimmt, die zusätzlich zum Schuldner besteht. Das bedeutet, dass nicht nur der ursprüngliche Schuldner weiterhin verpflichtet bleibt, sondern der Beitretende ebenfalls als zusätzlicher Schuldner hinzutritt. Damit unterscheidet sich der Schuldbeitritt von der subsidiären Haftung eines Bürgen nach § 771 BGB, denn der Bürge haftet grundsätzlich nur unter der Voraussetzung, dass der Hauptschuldner nicht zahlt.

Durch den Schuldbeitritt haften der ursprüngliche Schuldner und der Beitretende gemeinsam als Gesamtschuldner nach §§ 421 ff. BGB. Das heißt, der Gläubiger kann sich aussuchen, von wem er die Leistung verlangt, und einer der beiden Schuldner kann bei vollständiger Zahlung Rückgriff gegen den anderen nehmen. Das ist ein zentraler Unterschied zur privativen Schuldübernahme, bei der die Schuld vollständig auf den Übernehmenden übergeht und der ursprüngliche Schuldner aus der Haftung entlassen wird.

Beim Schuldbeitritt bleibt der alte Schuldner also verpflichtet, der neue Schuldner kommt zusätzlich hinzu.

Merke

Schuldbeitritt / kumulative Schuldübernahme / Schuldmitübernahme, nicht normiert, aus Vertragsfreiheit, § 311 I BGB

  • Beitretender übernimmt eigene Schuld zusätzlich zum Schuldner
    • Subsidiäre Haftung des Bürgen, § 771 BGB
  • Schuldner und Beitretender haften beide als Gesamtschuldner, §§ 421 ff. BGB
    • Privative Schuldübernahme, bei der der Übernehmende allein schuldet

Hängt die Schuld des Beitretenden akzessorisch von der Schuld des Schuldners ab?

Stell dir vor, du sicherst den Bankkredit deines Freundes durch einen Schuldbeitritt. Nach einiger Zeit gerät dein Freund in finanzielle Schwierigkeiten und die Bank erlässt ihm einen Teil der Schuld aufgrund einer Vergleichsvereinbarung. Nun stellt sich die Frage: Gilt dieser Schuldenerlass auch für dich?

Es stellt sich die Frage, ob die Schuld des Beitretenden beim Schuldbeitritt in gleicher Weise von der Hauptschuld des ursprünglichen Schuldners abhängt wie das beispielsweise bei einer Bürgschaft der Fall ist.

Zunächst ist die Schuld bei ihrer Entstehung akzessorisch. Das bedeutet, dass der Beitretende nur für eine tatsächlich bestehende Hauptschuld eintreten kann. Ist die Hauptschuld nicht wirksam begründet, gibt es auch keine Schuld des Beitretenden.

Nach der Entstehung ist die Schuld des Beitretenden hingegen nicht mehr akzessorisch. Das bedeutet, dass die Forderungen gegenüber dem ursprünglichen Schuldner und dem Beitretenden unabhängig voneinander fortbestehen. Selbst wenn die Hauptschuld später erlischt oder der ursprüngliche Schuldner aus irgendwelchen Gründen nicht mehr haftet, bleibt die Verpflichtung des Beitretenden bestehen.

Der Schuldbeitritt unterscheidet sich so von der Bürgschaft, die ausdrücklich akzessorisch ausgestaltet ist. Nach den §§ 767, 768 BGB richtet sich die Verpflichtung des Bürgen stets nach der Hauptschuld. Erlischt die Hauptschuld oder wird sie in ihrem Umfang verändert, wirkt sich dies unmittelbar auch auf die Bürgschaftsverpflichtung aus. Beim Schuldbeitritt ist das anders, denn hier bleibt die Schuld des Beitretenden auch dann bestehen, wenn die Hauptschuld später entfällt. Auch in unserem Beispiel kann die Bank von dir die volle Summe verlangen.

Merk dir: Nach der Entstehung des Schuldbeitritts besteht keine Akzessorietät mehr, beide Forderungen existieren unabhängig nebeneinander.

Merke

Keine Akzessorietät nach Entstehung

  • Bei Entstehung: Akzessorisch von Bestand der Hauptschuld abhängig
  • Nach Entstehung: Keine Akzessorietät der voneinander unabhängigen Forderungen
    • Akzessorietät der Bürgschaft, §§ 767, 768 BGB
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Welche Formvorschriften gelten für den Schuldbeitritt? Können die Formvorschriften über den Abschluss eines Bürgschaftsvertrags analog herangezogen werden?

Ein Schuldbeitritt ist grundsätzlich formfrei möglich. Das bedeutet, dass es für seine Wirksamkeit keiner besonderen Form wie der Schriftform bedarf. Das unterscheidet ihn von der Bürgschaft, die nach § 766 BGB schriftlich abgegeben werden muss.

Trotz dieser Formfreiheit hat der Schuldbeitritt weitergehende Rechtsfolgen als eine Bürgschaft. Während der Bürge nur akzessorisch haftet, begründet der Schuldbeitritt eine eigenständige, nichtakzessorische Schuld des Beitretenden.

Bei einem Schuldbeitritt durch einen Verbraucher gelten deshalb besondere Regeln. Hier werden die Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge in den §§ 491 ff. BGB analog angewendet. Das bedeutet, dass der Vertrag in Schriftform geschlossen werden muss, analog § 492 Abs. 1 BGB. Außerdem hat der Verbraucher analog § 495 BGB ein Widerrufsrecht und kann sich somit unter bestimmten Voraussetzungen wieder von der eingegangenen Verpflichtung lösen.

Der Schuldbeitritt ist also grundsätzlich formfrei, es sei denn, ein Verbraucher tritt bei – dann gelten Schriftform und Widerrufsrecht analog zu Verbraucherdarlehensverträgen.

Merke

Form

  • Grds. formlos möglich (≠ Schriftform der Bürgschaft, § 766 BGB)
    • Geringerer Schutz als bei der Bürgschaft, obwohl weitergehendere Rechtsfolgen (eigene, nichtakzessorische Schuld)
  • Aber bei Schuldbeitritt eines Verbrauchers analoge Anwendung der Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge, §§ 491 ff. BGB
    • Schriftform, analog § 492 I BGB
    • Widerrufsrecht, analog § 495 BGB

Wie unterscheiden sich Bürgschaft und Schuldbeitritt? Was wird im Zweifel angenommen?

Wenn jemand neben dem ursprünglichen Schuldner in eine Verbindlichkeit eintritt, stellt sich die Frage, ob es sich um eine Bürgschaft oder einen Schuldbeitritt handelt. Beide Institute sorgen dafür, dass eine weitere Person für die Schuld einsteht, unterscheiden sich aber in wesentlichen Punkten.

Die Bürgschaft nach den §§ 765 ff. BGB begründet im Gegensatz zum Schuldbeitritt eine akzessorische und subsidiäre Verpflichtung. Das bedeutet, dass der Bürge nur dann zahlen muss, wenn der Hauptschuldner seine Schuld nicht erfüllt. Daraus ergibt sich ein geringeres Risiko für den Bürgen, denn der Gläubiger muss sich zunächst an den Hauptschuldner halten. Beim Schuldbeitritt haftet der Beitretende dagegen direkt und unmittelbar neben dem ursprünglichen Schuldner.

Die Frage, ob eine Bürgschaft oder ein Schuldbeitritt vorliegt, hängt vom Willen der Parteien ab. Wenn dieser unklar ist, wird geprüft, ob der Beitretende ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Schuld hat. Im Zweifel wird die Bürgschaft angenommen, wenn die Verpflichtung rein altruistisch begründet ist, also wenn der Sicherungsgeber keinerlei eigenes wirtschaftliches Interesse an der Schuld hat. Dies liegt daran, dass die Bürgschaft das geringere Risiko birgt. Hat der Beitretende jedoch ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Schuld, wird im Zweifel von einem Schuldbeitritt ausgegangen. Ein Beispiel wäre der Gesellschafter einer GmbH, der sich verpflichtet, neben der Gesellschaft für deren Schulden einzustehen. Da er wirtschaftlich von der GmbH profitiert, spricht dies für einen Schuldbeitritt.

Besteht also ein eigenes wirtschaftliches Interesse, wird im Zweifel ein Schuldbeitritt angenommen, ansonsten eine Bürgschaft.

Merke
  • Bürgschaft, §§ 765 ff. BGB: Nur akzessorische subsidiäre Verpflichtung
    • Aufgrund geringeren Risikos Bürgschaft im Zweifel angenommen, wenn rein altruistisches Verhalten
    • Schuldbeitritt im Zweifel angenommen, wenn eigenes wirtschaftliches Interesse

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Frage 1/6

A möchte bei Bank B ein Darlehen aufnehmen. Zur Sicherheit vereinbart B mit As Freundin F, dass F ebenfalls für die Schuld haftet. F möchte damit den A unterstützen und ihm eine gute Freundin sein. Welche Aussagen sind richtig?

Es handelt sich um eine Bürgschaft gem. §§ 765 ff. BGB.
Es handelt sich um einen Schuldbeitritt.
Das Geschäft ist sittenwidrig gem. § 138 BGB.
Die Vereinbarung kann nicht zweifelsfrei als Bürgschaft oder Schuldbeitritt ausgelegt werden.
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