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Das Schuldverhältnis

SchuldverhältnisSchuldverhältnisseRelativität der SchuldverhältnisseVertragstreue
Aktualisiert vor 7 Tagen

Was versteht man unter dem Begriff Schuldverhältnis?

Wann immer zwei Personen in einer rechtlichen Beziehung zueinanderstehen, bei der eine die Erfüllung einer bestimmten Pflicht von der anderen verlangen kann, spricht man von einem Schuldverhältnis. Doch dieser Begriff kann zwei unterschiedliche Bedeutungen haben – eine weitere und eine engere.

Im weiteren Sinne meint das Schuldverhältnis das gesamte Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner. Es umfasst sämtliche Rechte und Pflichten, die sich aus diesem Verhältnis ergeben. Ein Beispiel ist das gesamte Rechtsverhältnis aus einem Kaufvertrag nach § 433 BGB mit allen daraus erwachsenden Rechten und Pflichten des Käufers, Verkäufers und gegebenenfalls auch Dritten. In dieser umfassenden Bedeutung wird der Begriff Schuldverhältnis in Vorschriften wie § 280 Abs. 1 BGB oder § 425 Abs. 1 BGB verwendet.

Im engeren Sinne bezeichnet das Schuldverhältnis hingegen nur eine einzelne Forderung, also eine sogenannte Obligation. Es geht dann um eine konkrete Leistungspflicht des Schuldners gegenüber dem Gläubiger. Im Beispiel des Kaufvertrags wäre das zum Beispiel unter anderem der einzelne Anspruch des Verkäufers nach § 433 Abs. 2 BGB auf Zahlung des Kaufpreises. In dieser engen Bedeutung begegnet uns der Begriff in Vorschriften wie § 241 Abs. 1 BGB oder § 362 Abs. 1 BGB.

Der Begriff "Schuldverhältnis" kann also sowohl das gesamte Rechtsverhältnis als auch eine einzelne Forderung bezeichnen.

Merke

Schuldverhältnis

  • Schuldverhältnis im weiteren Sinne: Rechtsverhältnis als Ganzes; Gesamtheit von Rechten und Pflichten zwischen Gläubiger und Schuldner; z.B. Rechtsverhältnis aus Kaufvertrag gem. § 433 BGB; Begriff so zu verstehen z.B. in §§ 280 I, 425 I BGB
  • Schuldverhältnis im engeren Sinne: Einzelne Forderung (Obligation); rechtliche Sonderverbindung kraft derer Gläubiger von Schuldner geschuldetes Verhalten (Leistung) fordern kann; z.B. Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreiszahlung gem. § 433 II BGB; Begriff so zu verstehen z.B. in §§ 241 I, 362 I BGB

Was versteht man unter dem Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse?

Ein Schuldverhältnis betrifft grundsätzlich nur die Personen, die es begründen. Dieses Prinzip bezeichnet man als die Relativität der Schuldverhältnisse. Das Schuldverhältnis ist relativ. Das bedeutet, dass die darin enthaltenen Rechte und Pflichten ausschließlich zwischen den Beteiligten, also dem Gläubiger und dem Schuldner, wirken.

Das bedeutet insbesondere, dass ein Dritter aus einem Vertrag zwischen zwei Personen in der Regel keine Ansprüche herleiten kann. Wenn also A mit B einen Kaufvertrag über ein Fahrrad abschließt, dann kann C daraus keine Rechte geltend machen. Das Schuldverhältnis wirkt nur zwischen A und B.

Diese Relativität unterscheidet sich von den absoluten Rechten im Sachenrecht. Dingliche Rechte, wie das Eigentum, sind gegenüber jedermann wirksam. Wenn jemand Eigentümer eines Autos ist, dann muss jeder andere dieses Eigentum respektieren.

Allerdings gibt es Ausnahmen von diesem Grundsatz, in denen auch Dritte in ein Schuldverhältnis einbezogen werden können. Ein Beispiel ist der Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB. Hier vereinbaren die Vertragsparteien, dass ein Dritter unmittelbar einen Anspruch erhält. Ebenso gibt es den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, bei dem Personen, die nicht Vertragspartei sind, dennoch in den Schutzbereich des Vertrags einbezogen werden. Auch die Dritthaftung nach § 311 Abs. 3 BGB kann eine Ausnahme zur Relativität der Schuldverhältnisse darstellen.

Kurz gesagt: Schuldverhältnisse gelten grundsätzlich nur zwischen den Beteiligten, es sei denn, das Gesetz oder die Vertragsparteien sehen etwas anderes vor.

Merke

Relativität der Schuldverhältnisse: Schuldverhältnis berechtigt und verpflichtet grds. nur Beteiligte

  • Wirkt nur relativ zwischen Gläubiger und Schuldner
  • Absolutheit der Herrschaftsrechte im Sachenrecht (dingliche Rechte), z.B. Eigentum gilt ggü. Jedermann

  • Aber ausnahmsweise Beteiligung Dritter: z.B. Vertrag zugunsten Dritter, § 328 ff. BGB, Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, Dritthaftung, § 311 III BGB

Müssen Verträge stets eingehalten werden?

Stell dir vor, du kaufst ein Konzertticket und der Veranstalter sagt kurz vor dem Event plötzlich: „Ich habe keine Lust mehr, das Konzert findet nicht statt.“ Wäre das fair? Natürlich nicht. Genau deshalb gibt es im Vertragsrecht das Prinzip der Vertragstreue. Dieses Grundprinzip besagt, dass Verträge grundsätzlich eingehalten werden müssen. Es wird auch lateinisch als „pacta sunt servanda“ ausgedrückt, was wörtlich „Verträge sind einzuhalten“ bedeutet. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 241 Abs. 1 BGB, wonach der Schuldner verpflichtet ist, die vereinbarte Leistung zu erbringen und aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB.

Allerdings gibt es Situationen, in denen es unzumutbar oder gar unmöglich wäre, einen Vertrag strikt durchzuziehen. Das Gesetz kennt deshalb einige Ausnahmen von der Vertragstreue. Ausnahmen vom Vertragstreuegrundsatz sind daher die praktische Unmöglichkeit der Leistung nach § 275 Abs. 2 BGB wegen Unzumutbarkeit aus praktischen Gründen und die persönliche Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 3 BGB wegen Unzumutbarkeit aus persönlichen Gründen.

Eine weitere Ausnahme bildet die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 und Abs. 3 BGB. Diese kann gegeben sein, wenn sich nach Vertragsschluss schwerwiegende Umstände ändern, die für beide Parteien bei Vertragsschluss als selbstverständlich galten. Zum Beispiel kann ein Reisevertrag unter besonderen Umständen angepasst oder sogar aufgelöst werden, wenn ein unvorhersehbares Ereignis eintritt, das die Reise unzumutbar macht, etwa der plötzliche Ausbruch einer Pandemie.

Kurz gesagt: Verträge müssen also grundsätzlich erfüllt werden, aber in Einzelfällen gibt es Ausnahmen.

Merke

Prinzip der Vertragstreue (lat.: „pacta sunt servanda“, dt.: „Verträge sind einzuhalten“), aus § 241 I BGB und Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB

  • Ausnahmen z.B. praktische Unmöglichkeit gem. § 275 II BGB, persönliche Unmöglichkeit gem. § 275 III BGB, Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 I, III BGB

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V kann von jedermann Kaufpreiszahlung verlangen.
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