- Zivilrecht
- Schuldrecht Allgemeiner Teil
- Das Schuldverhältnis
Schutzpflichten, § 241 II BGB
Was sind Schutzpflichten im Schuldverhältnis?
Nicht nur die Leistungspflichten spielen im Schuldverhältnis eine wichtige Rolle, sondern auch Schutzpflichten. Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichten die Vertragsparteien, auf die Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen Rücksicht zu nehmen. Es geht also darum, dass die eine Partei nicht nur ihre Leistung erbringt, sondern auch dafür sorgt, dass die andere Partei durch das Schuldverhältnis keinen Schaden zum Beispiel an ihrem Körper, ihrer Gesundheit oder ihrem Eigentum erleidet. Dabei steht also das Integritätsinteresse des Vertragspartners im Mittelpunkt, das Interesse daran, nicht durch das Verhalten der anderen Partei beeinträchtigt zu werden.
Wie weit diese Schutzpflichten im Einzelfall gehen, muss genau geprüft werden, denn § 241 Abs. 2 BGB spricht lediglich davon, dass eine Schutzpflicht begründet werden "kann“. Das bedeutet, dass immer die konkreten Umstände betrachtet werden müssen. So hat zum Beispiel ein Arbeitgeber eine Schutzpflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern, indem er für eine sichere Arbeitsumgebung sorgen muss. Ein anderes Beispiel wäre ein Kaufvertrag: Der Verkäufer muss sich so verhalten, dass der Käufer nicht gefährdet wird, etwa indem er darauf hinweist, wenn ein Produkt eine besondere Handhabung erfordert, um Verletzungen zu vermeiden.
Schutzpflichten dienen also dazu, die andere Vertragspartei vor Schäden zu bewahren.
Schutzpflichten, § 241 II BGB: Rücksichtnahme auf Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei; schützen Integritätsinteresse des Vertragspartners
- Umfang und Inhalt im Einzelfall stets sorgfältig prüfen (Wortlaut § 241 II BGB: „kann… begründen“)
Können Leistungspflichten zugleich Schutzpflichten sein?
Manche Pflichten haben eine sogenannte Doppelnatur, das heißt, sie erfüllen sowohl eine Leistungspflicht als auch eine Schutzpflicht. Das bedeutet, sie schützen nicht nur das Interesse des Gläubigers an der Leistung selbst, sondern auch sein Integritätsinteresse, also sein Interesse daran, nicht in seinen Rechtsgütern verletzt zu werden.
Ein anschauliches Beispiel ist eine Bedienungsanleitung bei einem technischen Gerät. Sie soll dem Käufer ermöglichen, das Gerät ordnungsgemäß zu nutzen, also die Leistung im Sinne des Vertrages zu erhalten. Gleichzeitig schützt sie ihn aber auch davor, sich durch eine falsche Nutzung zu verletzen, etwa wenn ein Elektrogerät nicht richtig angeschlossen wird.
Doppelnatur möglich: Pflicht schützt Leistungs- und Integritätsinteresse (z.B. Bedienungsanleitung dient der Ermöglichung ordnungsgemäßer Bedienung und der Verhinderung von Verletzung)
Woraus ergeben sich die Schutzpflichten vor und nach Vertragsschluss?
Stell dir vor, du betrittst ein Autohaus, um dir ein neues Fahrzeug anzusehen. Der Verkäufer führt dich durch den Ausstellungsraum, doch plötzlich rutscht er auf einem frisch gewischten Boden aus und reißt dich mit. Du stürzt und verletzt dich. Aufgrund welcher Anspruchsgrundlage kannst du vom Autohaus Schadenersatz verlangen?
Die Schutzpflichten ergeben sich grundsätzlich aus § 241 Abs. 2 BGB. Sie verpflichten die Parteien dazu, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen. Dabei gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen Schutzpflichten vor und nach Vertragsschluss.
Vor dem Vertragsschluss können sich Schutzpflichten aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergeben, das durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder ähnliche geschäftliche Kontakte entsteht. Das nennt man culpa in contrahendo (c.i.c.), geregelt in §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB. Eine solche Pflicht besteht zum Beispiel, wenn ein Kaufinteressent ein Autohaus betritt. Der Händler muss dann dafür sorgen, dass keine Gefahren für den potenziellen Käufer entstehen, etwa durch ungesichert rutschige Stellen am Fußboden. Wichtig ist, dass vor Vertragsschluss nur Schutzpflichten entstehen und gerade noch keine Leistungspflichten, denn ein vertraglicher Leistungsanspruch besteht erst mit Vertragsschluss.
Nach dem Vertragsschluss ergeben sich Schutzpflichten direkt aus dem Vertrag selbst. Sie ergeben sich als Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB. Sobald ein Vertrag geschlossen wurde, ergeben sich die Schutzpflichten direkt aus dem Vertrag selbst, sodass Ansprüche aus culpa in contrahendo nicht mehr geprüft werden müssen. Das bedeutet: Kommt es zu irgendeinem Zeitpunkt zu einem Vertragsschluss, braucht sich der Geschädigte nicht mehr auf c.i.c. berufen, sondern leitet seine Ansprüche aus dem bestehenden Vertragsverhältnis ab.
Kurz gesagt: Schutzpflichten gibt es sowohl vor als auch nach Vertragsschluss, aber vorvertraglich nur über die culpa in contrahendo, während sie sich nach Vertragsschluss direkt aus dem Vertrag ergeben.
Schutzpflichten vor und nach Vertragsschluss
- Vor Vertragsschluss
- Ggf. Sorgfaltspflichten aus c.i.c., §§ 311 II, 241 II BGB
- Leistungspflichten: Vorvertraglich bestehen nur Schutzpflichten
- Nach Vertragsschluss
- Ggf. Nebenpflichten aus Vertrag
- C.i.c.: Wenn ein Vertrag besteht, sind regelmäßig keine Ansprüche aus c.i.c. zu prüfen, da sich die Schutzpflichten ja bereits aus dem Vertrag ergeben
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