- Zivilrecht
- Allgemeiner Teil des BGB
- Willenserklärung
Schweigen im Rechtsverkehr
Kann bloßes Schweigen als Willenserklärung ausgelegt werden?
Stell dir vor, jemand macht dir ein Angebot, beispielsweise den Verkauf eines Fahrrads, und du sagst einfach nichts dazu. Kann dein Schweigen in dem Fall bedeuten, dass du das Angebot annimmst?
Im Rechtsverkehr ist das Schweigen grundsätzlich rechtlich bedeutungslos. Man spricht von einem „rechtlichen Nullum“. Das bedeutet, dass Schweigen im Normalfall keine Willenserklärung darstellt und daher keine Rechtsfolgen nach sich zieht. Aber wie so oft gibt es auch hier Ausnahmen.
Eine Ausnahme ist das „beredte Schweigen“. Dabei wird Schweigen durch eine besondere Parteivereinbarung oder aufgrund bestimmter Umstände als Willenserklärung verstanden. Dies passiert wenn die Parteien im Vorhinein festlegen, dass das Nichtäußern des Empfängers rechtliche Konsequenzen haben soll, wie etwa die Annahme eines Angebots. Außerdem kann Schweigen auch dann ausnahmsweise eine Willenserklärung darstellen, wenn nach Treu und Glauben in Verbindung mit der Verkehrssitte eine Erklärungspflicht besteht und der Empfänger deshalb nicht einfach ablehnen kann. Ein Beispiel: Stell dir vor, du bietest mir dein altes Smartphone für 100€ zum Kauf an. Ich sage dir, dass ich bis Ende der Woche darüber nachdenken möchte, der Kauf aber als geschlossen gilt, wenn ich mich bis dahin nicht melde. Hier liegt ein Beispiel für „beredtes Schweigen“ vor, da wir vorher klar vereinbart haben, dass mein Schweigen rechtliche Konsequenzen hat.
Eine weitere Ausnahme betrifft das „normierte Schweigen“. Hier knüpft das Gesetz selbst rechtliche Folgen an ein Schweigen. Ein gutes Beispiel hierfür ist § 108 Abs. 2 S. 2 BGB. Wenn ein beschränkt Geschäftsfähiger ein Geschäft ohne die erforderliche Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters abschließt und dieser nach Aufforderung zur Genehmigung schweigt, gilt dies als Verweigerung der Genehmigung. Hier bestimmt also das Gesetz, wie Schweigen zu verstehen ist.
Besonders relevant ist Schweigen im Rechtsverkehr bei Kaufleuten. Nach § 362 HGB kann das Schweigen des Kaufmanns auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen als Annahme gewertet werden. Eine weitere Ausnahme betrifft das sogenannte kaufmännische Bestätigungsschreiben. Wenn ein Kaufmann nach Vertragsverhandlungen ein solches Schreiben erhält und nicht widerspricht, obwohl das Schreiben den Vertragsinhalt wiedergibt, gilt dies als Zustimmung, selbst wenn er eigentlich nicht einverstanden ist. Dies dient der Verkehrssicherheit und der Verlässlichkeit im Handelsverkehr.
Zentral ist also, dass Schweigen im Regelfall keine Willenserklärung ist, aber in Einzelfällen durch Parteivereinbarung, gesetzliche Regelungen oder kaufmännische Gepflogenheiten eine rechtliche Bedeutung erhalten kann.
Schweigen im Rechtsverkehr
- Grds. keine Willenserklärung: „Rechtliches Nullum“
- Nur ausnahmsweise Schweigen als Willenserklärung auszulegen
- „Beredtes Schweigen“: Parteivereinbarung knüpft an Schweigen Rechtsfolge („wortlose Annahmeerklärung“) oder Empfänger hat Rechtspflicht zur Erklärung, da nach Treu und Glauben nicht mit Ablehnung zu rechnen ist
- Normiertes Schweigen: Gesetz knüpft an Schweigen Rechtsfolge, z.B. Ablehnungsfiktion bei unterlassener Genehmigung von Geschäften beschränkt Geschäftsfähiger gem. § 108 II 2 BGB
- Besonderheiten bei Kaufleuten: Schweigen des Kaufmanns auf Antrag, § 362 HGB; Kaufmännisches Bestätigungsschreiben
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Kann durch stummes Nicken oder bloßes Schweigen eine Willenserklärung abgegeben werden?
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