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Tatbestand der Willenserklärung

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Aktualisiert vor 8 Tagen

Was sind die Bestandteile einer Willenserklärung?

Was macht eine Willenserklärung im Detail aus und welche Bestandteile braucht sie für ihre Wirksam? Um das zu verstehen, müssen wir ihren Tatbestand analysieren, der sich in zwei Bestandteile gliedert: den objektiven und den subjektiven Tatbestand.

Der objektive Tatbestand beschreibt das äußere Erscheinungsbild der Willenserklärung. Es geht um die nach außen erkennbare Kundgabe mit Rechtsbindungswillen.

Der subjektive Tatbestand hingegen betrachtet die innere Seite der Willenserklärung, also die gedanklichen Voraussetzungen, die beim Erklärenden vorliegen müssen. Hierzu gehören drei Elemente: der Handlungswille, das Erklärungsbewusstsein und der Geschäftswille.

Eine Willenserklärung ist nur dann wirksam, wenn sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand erfüllt sind.

Merke

Tatbestand der Willenserklärung

  1. Objektiver Tatbestand der Willenserklärung: Kundgabe mit Rechtsbindungswillen
  2. Subjektiver Tatbestand der Willenserklärung: Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille

Was sind die objektiven Bestandteile einer Willenserklärung? Wie wirkt sich das Fehlen eines Bestandteils auf die Wirksamkeit der Erklärung aus?

Der objektive Tatbestand der Willenserklärung besteht aus zwei zentralen Bestandteilen: der Erklärungshandlung und dem Rechtsbindungswillen. Die Erklärungshandlung ist jedes nach außen wahrnehmbare Verhalten, das darauf hindeutet, dass jemand eine rechtliche Erklärung abgeben möchte. Das kann ausdrücklich geschehen, etwa durch gesprochene Worte oder ein schriftliches Dokument, oder auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten. Ein Beispiel für konkludentes Handeln wäre ein Nicken auf die Frage, ob man einen Vertrag abschließen möchte. Wichtig ist jedoch, dass die Erklärungshandlung potenziell willensgesteuert ist. Fehlt es daran, wie etwa bei körperlichem Zwang (vis absoluta), liegt keine wirksame Erklärungshandlung vor. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn jemand deiner Hand zwangsweise führt, um eine Unterschrift zu erzwingen – hier fehlt es offensichtlich am eigenen Willen.

Neben der Erklärungshandlung muss ein Rechtsbindungswille vorliegen. Das bedeutet, die Person muss mit ihrer Erklärung die Absicht haben, rechtlich verbindliche Verpflichtungen einzugehen oder anzunehmen. Der Rechtsbindungswille wird dabei nach dem objektiven Empfängerhorizont, also aus der Sicht eines verständigen Empfängers, ausgelegt gemäß den §§ 133, 157 BGB. Fehlt dieser Wille, liegt keine Willenserklärung vor.

Beispiele für das Fehlen des Rechtsbindungswillens sind die sogenannte invitatio ad offerendum und Gefälligkeitsverhältnisse. Eine invitatio ad offerendum ist eine Einladung, ein Angebot abzugeben, ohne dass der Einladende selbst rechtlich gebunden sein möchte. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Warenpräsentation im Supermarkt: Der Kunde macht durch das Vorlegen der Ware an der Kasse ein Angebot, das der Händler noch annehmen muss. Ähnlich verhält es sich bei Gefälligkeitsverhältnissen, wie etwa einem Freundschaftsdienst, bei dem keine rechtlichen Verpflichtungen entstehen sollen. Schließlich fehlt der Rechtsbindungswille auch bei psychischem Zwang (vis compulsiva), beispielsweise wenn jemand eine Erklärung nur unter massiver Drohung abgibt.

Fehlt eines der beiden Elemente des objektiven Tatbestands, sei es die Erklärungshandlung oder der Rechtsbindungswille, liegt keine wirksame Willenserklärung vor.

Merke

Objektiver Tatbestand der Willenserklärung: Kundgabe mit Rechtsbindungswillen

  1. Erklärungshandlung: Potenziell willensgesteuertes Tun; auch konkludent (z.B. Nicken)
    • Vis absoluta: Körperlich wirkender Zwang
  2. Rechtsbindungswille: Wille rechtsgeschäftliche Verpflichtungen einzugehen oder entgegenzunehmen; auszulegen gem. §§ 133, 157 BGB aus Sicht objektiven Empfängers
    • Bloße invitatio ad offerendum: „Angebotohne Rechtsbindungswille
    • Gefälligkeitsverhältnis: Eingehung bloß gesellschaftlicher Pflicht ohne Rechtsbindungswille
    • Vis compulsiva: Psychisch wirkender Zwang

  • Bei Fehlen eines der Elemente des objektiven Tatbestands liegt keine wirksame Willenserklärung vor

Was sind die subjektiven Bestandteile einer Willenserklärung? Wie wirkt sich das Fehlen eines Bestandteils auf die Wirksamkeit der Erklärung aus?

Der subjektive Tatbestand der Willenserklärung umfasst drei Elemente: den Handlungswillen, das Erklärungsbewusstsein und den Geschäftswillen. Doch was genau bedeutet das im Einzelnen?

Der Handlungswille beschreibt das Bewusstsein, überhaupt zu handeln. Es geht also darum, dass die Handlung auf einem willentlichen Entschluss beruht. Klassische Gegenbeispiele sind Bewegungen, die rein reflexartig erfolgen. Auch Handlungen im Schlaf, unter Hypnose oder durch vis absoluta, also körperlich wirkender Zwang, geschehen ohne Handlungswillen. Fehlt der Handlungswille, liegt keine Willenserklärung vor. Stell dir vor, du bist auf einer Auktion, bei der Gebote per Handzeichen abgegeben werden. Plötzlich spürst einen Stoß am Ellbogen und reißt deswegen erschrocken deinen Arm hoch – diese reflexhafte Geste wäre keine Willenserklärung, da der Handlungswille fehlt.

Der zweite Bestandteil, das Erklärungsbewusstsein beschreibt das Bewusstsein, dass eine Handlung irgendeine rechtliche Bedeutung haben könnte. Ein typisches Beispiel ist der Fall der sogenannten Trierer Weinversteigerung: Jemand hebt bei einer Auktion die Hand, um einen Freund zu grüßen, und wird dabei fälschlicherweise als Bieter verstanden. Er hatte aber kein Erklärungsbewusstsein, da er nur grüßen, aber nichts rechtserhebliches erklären wollte.

Was sind die Rechtsfolgen, wenn kein Erklärungsbewusstsein vorliegt? Die Meinungen hierzu sind geteilt. Nach der Willenstheorie wäre in solchen Fällen keine Willenserklärung gegeben, da der Handelnde keine rechtserhebliche Erklärung abgeben wollte. Dies wird analog zu § 118 BGB begründet, der schon dann eine Erklärung für unwirksam hält, wenn der Erklärende sie nicht ernst meint und annimmt, dass der Empfänger dies versteht. Kritiker dieser Ansicht wenden ein, dass sie nur den Erklärenden schützt und keine Interessensabwägung erlaubt. Die vorzugswürdige herrschende Meinung folgt deshalb der Erklärungstheorie, die anhand des Verantwortungsprinzips differenziert. Danach ist eine Willenserklärung zunächst wirksam, wenn das Erklärungsbewusstsein fehlt, sofern der Erklärer die mögliche Deutung bei Beachtung der Sorgfalt deren Sinn hätte erkennen können. Wer durch eine Handlung vorwerfbar den Anschein einer Erklärung erweckt, muss dafür also grundsätzlich zunächst einstehen. Zu seinen Gunsten wird aber ein Anfechtungsgrund analog zum Erklärungsirrtum gem. § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB angenommen. In unserem Beispiel müsste also der „Bieter“, der seine Hand nur zum Gruß hob, den Vertrag notfalls anfechten. Der Empfänger der Willenserklärung wird dadurch geschützt, dass der Erklärer bei der Anfechtung gem. § 122 BGB ggf. zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet ist.

Der dritte Bestandteil des subjektiven Tatbestands ist der Geschäftswille. Dies meint den Willen, das konkret bestimmte Rechtsgeschäft abzuschließen, etwa einen Kaufvertrag über einen bestimmten Gegenstand zu einem bestimmten Preis. Anders als Handlungswille und Erklärungsbewusstsein ist der Geschäftswille jedoch kein notwendiger Bestandteil der Willenserklärung. Fehlt er, ist die Erklärung dennoch wirksam, sie kann jedoch gemäß §§ 119 ff. BGB angefochten werden. Ein typisches Beispiel wäre, wenn jemand versehentlich bei einer Auktion auf einen anderen Gegenstand bietet, als er eigentlich beabsichtigt hatte. Er wollte zwar bieten, aber meinte eigentlich einen anderen Gegenstand. Der Vertrag kommt zunächst wirksam zustande, doch der Bieter kann ihn wegen Irrtums anfechten.

Präge dir ein, dass der Handlungswille für jede Willenserklärung notwendig ist, während das Fehlen von Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille nur die Anfechtbarkeit auslöst.

Merke

Subjektiver Tatbestand der Willenserklärung: Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille

  1. Handlungswille: Bewusstsein zu handeln
    • Reflex, Bewegung im Schlaf, vis absoluta, Hypnose: Parallele zu Geschäftsunfähigkeit, § 105 BGB
    • Bei Fehlen keine Willenserklärung
  2. Erklärungsbewusstsein: Dass irgendetwas rechtserhebliches erklärt; z.B. nicht grüßendes Handheben bei Auktion („Trierer Weinversteigerung“)

    • Bei Fehlen Rechtsfolgen umstritten
      • Willenstheorie: Keine Willenserklärung analog § 118 BGB (Erst-recht-Schluss)
        • Schützt einseitig Erklärer, ermöglicht keine Interessensabwägung
      • h.M., Erklärungstheorie: Wirksamkeit nach Verantwortungsprinzip; wegen Vertrauensschutz wirksam, wenn Deutung bei pflichtgemäßer Sorgfalt erkennbar war (⇨ Fahrlässigkeit)
      • Nur Anfechtung analog § 119 I Alt. 2 BGB Vertrauensschaden gem. § 122 BGB zu ersetzen
      • Ausnahmsweise keine Willenserklärung, wenn keine Schutzwürdigkeit des Empfängers (z.B. weil fehlendes Erklärungsbewusstsein kannte, wegen arglistiger Täuschung)

  3. Geschäftswille: Konkretes Rechtsgeschäft abzuschließen; nicht notwendiger Bestandteil, da sonst Anfechtungsregeln leerlaufen würden
    • Bei Fehlen anfechtbar gem. §§ 119 ff. BGB

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Frage 1/3

A und B besuchen eine Kunstgalerie. Während B auf die Toilette muss, setzt sich der müde gewordene A in einen bestuhlten Nebenraum, um sich auszuruhen, ohne auf seine Umgebung zu achten. Als B zurückkehrt winkt ihm A zu, um B auf sich aufmerksam zu machen. Tatsächlich findet in dem Raum aber gerade eine Kunstauktion statt. Aufgrund seines Winkens wird A der Zuschlag für ein wertvolles Gemälde zu einem hohen Preis erteilt. War das Gebot des A wirksam?

Nein, es liegt schon keine Handlung des A vor.
Nein, es fehlt der Handlungswille.
Nein, es fehlt das Erklärungsbewusstsein.
Ja, aber A kann anfechten.
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