- Strafrecht
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Übergesetzlicher entschuldigender Notstand
Aktualisiert vor 7 Tagen
Was versteht man unter dem übergesetzlichen entschuldigenden Notstand?
Merke
Übergesetzlicher entschuldigender Notstand: Entschuldigung von Konstellationen, in denen Täter Leben nimmt, um weitaus höhere Zahl von Leben zu retten; Ausnahmefall aufgrund seelischen Drucks wegen unentrinnbarem Konflikt
- Eigener gewohnheitsrechtlich anerkannter ungeschriebener Entschuldigungsgrund: „Letzter Ausweg“, wenn rechtfertigender Notstand gem. § 34 StGB und entschuldigender Notstand gem. § 35 StGB nicht greifen
- Klausurrelevanz: Selten Anwendungsfälle, daher wenig relevant
In welchen Fällen greift der Übergesetzliche entschuldigende Notstand?
Merke
Fallgruppen des übergesetzlichen entschuldigenden Notstands
- Gefahrgemeinschaft: Mehrere Beteiligte in gemeinsamer Gefahr, von denen ein Teil „geopfert“ wird, um andere zu retten
- Symmetrische Gefahrgemeinschaft: Selbe Rettungschance für alle; z.B. im nationalsozialistischen Deutschland hatten Euthanasie-Ärzte 10 psychisch Kranke Menschen ausgewählt zur Deportation und Tötung in der Gaskammer, um 90 weitere zu retten („Euthanasieärzte-Fälle“)
- Asymmetrische Gefahrgemeinschaft: Rettungschancen nur für eine Gruppe auf Kosten der anderen; z.B. Terroristen haben Passagierflugzeug mit 100 Insassen entführt, um es auf Gebäude mit 1.000 Menschen stürzen zu lassen; Täter schießt Flugzeug ab (Insassen sterben), um Menschen im Gebäude zu retten
- Umverteilung von Risiken von großer gefährdeter Personengruppe auf bisher ungefährdete kleine Personengruppe; z.B. um Kollision zweier vollbesetzter Züge mit je 300 Insassen zu verhindern, lenkt Weichensteller den einen Zug um auf eine Nebenstrecke, auf der fünf Gleisarbeiter eine Reparatur durchführen („Weichenstellerfall“)
- Zulässigkeit umstritten
- M.M.: Keine Entschuldigung, da getroffene Personengruppe bisher ungefährdet („niemand hat das Recht ‚Gott zu spielen‘“)
- Hier keine kriminelle Energie, sondern Rettung beabsichtigt; Täter in auswegloser Lage
- h.M.: Entschuldigung, da vergleichbar mit Fallgruppe der Gefahrgemeinschaft
Unter welchen Voraussetzungen ist eine tatbestandsmäßige wegen übergesetzlichem entschuldigendem Notstand entschuldigt?
Merke
Voraussetzungen des übergesetzlichen entschuldigenden Notstands
- Notstandslage
- Gegenwärtige Lebensgefahr für Personenkreis außerhalb des § 35 StGB (nicht Täter oder nahestehende Personen)
- Entscheidungskonflikt des Täters: Entweder Tod der gefährdeten Person oder Gefahrabwendung durch aktive Rechtsverletzung außerhalb von § 34 StGB
- Notstandshandlung:
- Erforderlichkeit: Geeignet und relativ mildestes Mittel
- Ethisch geringeres Übel gewählt: z.B. Rettung vieler auf Kosten Einzelner; ohnehin todgeweihte Person geopfert
- Subjektives Element: Kenntnis der Gefahrenlage / Gefahrabwendungswille
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Frage 1/3
T lenkt einen Zug auf eine Nebenstrecke, um eine Kollision zweier vollbesetzter Züge zu verhindern, wobei fünf Gleisarbeiter auf der Nebenstrecke sterben. Welche Aussagen sind zutreffend?
T handelt strafbar, da er bewusst das Leben von fünf Menschen geopfert hat.
T könnte nach dem übergesetzlichen entschuldigenden Notstand entschuldigt werden, da er eine größere Gefahr abgewendet hat.
T ist entschuldigt, da er eine größere Gefahr abgewendet hat.
Der übergesetzliche entschuldigende Notstand ist nicht anwendbar, da die Gleisarbeiter zuvor gar nicht gefährdet waren.
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