- Zivilrecht
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- Störungen im Schuldverhältnis
Unmöglichkeit, § 275 BGB
Besteht eine Rechtspflicht zur Erbringung unmöglicher Leistungen?
Stell dir vor, du hast mit jemandem einen Vertrag geschlossen, aber die vereinbarte Leistung kann nicht mehr erbracht werden – etwa weil der Vertragsgegenstand zerstört wurde oder eine bestimmte Handlung objektiv unmöglich ist. Genau um solche Fälle geht es bei der Unmöglichkeit der Leistung im Sinne des § 275 BGB. Unmöglichkeit bedeutet, dass der geschuldete Leistungserfolg dauerhaft nicht mehr durch die Handlung des Schuldners herbeigeführt werden kann.
Die Folge einer solchen Unmöglichkeit ist, dass gem. § 275 BGB die primäre Leistungspflicht des Schuldners entfällt. Das bedeutet, dass der Schuldner von seiner Verpflichtung, die Leistung zu erbringen, mit sofortiger Wirkung befreit wird. Diese Wirkung tritt ex nunc ein, also ab dem Zeitpunkt, in dem das Leistungshindernis eingetreten ist. In unserem Beispiel wäre der Verkäufer ab dem Moment des Brandes nicht mehr zur Lieferung verpflichtet.
Doch nicht nur die Leistungspflicht des Schuldners entfällt, sondern auch der Anspruch des Gläubigers auf die Gegenleistung. Nach § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB muss der Gläubiger die vereinbarte Gegenleistung nicht mehr erbringen.
Unmöglichkeit: Dauerhafte Nichterbringbarkeit des Leistungserfolges durch Leistungshandlung des Schuldners
- Primäre Leistungspflicht entfällt, § 275 BGB: Ex-nunc Wirkung ab Eintritt des Leistungshindernisses
- Auch Gegenleistungsanspruch entfällt, § 326 I 1 Hs. 1 BGB
Was versteht man unter anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit? Wie unterscheiden sie sich in ihren Rechtsfolgen?
Bei der Unmöglichkeit unterscheidet man zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit. Doch was bedeutet das konkret und welche Rechtsfolgen ergeben sich daraus?
Zunächst zur anfänglichen Unmöglichkeit: Diese liegt nach §§ 311a, 275 BGB vor, wenn das Leistungshindernis bereits bei Vertragsschluss besteht. Das bedeutet, dass schon in dem Moment, in dem die Parteien ihren Vertrag schließen, die vereinbarte Leistung objektiv oder subjektiv unmöglich ist. Beispielsweise verkaufst du deinem Freund ein Gemälde welches aber bereits vor Vertragsschluss durch einen Wasserschaden unwiederbringlich zerstört wurde. In diesem Fall entsteht von Anfang an keine Leistungspflicht, da es unmöglich ist, die geschuldete Leistung zu erbringen. Es liegt somit von vornherein keine Pflichtverletzung vor, denn eine Pflicht kann nicht verletzt werden, wenn sie gar nicht erst entsteht. Es handelt sich um eine rechtshindernde Einwendung. Allerdings kannst du in einem solchen Fall gemäß § 311a Abs. 2 BGB trotzdem schadensersatzpflichtig werden, nämlich dann, wenn du bei Vertragsschluss wusstest oder fahrlässig nicht wusstest, dass die Leistung unmöglich ist und dein Vertragspartner dadurch einen Schaden erleidet.
Demgegenüber steht die nachträgliche Unmöglichkeit nach § 275 BGB, welche dann gegeben ist, wenn die Unmöglichkeit erst nach Vertragsschluss eintritt. Hier haben die Parteien also zunächst wirksam einen Vertrag geschlossen und eine Leistungspflicht ist entstanden. Erst später wird die Leistung unmöglich, beispielsweise wenn du deinem Freund ein bestimmtes Auto verkaufst, das nach Vertragsschluss bei einem Unfall völlig zerstört wird. In diesem Fall erlischt die ursprünglich entstandene Leistungspflicht aufgrund der nachträglich eingetretenen Unmöglichkeit. Es handelt sich also um eine rechtsvernichtende Einwendung. Auch hier kann ein Schadensersatzanspruch entstehen, und zwar auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB, wenn du die Unmöglichkeit zu vertreten hast. Hast du beispielsweise den Unfall, der nach Vertragsschluss zur Zerstörung des verkauften Autos führte, grob fahrlässig herbeigeführt, so kann dein Freund von dir Schadensersatz statt der Leistung verlangen.
Präge dir ein, dass bei der anfänglichen Unmöglichkeit gar keine Leistungspflicht entsteht, während bei der nachträglichen Unmöglichkeit eine ursprünglich bestehende Pflicht erlischt.
Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit
- Anfängliche Unmöglichkeit, §§ 311a, 275 BGB: Leistungshindernis bei Vertragsschluss vorliegend; keine Pflichtverletzung, da von vornherein keine Pflicht entsteht; rechtshindernd
- Schadensersatz statt Leistung gem. § 311a II BGB
- Nachträgliche Unmöglichkeit, § 275 BGB: Tritt nach Vertragsschluss ein; rechtsvernichtend
- Schadensersatz statt Leistung gem. §§ 280 I, III, 283 BGB
Welche Arten der Unmöglichkeit werden unterschieden?
Man unterscheidet drei verschiedene Arten der Unmöglichkeit in § 275 BGB, die jeweils unterschiedliche Voraussetzungen haben und in verschiedenen Situationen greifen.
Die erste Art ist die echte Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB. Hier ist der Leistungserfolg schon theoretisch nicht möglich. Das bedeutet, dass die Leistung unter keinen Umständen erbracht werden kann - weder vom Schuldner noch von irgendeiner anderen Person. Ein Beispiel ist der Verkauf eines Gemäldes, das bereits durch einen Wasserschaden zerstört ist. Niemand kann dieses spezifische Gemälde mehr liefern, da es schlichtweg nicht mehr existiert.
Die zweite Art ist die praktische Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 2 BGB. Hier wäre die Leistung theoretisch zwar möglich, aber der benötigte Aufwand steht in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers. Es geht also um eine wirtschaftliche Abwägung. Stelle dir vor, du hast einen Ring beim Schwimmen im Meer verloren. Theoretisch könnte man das gesamte Meeresgebiet durchsuchen, aber der Aufwand wäre unverhältnismäßig hoch im Vergleich zum Wert des Rings.
Die dritte Art ist die persönliche Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 3 BGB. Hier kann der Schuldner die Leistung aus persönlichen Gründen nicht erbringen, weil sie ihm unzumutbar ist. Es geht um höchstpersönliche Interessen des Schuldners, die schwerer wiegen als das Leistungsinteresse des Gläubigers. Ein Beispiel wäre eine Sängerin, die ein Konzert absagen muss, weil ihr Kind schwer erkrankt ist und ihre Betreuung benötigt.
Zentral ist also, dass Unmöglichkeit nicht nur eine faktische Nichterfüllbarkeit meint, sondern auch Fälle erfasst, in denen eine Leistung mit unverhältnismäßigem Aufwand oder unter unzumutbaren persönlichen Bedingungen erbracht werden müsste.
Arten der Unmöglichkeit
- Echte Unmöglichkeit, § 275 I BGB: Schon theoretisch kein Leistungserfolg möglich
- Praktische Unmöglichkeit, § 275 II BGB: Benötigter Aufwand in grobem Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers
- Persönliche Unmöglichkeit, § 275 III BGB: Aus persönlichen Gründen Leistungspflicht unzumutbar
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