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Unmöglichkeit: Wegfall der Gegenleistungspflicht, § 326 I 1 Hs. 1 BGB

Wegfall der GegenleistungspflichtGegenleistungGegenleistungspflichtAnspruchserhaltungBeiderseits zu vertretende Unmöglichkeit
Aktualisiert vor 2 Tagen

Muss der Gläubiger einer unmöglich gewordenen Leistung dennoch bezahlen? Hat er einen Anspruch, wenn er bereits im Voraus bezahlt hat?

Stell dir vor, du bestellst ein einzigartiges Kunstwerk, das der Künstler für dich anfertigen soll. Doch kurz bevor er es dir übergeben kann, zerstört ein Brand sein Atelier samt aller Materialien. Muss du den vereinbarten Preis trotzdem zahlen?

Grundsätzlich entfällt bei Unmöglichkeit der Leistung die Pflicht zur Gegenleistung. Das bedeutet, dass der Gläubiger der unmöglich gewordenen Leistung nicht mehr verpflichtet ist, die vereinbarte Zahlung zu leisten. Das ergibt sich aus § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB. Wenn die Leistung also unmöglich wird, erlischt die damit verbundene Entlohnungsforderung des Schuldners. Bezogen auf unser Beispiel heißt das: Der Künstler kann sein Kunstwerk nicht mehr liefern, also musst du auch nicht mehr zahlen.

Aber was ist, wenn du bereits im Voraus gezahlt hast? In diesem Fall kannst du dein Geld zurückfordern. Denn gemäß §§ 326 Abs. 4, 346 ff. BGB besteht ein Rückforderungsanspruch, wenn die Entlohnung bereits bewirkt wurde. Übertragen auf das Kunstwerk bedeutet das: Falls du dem Künstler schon Geld gegeben hattest, kannst du dieses zurückverlangen, weil er nicht mehr leisten kann.

Zusammengefasst: Wird eine Leistung unmöglich, entfällt die Pflicht zur Gegenleistung nach § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB, und falls die Zahlung schon erbracht wurde, kann sie nach §§ 326 Abs. 4, 346 ff. BGB zurückgefordert werden.

Merke

Wegfall der Gegenleistungspflicht bei Unmöglichkeit der Leistung, § 326 I 1 Hs. 1 BGB

  • Entlohnungsforderung entfällt, § 326 I 1 Hs. 1 BGB
  • Rückforderung, §§ 326 IV, 346 ff. BGB, soweit Entlohnung bereits bewirkt

Muss der Gläubiger dennoch bezahlen, wenn er für die Unmöglichkeit verantwortlich ist oder sich im Annahmeverzug befindet? Gibt es Ausnahmen?

Grundsätzlich entfällt bei Unmöglichkeit die Gegenleistungspflicht gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB. Das bedeutet, dass der Gläubiger nicht mehr bezahlen muss, wenn die Leistung des Schuldners unmöglich geworden ist. Allerdings gibt es wichtige Ausnahmen, bei denen der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung bestehen bleibt, insbesondere die Anspruchserhaltung nach § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 und Alt. 2 BGB

So bleibt der Anspruch auf die Gegenleistung erhalten, wenn der Gläubiger die Unmöglichkeit allein oder überwiegend zu vertreten hat. Dies regelt § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB. Maßgeblich ist hier eine Verantwortlichkeit des Gläubigers, die analog zu § 276 BGB beurteilt wird. Für die Abwägung sind aber auch die Risikosphären der Parteien relevant. Ein Beispiel: Ein Maler soll das Haus des Gläubigers streichen, doch der Gläubiger reißt das Haus vor Beginn der Arbeiten eigenmächtig ab. In diesem Fall hat der Gläubiger die Unmöglichkeit selbst herbeigeführt, sodass er weiterhin die vereinbarte Vergütung zahlen muss.

Der Anspruch auf die Gegenleistung bleibt auch erhalten, wenn der Gläubiger sich im Annahmeverzug befindet und der Schuldner die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat. Diese Regelung findet sich in § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB. Hierbei hat der Schuldner lediglich grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, wie § 300 Abs. 1 BGB klarstellt. Stell dir vor, du hast einen Tisch beim Schreiner in Auftrag gegeben und vereinbart, ihn an einem bestimmten Tag abzuholen. Am Abholtag erscheinst du jedoch nicht, obwohl der Schreiner den Tisch fertiggestellt hat. Einige Tage später verursacht der Schreiner leicht fahrlässig eine Überschwemmung in seiner Werkstatt, wodurch auch dein Tisch unrettbar beschädigt wird. Trotzdem musst du den vereinbarten Kaufpreis zahlen, denn du befindest dich im Annahmeverzug und der Schreiner hat die Unmöglichkeit nicht zu vertreten. Er hat sie zwar leicht fahrlässig verursacht, aber dadurch, dass du im Annahmeverzug bist, haftet er gem. § 300 Abs. 1 BGB nur für grobe Fahrlässigkeit.

Daneben gibt es spezielle Ausnahmen für bestimmte Vertragsarten. Beim Kaufvertrag regeln §§ 446, 447 BGB, dass die Gefahr unter bestimmten Umständen auf den Käufer übergeht, sodass er weiterhin zur Zahlung verpflichtet bleibt. Beim Werkvertrag sind §§ 644, 645 BGB einschlägig, die eine Risikoverteilung je nach Stadium der Werkleistung vorsehen. Beim Dienstvertrag greifen §§ 615, 616 BGB, die eine Vergütungspflicht trotz Unmöglichkeit in bestimmten Fällen aufrechterhalten.

Zentral ist also, dass der Anspruch auf die Gegenleistung bestehen bleibt, wenn das Gesetz Ausnahmen vorsieht, insbesondere, wenn der Gläubiger die Unmöglichkeit zu verantworten hat oder sich im Annahmeverzug befindet.

Merke
  • Ausnahmen
    • Anspruchserhaltung, § 326 II 1 Alt. 1 und Alt. 2 BGB
      • Wenn Gläubiger allein oder überwiegend verantwortlich, § 326 II 1 Alt. 1 BGB: Analog § 276 BGB (analog, weil nicht Schuldner, sondern Gläubiger betreffend), Abwägung aber auch nach Risikosphären
      • Wenn Gläubiger im Annahmeverzug und Schuldner hat nicht zu vertreten, § 326 II 1 Alt. 2 BGB, Schuldner hat dabei nur grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, § 300 I BGB
    • Ausnahmen bei Kaufverträgen, §§ 446, 447 BGB
    • Ausnahmen bei Werkverträgen gem. §§ 644, 645 BGB
    • Ausnahmen bei Dienstverträgen gem. §§ 615, 616 BGB

Was passiert, wenn sowohl Gläubiger als auch Schuldner für die Unmöglichkeit verantwortlich sind?

Was passiert, wenn sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten haben? Stell dir vor, der Gläubiger befindet sich im Annahmeverzug, das heißt, er nimmt die geschuldete Leistung nicht an, obwohl sie ordnungsgemäß angeboten wurde. Gleichzeitig handelt der Schuldner grob fahrlässig und macht die Leistung dadurch unmöglich. In einem solchen Fall ist die Unmöglichkeit beiderseits zu vertreten. In diesem Fall ist nur ein Merkmal des § 326 Abs. 2 Alt. 2 BGB erfüllt, nämlich der Annahmeverzug des Gläubigers, aber es fehlt an der zweiten Voraussetzung, dass der Schuldner nicht zu vertreten hat. Wie wirkt sich das auf die Gegenleistungspflicht aus?

In der rechtlichen Beurteilung dieser Situation gibt es unterschiedliche Ansichten. Nach einer streng am Wortlaut orientierten Auslegung würde die Gegenleistung gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB entfallen. Das bedeutet, der Gläubiger müsste nicht mehr leisten. Allerdings hätte er trotzdem einen Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB wegen der eingetretenen Unmöglichkeit. Diese strenge Wortlautauslegung ist jedoch abzulehnen. Der Hauptkritikpunkt ist, dass ein solches "Alles oder Nichts"-Prinzip unsachgemäß erscheint, da beide Parteien für die Unmöglichkeit mitverantwortlich sind. Es erscheint ungerecht, wenn der Gläubiger einerseits von seiner Leistungspflicht befreit wird und andererseits noch Schadensersatz verlangen kann, obwohl er selbst zur Unmöglichkeit beigetragen hat.

Die Rechtsprechung vertritt daher eine andere Ansicht. Nach der Rechtsprechung bleibt die Gegenleistungspflicht des Gläubigers bestehen. Er muss also weiterhin seine Leistung erbringen. Gleichzeitig behält er aber seinen Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB. Durch diese Lösung wird die Mitverantwortung beider Parteien angemessener berücksichtigt.

Um das an unserem Beispiel zu verdeutlichen: Nach der Rechtsprechung müsstest du als Käufer den Kaufpreis für das Gemälde trotz der Unmöglichkeit zahlen, könntest aber gleichzeitig Schadensersatz wegen der grob fahrlässigen Beschädigung verlangen. So wird die geteilte Verantwortung beider Parteien berücksichtigt.

Bei beiderseits zu vertretender Unmöglichkeit bleibt nach der Rechtsprechung die Gegenleistungspflicht also bestehen, während gleichzeitig ein Schadensersatzanspruch des Gläubigers anerkannt wird.

Merke

Beiderseits zu vertretende Unmöglichkeit: z.B. Gläubiger im Annahmeverzug und Schuldner handelt grob fahrlässig (nur ein Merkmal des § 326 II Alt. 2 BGB erfüllt)

  • Streng nach Wortlaut: Gegenleistung entfällt gem. § 326 I 1 Hs. 1 BGB, aber Schadensersatzanspruch des Gläubigers gem. §§ 280 I, III, 283 BGB wegen Unmöglichkeit
    • Wertung: „Alles oder Nichts“-Prinzip unsachgemäß, da beide Teile mitverantwortlich
  • Rspr.: Gegenleistung bleibt geschuldet, aber Schadensersatzanspruch des Gläubigers gem. §§ 280 I, III, 283 BGB

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Frage 1/7

A kauft das gebrauchte Fahrrad der B. Bevor es zur Übergabe kommt, wird das Fahrrad gestohlen. Kann A Übereignung und Übergabe verlangen?

Nein, der Anspruch ist erloschen.
Nein, aber ggf. Rückerstattung des bereits gezahlten Kaufpreises.
Ja, B muss sich ein Fahrrad gleicher Art und Güte besorgen, um an A zu leisten.
Nein, aber B schuldet Schadensersatz.
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