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Verkäuferregress, § 445a BGB
An wen kann sich der Verkäufer wenden, wenn der Käufer eine mangelhafte Ware bei ihm reklamiert hat?
Der Verkäuferregress oder Rückgriff des Verkäufers ist in § 445a BGB geregelt. Hier geht es um die Frage, ob und an wen sich der Verkäufer wenden kann, wenn der Käufer eine mangelhafte Ware bei ihm reklamiert hat, die er selbst von einem Großhändler oder direkt vom Hersteller erworben hat.
Zunächst einmal ist festzuhalten: Der Verkäufer kann seinen Lieferanten gem. § 445a BGB in Regress nehmen, wenn er vom Käufer gemäß den §§ 434 ff. BGB, also wegen der Mängelhaftung, in Anspruch genommen wurde.
Lass mich das an einem Beispiel verdeutlichen: Stell dir vor, du kaufst bei einem Händler einen Fernseher, der einen Mangel aufweist. Du reklamierst den Mangel beim Händler und dieser muss dir gemäß der Mängelhaftungsregeln Abhilfe schaffen, etwa durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung. In diesem Fall kann der Händler, also der Verkäufer, seinerseits den Rückgriff gegen seinen Lieferanten nehmen, von dem er den Fernseher bezogen hat. Er kann also die Kosten für die Mängelbeseitigung vom Lieferanten ersetzt verlangen.
Allerdings muss dafür sowohl zwischen Käufer und Verkäufer als auch zwischen Verkäufer und Lieferant ein Kaufvertrag vorliegen. § 445a BGB findet insbesondere keine analoge Anwendung auf Werkunternehmer. Das heißt, wenn zum Beispiel ein Fliesenleger für seinen Kunden Fliesen anfertigen lässt, die mangelhaft sind und der Besteller diese ihm gegenüber reklamiert, kann der Fliesenleger nicht gegen den Hersteller der Fliesen vorgehen. Es gibt auch kein spezielles „Verbraucherwerkvertragsrecht“.
Kurz gesagt: Der Verkäuferregress ist die zentrale Möglichkeit für den Verkäufer, sich die Kosten für die Mängelbeseitigung vom Lieferanten erstatten zu lassen.
Verkäuferregress / Rückgriff des Verkäufers ggü. Lieferant, § 445a BGB: Verkäufer kann seinen Lieferanten in Regress nehmen, wenn er vom Käufer gem. §§ 434 ff. BGB in Anspruch genommen wurde
- Allerdings nur wenn Kaufvertrag sowohl zwischen Käufer und Verkäufer, als auch zwischen Verkäufer und Lieferant
- Keine analoge Anwendung des § 445a BGB auf Werkunternehmer: z.B. kein Regress, wenn Fliesenleger mangelhafte Fliesen bei Hersteller kauft und Besteller diese ihm ggü. reklamiert
Welche Anspruchsgrundlage hat der Verkäufer gegen seinen Lieferanten?
Beim Verkäuferregress gibt es zwei mögliche Anspruchsgrundlagen für den Verkäufer: Erstens den selbständigen Regressanspruch aus § 445a Abs. 1 BGB. Dieser Anspruch steht dem Verkäufer direkt gegen den Lieferanten zu, wenn der Käufer Mängelansprüche geltend gemacht hat.
Zweitens kann der Verkäufer aber auch die modifizierten Gewährleistungsansprüche aus den §§ 437, 445a Abs. 2 BGB gegen den Lieferanten geltend machen. Das sind im Grunde die normalen Mängelansprüche aus dem Kaufvertrag zwischen Verkäufer und Lieferant, aber mit der Besonderheit, dass der Verkäufer keine Frist zur Nacherfüllung setzen muss. Er kann also direkt Rücktritt oder Minderung verlangen.
Allerdings gilt hier eine wichtige Einschränkung: Diese Ansprüche bestehen nur, soweit der Mangel auch im Verhältnis zwischen Verkäufer und Lieferant vorliegt. Wenn die Parteien zum Beispiel eine sogenannte negative Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben, dass die Ware als "B-Ware" verkauft wird, liegt im Verhältnis dieser beiden Parteien gar kein Mangel vor. Wenn der Verkäufer seinen Käufer nicht über die Verarbeitungsfehler aufklärt, begründet das zwar ein Mangel im Verhältnis zu seinem Käufer, nicht aber zwischen Verkäufer und Lieferant.
Eine weitere Besonderheit ist, dass gem. § 445a Abs. 4 BGB die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit aus § 377 HGB zwischen Verkäufer und Lieferant unberührt bleibt. Der Verkäufer muss die Ware also unverzüglich nach Ablieferung untersuchen und etwaige Mängel gegenüber dem Lieferanten rügen, soweit es sich um einen Handelskauf handelt.
Zusammengefasst hat der Verkäufer also zwei Anspruchsgrundlagen gegen seinen Lieferanten, wenn der Käufer Mängelansprüche geltend macht: Den selbständigen Regressanspruch und die modifizierten Gewährleistungsansprüche, letztere allerdings nur soweit der Mangel auch im Verhältnis zum Lieferanten besteht.
Regressanspruch kann auf zwei Anspruchsgrundlagen gestützt werden
- Selbständiger Regressanspruch, § 445a I BGB
- Modifizierte Gewährleistungsansprüche, §§ 437, 445a II BGB: Ohne Fristsetzung; Gewährleistungsansprüche aus eigenem Kaufvertrag mit Lieferant
- Aber nur, soweit Mangel auch im Verhältnis zwischen Verkäufer und Lieferant: z.B. nicht, wenn zwischen diesen eine negative Beschaffenheitsvereinbarung besteht; z.B. Lieferant verkauft Ware als „B-Ware“; Verkäufer weist Käufer nicht auf Verarbeitungsfehler hin (Mangel dann nur im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, aber nicht zwischen Verkäufer und Lieferant)
- Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gem. § 377 HGB unberührt, § 445a IV BGB: Gilt zwischen Verkäufer und Lieferant, sofern Geschäft ein Handelskauf
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Kann der Lieferant wiederum seinen Lieferanten in Regress nehmen? Was ist, wenn dessen Lieferant die Sache im Rahmen eines Werkvertrags selbst hergestellt hat?
Stell dir folgende Situation vor: Ein Endkunde kauft ein Produkt vom Einzelhändler. Dieser hat die Ware jedoch vom Großhändler bezogen, der sie wiederum vom Hersteller erworben hat. Wenn nun ein Mangel an der Ware auftritt, kann der Endkunde zunächst einmal Ansprüche gegen den Einzelhändler geltend machen. Doch was passiert dann? Kann der Einzelhändler die Kosten für die Mängelbeseitigung auf seinen Lieferanten, den Großhändler, abwälzen? Und kann dieser wiederum Regress beim Hersteller nehmen?
Genau dafür ist der Verkäuferregress geschaffen worden. Nach § 445a Abs. 3 BGB gilt die Regelung des Verkäuferregresses nicht nur für den unmittelbaren Lieferanten, sondern für die gesamte Lieferkette. Das bedeutet: Jeder Verkäufer in der Kette kann die Ansprüche, die der Endkunde gegen ihn geltend gemacht hat, auf seinen eigenen Lieferanten abwälzen. So wandern die Mängelansprüche sozusagen die Lieferkette nach oben, bis sie schließlich beim ersten Lieferanten oder Hersteller ankommen.
Gilt auch für vorherige Käufe in Lieferkette, § 445a III BGB
In welchem Zeitraum verjähren die Ansprüche des Verkäufers gegen seinen Lieferanten?
Stell dir vor, du kaufst im Dezember 2023 bei einem Händler ein neues Motorrad. Noch im selben Monat bemerkst du, dass der Motor defekt ist, und du meldest diesen Mangel dem Händler. Dieser Händler wiederum verlangt seinerseits Nachlieferung bei seinem Lieferanten. Die Prüfung und Reparatur ziehen sich jedoch länger hin, da Ersatzteile schwer zu bekommen sind. Erst im Januar 2026 – also über zwei Jahre später – gelingt es dem Händler endlich, dein Motorrad fachgerecht zu reparieren.
Nun stellt sich für den Händler die Frage: Kann er vom Lieferanten überhaupt noch Gewährleistungsansprüche geltend machen, oder sind diese mittlerweile verjährt?
Grundsätzlich verjähren Ansprüche des Händlers gegen seinen Lieferanten gemäß § 445b Abs. 1 BGB nach zwei Jahren. Allerdings sieht das Gesetz in § 445b Abs. 2 BGB eine Ablaufhemmung vor, die verhindert, dass die Verjährungsfrist bereits abläuft, bevor der Händler die Ansprüche des Endkunden erfüllt hat. Die Verjährung tritt danach frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt ein, zu dem der Händler die Ansprüche des Endkunden abschließend erfüllt hat.
In unserem Beispiel bedeutet dies konkret: Obwohl normalerweise die Verjährung eigentlich mit Ablauf des Jahres 2025 eingetreten wäre, bleibt die Frist wegen der Ablaufhemmung bis Januar 2026 bestehen. Damit endet die Frist frühestens im März 2026. Der Händler hat somit auch nach der langwierigen Reparatur noch genügend Zeit, um seine Gewährleistungsansprüche gegen den Lieferanten geltend zu machen.
Merk dir also: Die Verjährung der Ansprüche des Händlers gegen seinen Lieferanten tritt frühestens zwei Monate ein, nachdem er die Ansprüche des Endkunden erfüllt hat.
Verjährung, § 445b BGB
- Grds. 2 Jahre, § 445b I BGB
- Ablaufhemmung bis Ansprüche ggü. Endkunden erfüllt, § 445b II BGB
Wie wirkt es sich aus, wenn beim Letztverkauf ein Unternehmer an einen Verbraucher verkauft?
Lass uns einen Blick auf die Situation werfen, wenn ein Unternehmer beim letzten Verkauf an einen Verbraucher verkauft. Hier gelten die Sonderbestimmungen für den Verbrauchsgüterkauf nach § 478 BGB. Eine besonders wichtige Regelung ist dabei, dass die Beweislastumkehr nicht nur zugunsten des Verbrauchers, sondern auch zugunsten des Verkäufers gilt.
Angenommen, du kaufst als privater Verbraucher ein Motorrad beim Händler, das nach einigen Monaten plötzlich Öl verliert. Grundsätzlich profitierst du beim Verbrauchsgüterkauf von der Beweislastumkehr nach § 477 BGB: Tritt der Mangel innerhalb eines Jahres nach Übergabe auf, wird vermutet, dass er schon bei Übergabe vorhanden war. Du musst diesen Umstand nicht beweisen, vielmehr liegt die Beweislast beim Verkäufer.
Interessant ist aber, was geschieht, wenn der Verkäufer die Ware seinerseits von einem Lieferanten bezogen hat. In diesem Fall kommen dem Verkäufer besondere Schutzvorschriften aus § 478 BGB zugute. Konkret besagt § 478 Abs. 1 BGB, dass die Beweislastumkehr des § 477 BGB auch zugunsten des Verkäufers gilt, wenn er Ansprüche gegen seinen Lieferanten geltend macht. Die gesetzliche Vermutung hilft dem Verkäufer also dabei, seine Gewährleistungsansprüche gegenüber seinem Lieferanten durchzusetzen.
Mehr noch: Gemäß § 478 Abs. 3 BGB profitieren sogar die weiteren Glieder in der Lieferkette von dieser Beweislastumkehr. Damit sind letztlich auch Großhändler und Hersteller in der Pflicht, zu beweisen, dass die Ware zum Zeitpunkt ihrer Lieferung mangelfrei war.
Kurz gesagt: Beim Verbrauchsgüterkauf gilt die Beweislastumkehr nicht nur für den Käufer, sondern schützt auch den Verkäufer und die gesamte Lieferkette.
Sonderbestimmungen bei Verbrauchsgüterkauf, § 478 BGB
- Insb. gilt Beweislastumkehr auch zugunsten des Verkäufers, § 478 III BGB
Was musst du über die geschichtliche Entwicklung des Verkäuferregresses wissen?
Ein bisschen Rechtsgeschichte: Bis zum 1. Januar 2018 gab es die Möglichkeit des Verkäuferregresses nur im Verbrauchsgüterkaufrecht. Damals konnte der Verkäufer nur dann Rückgriff gegen seinen Lieferanten nehmen, wenn es sich bei dem ursprünglichen Kaufvertrag um einen Verbrauchsgüterkauf gegenüber einem Endkunden handelte.
Seit dem 1. Januar 2018 hat sich die Rechtslage jedoch geändert. Seitdem steht die Rückgriffsmöglichkeit des Verkäufers nach § 445a BGB bei allen Kaufverträgen offen - unabhängig davon, ob es sich um einen Verbraucher- oder Unternehmerkauf handelt.
Rechtsgeschichte: Seit 1.1.2018 Rückgriffsmöglichkeit bei allen Kaufverträgen (zuvor nur, wenn ggü. Endkunden Verbrauchsgüterkauf vorlag)
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Hersteller H verkauft Einzelhändler E fehlerhafte Jeans als sog. B-Ware. E verschweigt jedoch beim Weiterverkauf die Verarbeitungsfehler ggü. dem Kunden K. K bemerkt diese nach einigen Tagen und gibt die Jeans in Ausübung seiner Mängelrechte zurück. Stehen E entsprechende Regressansprüche gegen H zu?
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