- Strafrecht
- Allgemeiner Teil des StGB
- Aufbau der Grunddeliktarten
Versuchtes Delikt, §§ 22, 23 I StGB
Was versteht man unter einem Versuch?
Versuchsdelikt: Täter fasst den Entschluss, eine Straftat zu begehen, unternimmt auch eine Handlung, aber verursacht nicht den (vollständigen) Erfolg
- Normzitat des Versuchsdelikts: Hinter der Strafnorm werden die §§ 22, 23 I StGB angefügt; z.B. versuchte Körperverletzung gem. §§ 223 I, 22, 23 I StGB
- Versuch trotz Erfolg möglich: Auch wenn der Erfolg am Ende eintritt, aber nicht kausal und objektiv zurechenbar durch die Handlung des Täters verursacht wurde, scheitert das Vollendungsdelikt bei der Kausalität oder objektiven Zurechnung und es ist ein Versuch zu prüfen; z.B. T versucht, O zu erwürgen, aber O stirbt währenddessen durch eine zuvor erfolge Selbstinjektion von Gift (Suizid)
Wie lautet das grobe Prüfungsschema beim Versuchsdelikt?
Prüfungsschema beim Versuchsdelikt
- Vorprüfung
- Keine (zurechenbare) Vollendung
- Versuchsstrafbarkeit, § 23 I StGB
- Verbrechen, § 12 I StGB: Versuch stets strafbar, § 23 I StGB
- Vergehen, § 12 II StGB: Versuch nur strafbar, wenn gesetzlich angeordnet; z.B. versuchter Diebstahl strafbar gem. § 242 II StGB
- Im Assessorexamen (zweites Staatsexamen) keine Vorprüfung mehr erforderlich, da die Nichtvollendung keine Strafbarkeitsvoraussetzung des Versuchs ist und es eine Selbstverständlichkeit darstellt, dass nur eine strafbares Delikt geprüft wird (strafbarkeitsbegründende Normen ergeben sich aus Überschrift)
- Tatbestand
- Tatentschluss (subjektiver Tatbestand)
- Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB (objektiver Tatbestand)
- „Umgekehrter“ Aufbau: Der subjektive Tatbestand wird beim Versuch vor dem objektiven Tatbestand geprüft
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
- Rücktritt, § 24 StGB: Persönlicher Strafaufhebungsgrund
- Immer anprüfen, selbst wenn eindeutig nicht erfüllt (dann nur in einem Satz)
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Wie prüft man den Tatbestand beim versuchten Delikt im Detail?
Tatbestand beim Versuchsdelikt
- Beim Versuch wird die Prüfungsreihenfolge im Tatbestand umgedreht: Der subjektive Tatbestand (Tatentschluss) wird vor dem objektiven Tatbestand (unmittelbares Ansetzen) geprüft
- Tatentschluss (subjektiver Tatbestand)
- Unbedingter Handlungswille: Auch wenn Bedingungen auf die Täter keinen Einfluss (z.B. „Ich töte sie, wenn sie nicht zu mir zurückkommt“)
- Lediglich Tatgeneigtheit: Bedingter Handlungswille, wenn Täter Einfluss auf Bedingung hat
- Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale: Inkl. Kausalität und objektive Zurechnung
- Beim Versuch werden die objektiven Tatbestandsmerkmale im subjektiven Tatbestand nach der Vorstellung des Täters geprüft; gefragt ist also nicht, ob die Tatbestandsmerkmale verwirklicht wurden (dann läge kein Versuchsdelikt, sondern ein vollendetes Delikt vor), sondern ob der Täter sie verwirklichen wollte
- Ggf. besondere subjektive Tatbestandsmerkmale: z.B. Zueignungsabsicht beim Diebstahl; z.B. Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe
- Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB (objektiver Tatbestand): Subjektiv-objektive Theorie (g.h.M.) kombiniert Ansätze der Zwischenakts- und der Sphärentheorie mit der „Jetzt-geht’s-los-Formel“
- Subjektiv Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überwunden
- Objektiv (auf Grundlage des Tatplans) keine weiteren erheblichen Zwischenschritte oder zeitliche Zäsur zur Verwirklichung nötig, das Angriffsobjekt also bereits konkret gefährdet (fehlt insb., wenn nach Vorstellung des Täters Opfer sich noch nicht räumlich und zeitlich genähert hat, obwohl dies für Erfolg erforderlich)
- Unproblematisch wenn bereits Teilverwirklichung: Wenn begonnen, Merkmale des objektiven Tatbestands zu verwirklichen
- Beginn der Verwirklichung eines Regelbeispiels zumindest Indiz für unmittelbares Ansetzen (z.B. Einbrechen)
Ist ein Verhalten auch strafbar, wenn der Täter irrtümlich glaubt, dadurch einen Straftatbestand verwirklichen zu können, obwohl ihm dies gar nicht möglich ist? Ist es strafbar einen Tatbestand in unmöglicher Weise durch Magie verwirklichen zu wollen?
Untauglicher Versuch: Täter glaubt irrtümlich, einen Tatbestand verwirklichen zu können, obwohl ihm dies nicht möglich ist; z.B. Tötungsversuch durch Schuss mit ungeladener Pistole; z.B. Backpulver schlucken zum Versuch eines Schwangerschaftsabbruchs
- Strafbar, aus Umkehrschluss aus § 23 III StGB: Da Rechtsordnung nach äußerem Anschein dennoch erschüttert
Abergläubischer Versuch / irrealer Versuch: Versuch der Tatbestandsverwirklichung durch Magie, Zauberei, Verhexen, übersinnliche Kräfte, Voodoo oder andere nicht naturwissenschaftlich belegbare Phänomene; z.B. Tötungsversuch durch Zauberspruch
- h.M.: Nicht strafbar, da mangels geeigneten Mittels nicht von Vorsatz ausgegangen wird
- Kein Unterschied zu grob unverständigem untauglichen Versuch, der ebenfalls nie zum Ziel führen kann
Ist der Versuch einer Qualifikation oder eines Regelbeispiels strafbar?
Versuch von Qualifikation und Regelbeispiel
- Versuch der Vorsatzqualifikation: Unproblematisch möglich
- Versuch der Erfolgsqualifikation: Anerkannt, wenn Grunddelikt strafbar (vollendet oder versucht mit Versuchsstrafbarkeit)
- Kein Versuch eines Regelbeispiels
- Regelbeispiel muss immer voll verwirklicht sein
- Regelbeispiel ist kein Tatbestandsmerkmal, sondern nur Strafzumessungsregel; Versuch eines Strafschärfungsgrunds ist aber nicht normiert, die Anwendung der §§ 22 ff. StGB verstieße gegen Analogieverbot gem. Art. 103 II GG, § 1 StGB
- Aber versuchtes Delikt mit vollendetem Regelbeispiel möglich als schwerer Fall des versuchten Delikts
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