- Strafrecht
- Allgemeiner Teil des StGB
- Aufbau der Grunddeliktarten
Versuchtes Delikt: Rücktritt, § 24 StGB
Was versteht man unter dem Rücktritt vom Versuch?
Rücktritt, § 24 StGB: Persönlicher Strafaufhebungsgrund
- Immer anprüfen, selbst wenn eindeutig nicht erfüllt (dann nur in einem Satz)
- Ausnahmsweise Rücktritt trotz (späteren) Erfolgseintritts prüfen: z.B. zunächst Mordversuch (Tötungsversuch mit Mordmerkmal), davon zurückgetreten, später mit neuem Tatentschluss Totschlag vollendet ⇨ Strafbarkeit nur wegen vollendeten Totschlags
- Rspr.. bei Rücktritt sehr täterfreundlich (≠ anders als etwa bei Auslegung von Tatbestandsmerkmalen)
- Persönlicher Strafaufhebungsgrund ⇨ Wirkt nicht für andere Beteiligte
- Zweck der Strafbefreiung beim Rücktritt
- Verdienstlichkeitstheorie: Honorierung des Verdiensts des Täters in die Legalität zurückzukehren
- Opferschutz: Anreiz Tat aufzugeben
Wie prüft man den Rücktritt vom Versuch im Detail?
Prüfungsschema des Rücktritts, § 24 StGB
- Kein subjektiv fehlgeschlagener Versuch: Täter glaubt mit den ihn zur Verfügung stehenden Mitteln Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur (≠ für immer ausgeschlossen) vollenden zu können
- Rücktrittshandlung: Abgrenzung ob aus Tätersicht beendeter Versuch, also ob Täter bereits alles Nötige zur Erfolgserreichung ohne zeitliche Zäsur (≠ für immer ausgeschlossen) getan hat (⇨ subjektiv beendeter Versuch)
- Unbeendeter Versuch, § 24 I Var. 1 StGB
- Strafbefreiung durch bloßes, passives Aufgeben der Tat: Aufgeben der konkreten Tat, z.B. neuer Vorsatz bzgl. neuer Tat gefasst (vorige Tat aufgegeben) wenn beschlossen Tat später (nach zeitlicher Zäsur) zu verwirklichen
- Beendeter Versuch, § 24 I Var. 2 StGB und Beteiligung mehrerer, § 24 II 1 StGB
- Strafbefreiung nur durch aktive Verhinderung der Vollendung: (Mit-)ursächliche Handlung für Verhinderung; bei Beteiligung mehrerer kann Verhindern auch in Aufgeben der Tat durch Zentralfigur bestehen, ohne die keine Vollendung
- Wenn ohne Zutun des Täters ebenfalls keine Vollendung eintreten würde
- Strafbefreiung durch ernsthaftes Bemühen, § 24 I 2, II 2 StGB: z.B. bei untauglichem Versuch; alle Täter dem bekannten aus seiner Sicht zur Verhinderung erforderlichen Möglichkeiten ausgeschöpft
- Ggf. Korrektur des Rücktrittshorizontes bei rasch korrigiertem Irrtum darüber, ob beendeter Versuch vorliegt
- Freiwilligkeit des Rücktritts
- Frank’sche Formel: Wenn Täter denkt „Ich will nicht vollenden, selbst wenn ich könnte“ und nicht „Ich kann nicht vollenden, selbst wenn ich wollte“
- Viel zu weit
- Lehre von der Verbrechervernunft: Wenn nach „Verbrechervernunft“ nicht zwingend geboten
- Kaum objektiv hilfreiche Kriterien
- Lehre von den autonomen und heteronomen Motiven
- Autonome Motive (selbstbestimmt): Aufgrund innerer, selbstbestimmter Überlegungen; erfordert Tätersicht realistischer Entscheidungsspielraum; z.B. Gewissensbisse, Reue, Scham, Angst vor Strafe
- Heteronome Motive (fremdbestimmt): Täter fühlt sich gezwungen, insb. Sachlage wesentlich zu seinen Ungunsten geändert; z.B. Sorge um sich oder Angehörige
- Beispiel: z.B. von weiteren Schlägen ablassen, um Anzug vor Blutspritzern zu schützen freiwillig, um eigene Gesundheit zu schützen unfreiwillig
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Wie verhält es sich, wenn der Täter kurzzeitig im Irrtum ist, ob der Versuch beendet ist, dann aber seinen Irrtum erkennt?
Korrektur des Rücktrittshorizonts (Vorstellung des Täters) bei rasch korrigiertem Irrtum darüber, ob beendeter Versuch vorliegt
- Zugunsten des Täters, wenn Täter irrig denkt, alles Nötige getan zu haben, dann in engem zeitlichem Zusammenhang Irrtum erkennt, dass es nicht so ist
- Eigentlich subjektiv beendeter Versuch (aktives Verhindern erforderlich)
- Aber wegen Korrektur der Vorstellung Rücktritt vom unbeendeten Versuch möglich (passives Aufgeben der Tat ausreichend)
- Zulasten des Täters, wenn Täter irrig denkt, noch nicht alles Nötige getan zu haben, dann in engem zeitlichem Zusammenhang Irrtum erkennt, dass es nicht so ist
- Eigentlich subjektiv unbeendeter Versuch (passives Aufgeben der Tat ausreichend)
- Aber wegen Korrektur der Vorstellung nur Rücktritt vom beendeten Versuch möglich (aktives Verhindern erforderlich)
Wie bemisst man, ob der Täter beim beendeten Versuch die Vollendung verhindert hat?
Maßstab für Verhinderung der Vollendung beim beendeten Versuch
- M.M.: Optimales Verhinderungsverhalten erforderlich
- Opferschutz
- Verhinderung muss „Werk des Täters“ sein nach Kriterien der objektiven Zurechnung
Wie bemisst man ob ein Versuch fehlgeschlagen oder beendet ist, wenn der Täter von mehreren notwendigen Teilakten noch nicht alle ausgeführt hat?
Maßstab für fehlgeschlagenen oder beendeten Versuch beim mehraktigen Versuch: z.B. mehrere Messerstiche gehen fehl, von möglichen weiteren abgelassen; z.B. Eindringen durch Tür unmöglich wegen Passanten, dann festgestellt, dass durch Hintertür möglich, aber letztendlich nicht verwirklicht
- Tatplantheorie: Wenn alle nach Vorstellung des Täters bei Tatbeginn geplanten Handlungen fehlgeschlagen bzw. beendet (Wortlaut § 22: „Nach seiner Vorstellung der Tat“)
- Privilegierung eines planend vorgehenden Täters (trotz höherer krimineller Energie und Professionalisierung)
- Einzelaktstheorie: Isolierte Betrachtung ⇨ jeder aus Tätersicht erfolgsgeeignete Ausführungsakt bereits fehlgeschlagener bzw. beendeter Versuch
- Opferschutz; einheitliche Lebensvorgänge mit einheitlichem Tatvorsatz erfordern einheitliche Rücktrittsmöglichkeit; praktische Abgrenzungsschwierigkeiten
- Gesamtbetrachtungslehre: Tatvorgang einheitliches Ganzes, wenn einheitlicher Lebensvorgang mit engem und natürlichem Zusammenhang (wie bei natürlicher Handlungseinheit)
- Abzustellen auf Rücktrittshorizont (Vorstellung des Täters) im Moment der letzten Ausführungshandlung
Kann der Täter noch zurücktreten, wenn er sein eigentliches (außertatbestandliches) Ziel schon erreicht hat, z.B. dem Opfer wie geplant einen „Denkzettel verpasst“?
Außertatbestandliches Ziel erreicht (z.B. dem Opfer einen „Denkzettel verpassen“)
- Rücktritt nicht mehr möglich, da kein Verdienst und auch kein Opferschutz, weil keine Angriffe mehr zu erwarten
- Wortlaut „Tat“ i.S.d. § 24 bezieht sich auf Verwirklichung gesetzlicher Tatbestandsmerkmale; zudem könnte Täter mit Tötungsabsicht zurücktreten, mit Tötungsinkaufnahme nicht
Kann der Täter im Versuchsstadium des Grunddelikts von der Qualifikation zurücktreten, wenn er das Grunddelikt später noch verwirklicht?
Teilrücktritt von Qualifikation: Täter sieht im Versuchsstadium des Grunddelikts von Weiterverwirklichung des bis dahin bereits erfüllten Qualifikationsmerkmals ab, im Anschluss daran Verwirklichung des Grunddelikts; z.B. Täter wirft bei Diebstahl vor Vollendung der Wegnahme die bei Tatbeginn mitgeführte Schusswaffe weg
- h.L.: Teilrücktritt möglich
- Im Interesse des geschützten Rechtsguts Anerkennung erforderlich
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T möchte O durch einen Stich ins Herz töten. Als die Messerspitze oberflächlich in die Haut des O ritzt und ein kleiner Blutstropfen austritt, packt T die Reue und sie läuft davon. Wie hat sich T strafbar gemacht?
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Ziad T.
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