- Zivilrecht
- Schuldrecht Allgemeiner Teil
- Das Schuldverhältnis
Vertragsfreiheit, Art. 2 I GG, § 311 BGB
Was versteht man unter Vertragsfreiheit?
Die Vertragsfreiheit, auch als Privatautonomie bezeichnet, ist ein grundlegendes Prinzip des Zivilrechts. Sie bedeutet, dass private Rechtsverhältnisse grundsätzlich nach eigener Entscheidung gestaltet werden dürfen. Die Vertragsparteien sind frei darin, ob sie einen Vertrag schließen, mit wem sie ihn schließen und welchen Inhalt sie vereinbaren. Diese Freiheit ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 GG und § 311 BGB.
Ein wesentliches Merkmal der Vertragsfreiheit ist, dass die meisten Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs dispositives Recht sind. Das bedeutet, dass die Parteien durch eine vertragliche Vereinbarung von diesen Regelungen abweichen können. Beispielsweise regelt das Gesetz, dass der Käufer den Kaufpreis sofort zahlen muss. Die Parteien können jedoch auch etwas anderes vereinbaren, etwa eine Ratenzahlung.
Allerdings gibt es hier auch Grenzen. Nicht alle gesetzlichen Vorschriften sind abdingbar. In bestimmten Fällen gibt es zwingendes Recht, das durch vertragliche Vereinbarungen nicht umgangen werden darf. Eine Vorschrift kann zwingend sein, wenn das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt, wie beispielsweise in § 551 Abs. 4 BGB zur Begrenzung der Mietkaution. Aber auch aus Sinn und Zweck einer Regelung kann sich ihre Unabdingbarkeit ergeben. Besonders im Sachenrecht sowie im Verbraucherschutz, Mietrecht und Arbeitsrecht gibt es zahlreiche zwingende Vorschriften, die typischerweise schwächere Vertragsparteien schützen sollen.
Es gibt zudem zahlreiche weitere Grenzen der Vertragsfreiheit. Eine solche Grenze ergibt sich z.B. aus § 134 BGB, der die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts bei Verstoß gegen ein Verbotsgesetz anordnet.
Grundsätzlich bedeutet Vertragsfreiheit also umfassende Gestaltungsfreiheit, aber sie kennt auch Grenzen.
Vertragsfreiheit / Privatautonomie, Art. 2 I GG, § 311 BGB: Private Rechtsverhältnisse dürfen grds. nach eigener Entscheidung gestaltet werden, frei nach Willen der Beteiligten und selbstverantwortlich
- BGB-Normen grds. dispositives Recht: Abdingbar (Parteien können durch Vereinbarung davon abweichen)
- Es sei denn zwingendes Recht: Unabdingbar; wenn ausdrücklich zwingend (z.B. § 551 IV) oder aus Sinn und Zweck der Norm; z.B. viele Bestimmungen im Sachenrecht und zum Schutz von Verbrauchern, Mietern und Arbeitnehmern
- Grenzen der Vertragsfreiheit
Was beinhaltet die Vertragsfreiheit im Einzelnen?
Die Vertragsfreiheit umfasst vier wesentliche Aspekte: Abschlussfreiheit, Gestaltungsfreiheit, Formfreiheit und Rechtswahlfreiheit.
Die Abschlussfreiheit bedeutet, dass du grundsätzlich selbst entscheiden kannst, ob und mit wem du einen Vertrag eingehst. Niemand kann dich dazu zwingen, mit einer bestimmten Person ein Geschäft abzuschließen. Eine Ausnahme gibt es allerdings in seltenen Fällen, wenn ein sogenannter Kontrahierungszwang besteht. Ein Beispiel dafür sind bestimmte Versicherungen wie die Kfz-Haftpflichtversicherung oder die gesetzliche Krankenversicherung, bei denen Versicherer unter bestimmten Bedingungen verpflichtet sind, Verträge abzuschließen.
Die Gestaltungsfreiheit gibt dir Spielraum, Verträge nach deinen eigenen Vorstellungen auszuformulieren. Du kannst also nicht nur die gesetzlich geregelten Vertragstypen wie Kauf- oder Mietverträge nutzen, sondern auch sogenannte Verträge sui generis, also Verträge eigener Art, die keiner bestimmten gesetzlichen Regelung unterfallen. Das unterscheidet das Schuldrecht vom Sachenrecht mit seinem Typenzwang. Ein typisches Beispiel für einen Vertrag sui generis ist der Leasingvertrag. Er ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, weist aber Merkmale verschiedener Vertragstypen auf – insbesondere des Miet- und Kaufrechts.
Falls das Schuldrecht keine direkte gesetzliche Regelung für einen Vertrag kennt, wird darauf das Recht angewendet über den gesetzlichen Vertragstyp, der am besten passt. Schließt du beispielsweise einen Vertrag ab, der Ähnlichkeiten zu einem Auftrag aufweist, können die Vorschriften des Auftragsrechts entsprechend angewendet werden.
Die Formfreiheit meint, dass du Verträge im Regelfall in jeder beliebigen Form abschließen kannst, sei es mündlich, schriftlich oder sogar durch schlüssiges Verhalten. Eine Unterschrift oder ein schriftlicher Vertrag sind also nicht zwingend erforderlich. Auch hier besteht ein Unterschied zum Sachenrecht das häufig Publizität voraussetzt.
Allerdings gibt es auch im Schuldrecht gesetzliche Regelungen oder vertragliche Vereinbarungen, die für bestimmte Rechtsgeschäfte eine besondere Form verlangen. So muss zum Beispiel ein Grundstückskaufvertrag gem. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB notariell beurkundet werden. Diese Einschränkungen der Formfreiheit dienen oft der Rechtssicherheit und der Beweisbarkeit.
Die Rechtswahlfreiheit schließlich spielt eine Rolle, wenn ein Vertrag eine Auslandsberührung aufweist, beispielsweise bei grenzüberschreitenden Geschäftstransaktionen. Die Vertragsparteien können in solchen Fällen in der Regel selbst bestimmen, welches nationale Recht auf ihren Vertrag angewendet werden soll.
Zusammengefasst: Vertragsfreiheit bedeutet, dass du frei entscheiden kannst, ob, mit wem, wie und nach welchem Recht du einen Vertrag abschließt.
Inhalt der Vertragsfreiheit
- Abschlussfreiheit: Ob und mit wem kontrahiert wird
- Außer ausnahmsweise Kontrahierungszwang: Extrem selten, z.B. für Versicherer für Haftpflicht- und Krankenversicherung
- Gestaltungsfreiheit: Verträge sui generis möglich (≠ Typenzwang im Sachenrecht)
- Soweit möglich Anwendung von Regelungen für gesetzlichen Vertragstyp der am ähnlichsten, z.B. Auftragsrecht auf auftragsähnlichen Vertrag sui generis
- Formfreiheit: Außer Gesetz oder Vertrag schreibt ein formbedürftiges Geschäft vor (≠ Publizität im Sachenrecht)
- Rechtswahlfreiheit: In Fällen mit Auslandsberührung
Teste dein Wissen
A möchte ein bestimmtes Geschäft abschließen. Im BGB findet er keinen Vertragstyp, der das Geschäft so abbildet. Welche Aussagen sind richtig?
Deine Lernplattform für mehr Verständnis im Jurastudium
4.9 von 5 Sternen aus 60+ Google-Bewertungen
Erlebe eine neue Lernerfahrung mit kompakten, verlinkten Inhalten in einer interaktiven Plattform.
Das sagen unsere Nutzer
Die Struktur, das Design und der Inhalt der App sind hervorragend. Während meiner Recherche habe ich viele juristische Seiten besucht und sogar einen Kurs bei Jura Academy absolviert. Ehrlich gesagt gefällt mir deine Seite am besten.
Ziad T.
Jurastudent