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Vertragsfreiheit: Grenzen der Vertragsfreiheit

Grenzen der VertragsfreiheitKontrahierungszwangSchutz schwächererNachlass lebender Dritter
Aktualisiert vor 2 Tagen

Dürfen auch Verträge abgeschlossen werden, die gesetzlichen Wertungen widersprechen?

Die Vertragsfreiheit besteht nicht grenzenlos. Das Gesetz setzt Grenzen, wenn ein Vertrag gegen grundlegende rechtliche oder ethische Wertungen verstößt.

Eine entscheidende Grenze sind gesetzliche Verbote. Nach § 134 BGB sind Rechtsgeschäfte nichtig, wenn sie gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Das bedeutet, dass solche Verträge von Anfang an keine rechtlichen Wirkungen entfalten. Ein klassisches Beispiel ist der Drogenhandel. Auch wenn sich Käufer und Verkäufer einig sind, ist ein solcher Vertrag unwirksam, weil der Handel mit Drogen gesetzlich verboten ist. Gleiches gilt für Verträge über Schwarzarbeit oder den illegalen Handel mit Waffen.

Neben gesetzlichen Verboten gibt es auch die Grenze der Sittenwidrigkeit. Nach § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn es gegen die guten Sitten verstößt. Das betrifft Verträge, die grundlegende moralische Mindeststandards verletzen. Ein Beispiel wäre ein Vertrag, in dem jemand sich verpflichtet, für extrem niedrige Bezahlung lebensgefährliche Arbeiten zu übernehmen. Auch sogenannte sittenwidrige Wucher-Verträge sind darunter zu fassen, etwa wenn jemand in einer finanziellen Notlage ausgenutzt wird und unverhältnismäßig hohe Zinsen für ein Darlehen zahlen muss.

Eine weitere Schranke bildet das Verbot der Schikane (§ 226 BGB) sowie der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Diese Vorschriften sorgen dafür, dass Verträge nicht zur Schädigung oder unbilligen Benachteiligung eines anderen eingesetzt werden können. Wer zum Beispiel einen Vertrag nur abschließt, um eine andere Person bewusst zu benachteiligen, handelt rechtsmissbräuchlich, und ein solcher Vertrag wäre unwirksam.

Die Vertragsfreiheit endet somit dort, wo gesetzliche Verbote, die guten Sitten oder Treu und Glauben verletzt werden.

Merke

Gesetzliche Wertungen

  • Gesetzliche Verbote, § 134 BGB: Rechtswidrige Rechtsgeschäfte nichtig, z.B. Waffenverkauf, Drogendeal, Schwarzarbeit
  • Sittenwidrigkeit und Schikane, §§ 138 I, 226, 826 BGB: Rechtsgeschäft nichtig, wenn Mindeststandards des Verkehrs zwischen „Jedermann“ missachtet
  • Vorbehalt von Treu und Glauben, § 242 BGB

Gibt es einen Zwang zum Abschluss von Verträgen?

Normalerweise ist niemand gezwungen, einen Vertrag abzuschließen. Das gehört zur Vertragsfreiheit. Doch gibt es bestimmte Ausnahmen, in denen ein sogenannter Kontrahierungszwang besteht, also eine Pflicht, ein Vertragsangebot anzunehmen.

Ein typisches Beispiel ist die Kfz-Haftpflichtversicherung. Jeder Halter eines Kraftfahrzeugs ist gesetzlich verpflichtet, eine solche Versicherung abzuschließen, damit Unfallgegner geschützt sind und nicht auf ihren Schäden sitzen bleiben. Versicherungsunternehmen dürfen daher nicht einfach einen Antrag auf eine Kfz-Haftpflichtversicherung ablehnen.

Ähnlich ist es mit der Krankenversicherung. Auch hier gibt es eine gesetzliche Versicherungspflicht, um sicherzustellen, dass jeder im Krankheitsfall medizinisch versorgt wird, ohne erst eine finanzielle Gegenleistung leisten zu müssen. Deshalb sind die Versicherungen verpflichtet, bestimmte Personen aufzunehmen.

Ein allgemeiner Kontrahierungszwang besteht zudem, wenn die Ablehnung eines Vertragsangebots eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB darstellen würde.

Kurz gesagt: In bestimmten Fällen zwingt das Gesetz zum Vertragsabschluss, um Schutz und soziale Absicherung zu gewährleisten.

Merke

Kontrahierungszwang: In Einzelfällen gesetzliche Pflicht zur Annahme eines Vertragsangebotes

  • z.B. für Kfz-Haftpflichtversicherung, da dies für Kfz-Halter eine gesetzliche Pflichtversicherung ist: Zum Schutz möglicher Unfallgegner
  • z.B. für Krankenversicherung, da dies eine gesetzliche Pflichtversicherung ist: Soziale Absicherung, um im Krankheitsfall ohne finanzielle Gegenleistung behandelt zu werden
  • Allgemeiner Kontrahierungszwang, wenn Ablehnung vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB darstellen würde
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Gibt es Verträge mit besonderem Schutz bestimmter Vertragsparteien?

Die Vertragsfreiheit ist auch begrenzt in Fällen, in denen eine Partei besonders schutzbedürftig ist, weil ein starkes Machtgefälle zwischen den Vertragspartnern besteht. In solchen Situationen sieht das Gesetz Schutzmechanismen vor, um eine Fremdbestimmung der schwächeren Partei zu verhindern.

Ein klassisches Beispiel ist das Mietrecht. Der Mieter ist oft in einer schwächeren Position als der Vermieter, weil Wohnraum knapp sein kann und er nicht ohne weiteres die Bedingungen des Mietvertrags aushandeln kann. Deshalb gibt es zahlreiche Schutzvorschriften im Mietrecht, etwa Kündigungsbeschränkungen, Mietpreisbremse oder Regelungen zur Mietminderung.

Auch im Arbeitsrecht wird der Arbeitnehmer besonders geschützt. Arbeitgeber haben in der Regel eine stärkere wirtschaftliche Stellung und können Arbeitsbedingungen diktieren. Deshalb gibt es Gesetze wie Kündigungsschutzregelungen, Mindestlohn oder Vorschriften zur Arbeitszeit, die den Arbeitnehmer vor übermäßiger Benachteiligung bewahren sollen.

Ein weiteres wichtiges Schutzfeld sind auch Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Weil der einzelne Verbraucher oft nicht die gleichen Kenntnisse und Verhandlungsmöglichkeiten wie ein Unternehmen hat, gibt es zahlreiche verbraucherschützende Vorschriften. Dazu zählen die Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, das Widerrufsrecht bei bestimmten Vertragsabschlüssen und besondere Rechte beim Verbrauchsgüterkauf.

Neben dem Schutz wirtschaftlich schwächerer Vertragsparteien gibt es auch Regelungen, die vor Diskriminierung schützen. Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz dürfen etwa Arbeitgeber keine Bewerber oder Mitarbeiter wegen Kriterien wie Geschlecht, Herkunft oder Religion benachteiligen. Solche Regelungen gelten insbesondere bei Massengeschäften wie Versicherungsverträgen, um sicherzustellen, dass niemand aus diskriminierenden Gründen ausgeschlossen wird.

Zentral ist also, dass die Vertragsfreiheit dort eingeschränkt wird, wo eine Seite besonders schutzbedürftig ist.

Merke

Schutz schwächerer Vertragsparteien

  • „Fremdbestimmung“ bei gestörter Verhandlungsparität (starkes Machtgefälle) macht im Einzelfall besonderen Schutz nötig
    • z.B. Schutz des Mieters im Mietrecht
    • z.B. Schutz des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht
    • z.B. Schutz des Verbrauchers bei Geschäften mit Unternehmern: z.B. durch AGB-Kontrolle, Möglichkeit des Verbraucherwiderrufs, Regelungen zum Verbrauchsgüterkauf
  • Schutz vor Diskriminierung, AGG: Insbesondere für Beschäftigte und bei Massengeschäften / Versicherungen

Gibt es Gegenstände, über die man keine Verträge schließen darf?

Eine Grenze der Vertragsfreiheit betrifft Gegenstände, die außerhalb des rechtlichen Einflussbereichs der Vertragsparteien liegen.

Ein wichtiges Beispiel ist das künftige Vermögen. § 311b Abs. 2 BGB bestimmt, dass Verträge, die das zukünftige Vermögen einer Person betreffen, nichtig sind. Das bedeutet: Niemand kann sich wirksam bereits jetzt verpflichten, sein zukünftiges gesamtes Vermögen oder einen erheblichen Teil davon zu übertragen. Diese Regelung dient dem Schutz vor unüberlegten oder übereilten Vermögensverfügungen, die die wirtschaftliche Existenz gefährden könnten. Es ist zudem unklar, was dieses Vermögen überhaupt umfassen wird. Stell dir vor, jemand würde sich verpflichten, sein gesamtes zukünftig erworbenes Vermögen einem Gläubiger zu übertragen. Das würde die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit dieser Person in unzulässiger Weise einschränken und ist daher nicht möglich.

Ein weiteres Verbot betrifft den Nachlass lebender Dritter. § 311b Abs. 4 S. 1 BGB stellt klar, dass Verträge über den zukünftigen Nachlass einer anderen noch lebenden Person nichtig sind. Niemand kann also zu Lebzeiten eines Erblassers bereits verbindlich mit dem potentiellen Erben vereinbaren, was er nach dem Tod des Erblassers erhalten soll.

Merk dir, dass Verträge über zukünftiges Vermögen und den Nachlass lebender Dritter nichtig sind.

Merke

Verträge über Vermögensgegenstände außerhalb des rechtlichen Einflussbereichs der Vertragsparteien

  • Verträge über künftiges Vermögen nichtig, § 311b II BGB
  • Verträge über Nachlass lebender Dritter nichtig, § 311b IV 1 BGB

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Frage 1/1

A kauft sich ein Auto und möchte dafür eine Haftpflichtversicherung abschließen. Weil A aber in der Vergangenheit bereits viele Unfälle verursacht hat, weigert sich der Versicherer V den A als Kunden anzunehmen, da die Kalkulation des V ergibt, dass das Geschäft sich für ihn voraussichtlich nicht lohnen wird. Welche Aussagen sind richtig?

Es gilt die Vertragsfreiheit, Art. 2 I GG, § 311 BGB.
Die Privatautonomie umfasst auch die Freiheit sich den Vertragspartner auszusuchen.
Für Versicherer V gilt die Vertragsfreiheit nicht, da er als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert ist.
Hier gilt ein Kontrahierungszwang, d.h. V muss den Vertrag mit A schließen.
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