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Vertragsschluss, §§ 145 ff. BGB

VertragsschlussAngebotAntragAnnahmeEssentialia negotiiAccidentialia negotiiOfferta ad incertas personas
Aktualisiert vor 11 Tagen

Wie kommt ein Vertrag zustande?

Ein Vertrag kommt gem. §§ 145 ff. BGB durch zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen zustande, Angebot und Annahme. Das bedeutet, dass mindestens zwei Personen sich über die wesentlichen Punkte eines Rechtsgeschäfts einig sein müssen.

Das Angebot, auch Antrag genannt, ist die erste Willenserklärung. Es muss so bestimmt sein, dass der andere Vertragspartner es mit einem einfachen „ja“ annehmen kann, ohne dass noch Verhandlungen über die wesentlichen Inhalte nötig sind. Ein Beispiel ist eine Verkäuferin, die zu einem Kunden sagt: „Ich verkaufe Ihnen diese Jacke für 50 Euro.“ Damit ist das Angebot hinreichend konkret, da Preis und Ware eindeutig bestimmt sind. Wichtig ist, dass ein Angebot gemäß § 145 BGB grundsätzlich bindend ist.

Die Annahme ist die zweite Willenserklärung, durch die das Angebot bestätigt wird. Sie muss inhaltlich mit dem Angebot übereinstimmen. Wenn der Kunde in unserem Beispiel sagt: „Einverstanden, ich kaufe die Jacke für 50 Euro“, hat er die Annahme erklärt. Damit ist der Kaufvertrag abgeschlossen.

Zentral ist also, dass Angebot und Annahme inhaltlich übereinstimmen und aufeinander bezogen sind.

Merke

Vertragsschluss, §§ 145 ff. BGB: Mindestens zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen

  • Angebot / Antrag: So bestimmt, dass es durch ein bloßes „ja“ annehmbar ist
    • Bindend, § 145 BGB
  • Annahme des Angebots

Wie nennt man die Haupt- und Nebenpunkte, auf die sich die Einigung beim Vertrag beziehen muss?

Damit ein Vertrag wirksam zustande kommt, müssen sich die Parteien über bestimmte Punkte einigen. Dabei unterscheidet man zwischen den wesentlichen Hauptpunkten, den sogenannten essentialia negotii, und den Nebenpunkten, den accidentialia negotii.

Die essentialia negotii sind die grundlegenden Bestandteile eines Vertrags, ohne die überhaupt kein Vertrag geschlossen wäre. Beim Kaufvertrag gehören dazu der Kaufgegenstand, der Kaufpreis und die Personen der Vertragsparteien. Wenn sich die Parteien darüber nicht einigen, liegt ein Totaldissens vor und das Geschäft ist nichtig. Stell dir vor, du möchtest ein gebrauchtes Fahrrad kaufen, aber du und der Verkäufer werdet euch nicht einig, ob der Preis 100 oder 120 Euro betragen soll. Ohne eine Einigung über diesen wesentlichen Punkt kommt kein Kaufvertrag zustande.

Neben diesen Hauptpunkten gibt es auch Nebenpunkte, die accidentialia negotii. Das sind Regelungen, die das Geschäft näher ausgestalten, aber nicht zwingend für das Zustandekommen des Vertrags erforderlich sind. Dazu gehören zum Beispiel Zahlungs- oder Lieferbedingungen. Einigt man sich nicht über einen solchen Nebenpunkt, führt das nicht automatisch zur Unwirksamkeit des Vertrags, sondern nur zu einem partiellen Dissens. Das bedeutet, dass der Vertrag unter Umständen bestehen bleiben kann.

Merk dir also, dass ohne eine Einigung über die Essentialia negotii kein wirksamer Vertrag zustande kommt.

Merke

Haupt- und Nebenpunkte von Verträgen

  • Essentialia negotii (dt.: „wesentliche Geschäftseigenschaften“): Wesentliche Punkte des Vertrags, ohne die Vertrag nicht geschlossen worden wäre; z.B. beim Kaufvertrag Kaufpreis, Kaufgegenstand, Person des Vertragspartners
    • Müssen von Einigung umfasst sein: Sonst Geschäft nichtig wegen Totaldissens
  • Accidentialia negotii (dt.: „zufällige Geschäftseigenschaften“): Nebenpunkte; z.B. Zahlungs- und Liefermodalitäten
    • Müssen nicht zwangsläufig von Einigung umfasst sein: Nur partieller Dissens, Geschäft nicht zwangsläufig unwirksam
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Was ist eine invitatio ad offerendum? Wie unterscheidet sie sich von einem verbindlichen Angebot?

Stell dir vor, du siehst die Werbeanzeige eines Discounters für ein Handy zum Preis von 300 Euro. Kannst du einfach hingehen und sagen „Ich nehme das Angebot an“ und somit durch einseitige Erklärung einen Kaufvertrag abschließen, selbst wenn der Laden das Handy mittlerweile gar nicht mehr hat? Nein, denn die Werbung ist in der Regel keine Willenserklärung, sondern nur eine invitatio ad offerendum, also eine Einladung zur Abgabe eines Angebots.

Der entscheidende Unterschied zwischen einem verbindlichen Angebot und einer invitatio ad offerendum liegt im Rechtsbindungswillen. Ein Angebot gemäß § 145 BGB ist eine Willenserklärung, die darauf gerichtet ist, sich vertraglich zu binden. Bei einer invitatio ad offerendum hingegen fehlt dieser Rechtsbindungswille. Derjenige, der die Einladung ausspricht – etwa der Händler in seiner Werbung – will sich nicht schon durch die bloße Annahmeerklärung des Kunden binden, sondern erst noch selbst darüber entscheiden, ob er den Vertrag wirklich abschließen will.

Zwei typische Fällen verdeutlichen das. Zunächst noch einmal zur Werbung oder Angeboten auf Webseiten. Würde jede Werbung als Angebot gelten, könnte potenziell eine unbegrenzte Anzahl von Personen durch bloße Annahmeerklärung eine vertragliche Verpflichtung auslösen. Wenn der Händler dann nicht mehr liefern kann, könnte das sogar zu Schadensersatzansprüchen führen. Das gleiche gilt auch bei ausgestellter Ware in Geschäften oder im Schaufenster. Der Geschäftsinhaber möchte in der Regel selbst entscheiden, mit wem er Verträge abschließt. Er kann etwa Kunden mit Hausverbot ablehnen oder sich gegen einen Verkauf an Konkurrenten entscheiden. Auch Fehler bei der Preisauszeichnung würden problematisch, wenn ein falsch ausgezeichnetes Produkt sofort als verbindlich angeboten gelten würde.

Kurz gesagt: Bei einer invitatio ad offerendum fehlt der Rechtsbindungswille, sodass erst der Kunde durch Bestellung oder Kaufwunsch ein Angebot abgibt, das der Händler dann annehmen kann.

Merke
  • Bloße invitatio ad offerendum: Einladung zur Abgabe eines Angebots; quasi ein „Angebotohne Rechtsbindungswille (keine Willenserklärung)
    • z.B. Werbung oder Angebot auf Webseite: Da sonst unbegrenzte Personenanzahl Vertrag durch bloße Annahmeerklärung bewirken könnte (relevant z.B. weil ggf. Schadensersatzpflicht, wenn abgeschlossener Vertrag nicht erfüllbar)
    • z.B. präsentierte Ware im Geschäft oder Schaufenster: Geschäftsinhaber möchte sich Vertragspartner selbst aussuchen (relevant z.B. bei Hausverbot, Kauf durch Konkurrenten, Falschauszeichnung)

Was ist eine offerta ad incertas personas?

Manchmal wird ein Angebot nicht an eine bestimmte Person gerichtet, sondern an einen unbestimmten Personenkreis. Das nennt man eine offerta ad incertas personas, also zu Deutsch ein Angebot an unbestimmte Personen. Das bedeutet, dass jede Person, die die Bedingungen des Angebots erfüllt, dieses annehmen kann und dadurch ein Vertrag zustande kommt.

Ein klassisches Beispiel dafür ist ein Warenautomat. Der Betreiber des Automaten gibt mit dem Automat ein Angebot ab, das sich an jeden richtet, der bereit ist, die festgelegten Bedingungen zu erfüllen. Damit das Angebot wirksam angenommen werden kann und ein Vertrag entsteht, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss der Kunde die richtige Münze einwerfen, zweitens muss die gewünschte Ware vorrätig sein, und drittens muss der Automat einwandfrei funktionieren. Wenn all diese Bedingungen vorliegen, kommt mit dem Münzeinwurf der Kaufvertrag zustande, und der Automat gibt die Ware aus.

Merke

Offerta ad incertas personas (dt.: „Angebot an unbestimmte Personen“): Angebot an unbestimmten Personenkreis

  • z.B. Warenautomat unter drei Bedingungen: Richtige Münze eingeworfen, Ware vorrätig, Automat funktionsfähig

Wie wirkt es sich aus, wenn ein Angebot zu spät angenommen wird oder unter Abänderung des Inhalts?

Stell dir vor, du bietest jemandem dein Fahrrad für 100 Euro an und hörst erst ein Jahr später von ihm: „Ich nehme dein Angebot an.“ Ist ein Vertrag zustande gekommen?

Nein, denn eine Annahme muss rechtzeitig erfolgen. Eine verspätete Annahme liegt vor, wenn sie nach Ablauf der Annahmefrist abgegeben wird. Die Frist richtet sich nach § 147 BGB. Wird ein Angebot unter Anwesenden gemacht, muss es sofort angenommen werden, während bei Abwesenden eine angemessene Überlegungs- und Übermittlungszeit gilt. Nimmt der Empfänger das Angebot erst nach Fristablauf an, so gilt diese Erklärung nicht mehr als Annahme, sondern als neues Angebot gemäß § 150 Abs. 1 BGB. Das bedeutet, dass es jetzt an dir liegt, ob du dieses neue Angebot annehmen möchtest oder nicht.

Ähnlich verhält es sich, wenn die Annahme inhaltlich von dem ursprünglichen Angebot abweicht. Stell dir vor, du bietest dein Fahrrad wieder für 100 Euro an und bekommst als Antwort: „Einverstanden, aber für 80 Euro.“ Diese Antwort gilt nach § 150 Abs. 2 BGB nicht als Annahme, sondern als Ablehnung deines ursprünglichen Angebots verbunden mit einem neuen Angebot. Wenn du nicht zustimmst, kommt kein Vertrag zustande.

Zentral ist also, dass eine Annahme rechtzeitig und inhaltlich übereinstimmend mit dem Angebot erfolgen muss. Andernfalls gilt sie als neues Angebot.

Merke

Verspätete und abändernde Annahme

  • Verspätete Annahme, § 150 I BGB: Nach Annahmefrist gem. § 147 BGB; z.B. keine Rückmeldung auf Kaufangebot, dann nach einem Jahr unvermittelt Annahme
    • Neues Angebot, § 150 I BGB
  • Abändernde Annahme, § 150 II BGB: z.B. Antwort auf Kaufangebot zu 100€ „ja gerne, aber zu 150€“
    • Ablehnung des Angebots und neues Angebot, § 150 II BGB

Muss die Annahme immer dem Antragenden gegenüber erklärt werden?

Grundsätzlich muss die Annahme eines Vertragsangebotes dem Antragenden zugehen, damit ein Vertrag zustande kommt. Doch ausnahmsweise kann die Annahme auch ohne eine Erklärung gegenüber dem Antragenden wirksam sein, wenn die Voraussetzungen des § 151 S. 1 BGB erfüllt sind. Wichtig ist dabei, dass nur der Zugang der Annahmeerklärung beim Antragenden entbehrlich ist, nicht aber die Annahmeerklärung selbst. Die Annahme muss also trotzdem auf irgendeine Weise erklärt werden, aber diese Erklärung muss nicht dem Antragenden zugehen.

Das bedeutet, dass der annehmende Vertragspartner seinen Willen, das Angebot anzunehmen, auf eine andere Weise eindeutig zum Ausdruck bringen muss. Zum Beispiel kann eine schlüssige Handlung als Annahme gewertet werden, etwa wenn eine Person eine angebotene Ware in Gebrauch nimmt, sich diese zueignet oder den Kaufpreis überweist.

Zentral ist also, dass auch gem. § 151 S. 1 BGB die Annahmeerklärung zwar erfolgen muss, ihr Zugang beim Antragenden aber in bestimmten Fällen nicht erforderlich ist.

Merke

Annahme ohne Erklärung ggü. Antragendem, § 151 1 BGB

  • Zugang entbehrlich: Aber nur Zugang der Annahme beim Antragenden entbehrlich („dem Antragendem gegenüber“, § 151 BGB), nicht Annahmeerklärung selbst
  • Erklärung der Annahme muss trotzdem erfolgen durch erkennbare eindeutige Betätigung des Annahmewillens, z.B. Gebrauch, Zueignung, Kaufpreiszahlung

Kommt ein Vertrag zustande, wenn Leistungen unbestellt erbracht werden? Welche Ansprüche hat der Leistende?

Stell dir vor, ein Rentner bekommt plötzlich ein Lexikon zugeschickt, das er nie bestellt hat. Dazu findet er einen Brief, in dem steht, dass er das Buch zurückschicken muss, wenn er es nicht kaufen will – sonst gilt der Vertrag als geschlossen. Das war früher eine fiese Masche windiger Verkäufer. Darauf reagierte der Gesetzgeber mit der Einführung des § 241a BGB.

Nach § 241a BGB ist ein Verbraucher nicht verpflichtet, für unbestellte Leistungen zu bezahlen oder sie zurückzugeben. Das bedeutet, dass ein Unternehmer nicht einfach durch Zusendung einer Ware einen Vertragsschluss herbeiführen kann. Selbst wenn der Empfänger die Ware benutzt, kommt dadurch kein konkludenter Vertrag zustande. Der Rentner in unserem Beispiel könnte das Lexikon also sogar behalten und benutzen und trotzdem wäre er nicht verpflichtet, dafür zu zahlen.

Neben vertraglichen Ansprüchen kommen aber ja auch immer Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen in Betracht, hier zum Beispiel aus Bereicherungsrecht. Kann sich der Unternehmer dann vielleicht darauf berufen? Nein. § 241a Abs. 1 BGB schließt nicht nur vertragliche Ansprüche, sondern auch Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen aus. Das heißt, der Unternehmer kann sich weder auf die allgemeine Leistungskondiktion aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB berufen noch auf das Vindikationsrecht aus § 985 BGB oder auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB. Auch eine Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff. BGB kommt nicht in Betracht. Der Empfänger ist also nicht verpflichtet, die Ware zurückzugeben oder Ersatz zu leisten. Eine Ausnahme gilt nach § 241a Abs. 2 BGB allerdings dann, wenn der Verbraucher nicht schutzwürdig ist.

Kurz gesagt: Wer unbestellt Ware erhält, muss nicht zahlen, nichts zurückgeben und trägt keine rechtliche Verantwortung – es sei denn, er handelt unredlich.

Merke

Unbestellte Leistungen / Realofferte, § 241a BGB: Wenn Lieferung durch Unternehmer an Verbraucher; z.B. Buchhändler schickt unbestellt Lexika an Rentner und schreibt dazu, dass Ware zurückgeschickt werden muss, sonst Vertragsschluss

  • Kein konkludenter Vertragsschluss z.B. durch Gebrauch
  • Keine Ansprüche gegen Empfänger, § 241a I BGB („wird ein Anspruch gegen den Verbraucher nicht begründet“)
    • Keine vertraglichen Ansprüche
    • Keine Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen: Gem. § 241a I BGB nicht nur vertragliche, sondern auch gesetzliche Schuldverhältnisse ausgeschlossen; z.B. auch keine Ansprüche aus §§ 677 ff. BGB, § 985 BGB, §§ 987 ff. BGB, § 823 I BGB, § 812 I 1 Alt. 1 BGB; Leistung muss daher nicht einmal zurückgewährt werden, z.B. Rentner darf Lexikon behalten
      • Es sei denn Empfänger nicht schutzwürdig, § 241a II BGB

Kann allein durch tatsächliches Verhalten ein Vertrag zustande kommen, ohne dass eine Willenserklärung abgegeben wird?

Kann ein Vertrag allein durch tatsächliches Verhalten zustande kommen, ohne dass eine Willenserklärung abgegeben wird? Diese Frage wurde früher mit der sogenannten Lehre vom faktischen Vertrag beantwortet. Danach sollte ein Vertrag auch dann zustande kommen, wenn eine Partei durch ihr Verhalten eine vertragliche Bindung eingeht, ohne ausdrücklich oder konkludent eine Willenserklärung abzugeben. Ein typisches Beispiel ist das Einfahren in einen kostenpflichtigen Parkplatz. Nach der Lehre vom faktischen Vertrag hätte man hier einen Vertrag allein durch das bloße Verhalten angenommen, unabhängig davon, ob eine Willenserklärung abgegeben wurde.

Diese Ansicht steht jedoch im Widerspruch zum Gesetz. Die Vorschriften der §§ 145 ff. BGB setzen für den Vertragsschluss Willenserklärungen voraus. Ein Vertrag kommt also grundsätzlich durch Angebot und Annahme zustande, sodass ein rein faktisches Verhalten ohne eine dahinterstehende Willenserklärung nicht ausreicht. Außerdem ist die Lehre vom faktischen Vertrag überflüssig, weil man in vielen Fällen das Verhalten als konkludente Willenserklärung deuten kann, also in der Form, dass der Wille nicht ausdrücklich, sondern durch schlüssiges Verhalten geäußert wird.

Im Beispiel des Parkhauses kann man etwa durch Auslegung ermitteln, dass der Betreiber mit der Bereitstellung des Parkplatzes ein Angebot macht und der Autofahrer durch das Einfahren konkludent dieses Angebot annimmt. Das hat zur Folge, dass es keiner gesonderten Lehre vom faktischen Vertrag bedarf, da sich der Vertragsschluss auch mit den allgemeinen Regeln des BGB erklären lässt.

Ein Vertrag kommt also durch Willenserklärungen zustande, nicht allein durch faktisches Verhalten.

Merke
  • Lehre vom faktischen Vertrag: Vertragsschluss durch faktisches Verhalten, z.B. Einfahren in kostenpflichtigen Parkplatz als Abschluss eines Parkvertrags
    • Contra legem, da Vertragsschluss gem. §§ 145 ff. BGB durch Willenserklärungen; überflüssig, da konkludente Willenserklärung angenommen werden kann
    • Verhalten kann stattdessen als konkludente Willenserklärung gedeutet werden (wenn möglich), z.B. Einfahren in kostenpflichtigen Parkplatz als Annahme des Angebots des Parkplatzbetreibers

Wie verhält es sich mit dem Vertragsschluss in Onlineshops, beim „Schwarzfahren“, bei einem „blinden Passagier“ im Flugzeug, bei einer Selbstbedienungstankstelle und in einem Selbstbedienungsladen?

Wie kommen eigentlich im Alltag Verträge zustande? Gerade bei modernen Vertragsformen wie Onlinekäufen oder Selbstbedienungsläden ist das manchmal nicht auf den ersten Blick klar. Schauen wir uns einige typische Fälle an.

Beim Onlinekauf in einem gewöhnlichen Onlineshop wie Amazon kommt ein ganz normaler Kaufvertrag zustande. Der Vertragsschluss erfolgt nach den allgemeinen Regeln der §§ 145 ff. BGB. Die Produktseite stellt dabei noch kein Angebot dar, sondern nur eine sogenannte invitatio ad offerendum, also die Einladung, ein Angebot abzugeben. Das Angebot gibt der Kunde mit der Bestellung ab, die dann vom Händler – meist automatisch – angenommen wird. Anders verhält es sich bei einer Ebay-„Versteigerung“, die nach besonderen Regeln funktioniert, die wir uns noch anschauen werden.

Beim Schwarzfahren im öffentlichen Nahverkehr stellt das Einsteigen in das Verkehrsmittel eine konkludente Willenserklärung dar, mit der ein Beförderungsvertrag geschlossen wird. Das bedeutet, dass der Passagier durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass er mitgenommen werden will. Wer ohne Ticket fährt, muss eine Vertragsstrafe zahlen, das sogenannte erhöhte Beförderungsentgelt. Keine Besonderheit gilt für den Fall, dass jemand mit einem Schild oder T-Shirt mit der Aufschrift „Ich fahre schwarz“ unterwegs ist. Auch das verhindert den Vertragsschluss nicht, denn nach dem Grundsatzprotestatio facto contraria non valet“ gilt ein Widerspruch, der gegen das eigene Verhalten gerichtet ist, nicht.

Anders ist es bei einem blinden Passagier im Flugzeug. Hier ist das entscheidende Kriterium, dass im Gegensatz zum Busfahren ein Beförderungsvertrag nur durch den Kauf eines Flugtickets zustande kommt. Wer einfach in ein Flugzeug einsteigt, ohne ein Ticket zu haben, gibt damit keine konkludente Willenserklärung ab, sodass kein wirksamer Vertrag entsteht.

An einer Selbstbedienungstankstelle kommt der Vertrag zustande, indem die Tankstelle mit der betriebsbereiten Zapfsäule ein Angebot macht, das vom Kunden durch das Betanken des Fahrzeugs angenommen wird.

Im Selbstbedienungsladen entsteht der Vertrag erst an der Kasse. Das reine Herausnehmen einer Ware aus dem Regal stellt noch kein Angebot dar, weil daraus noch nicht sicher geschlossen werden kann, dass der Kunde die Ware tatsächlich kaufen will. Erst das Vorlegen der Ware an der Kasse ist als Angebot zu verstehen, das der Verkäufer dann durch das Kassieren annimmt.

Zentral ist also, dass der Vertrag jeweils durch ein Angebot und eine Annahme zustande kommt, die sich aus dem Verhalten der Parteien ergeben.

Merke

Einzelfälle

  • Gewöhnlicher Onlineshop (z.B. Amazon): Gewöhnlicher Kaufvertrag, der nach §§ 145 ff. BGB geschlossen wird (Produktwebseite nur invitatio ad offerendum, Bestellung als Angebot des Bestellers, automatische Annahme des Verkäufers)
    • Ebay-„Versteigerung
  • Schwarzfahren“: z.B. im öffentlichen Nahverkehr kein Ticket gelöst
    • Konkludente Willenserklärung beim Einsteigen, somit Abschluss eines Beförderungsvertrags
    • Vertragsstrafe: „Erhöhtes Beförderungsentgelt“ (z.B. 60€ beim „Erwischt werden“)
    • Aufschrift „ich fahre schwarz“ auf Hut oder T-Shirt verhindert Vertragsschluss nicht nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB (Grundsatzprotestatio facto contraria non valet“; dt.: „Widerspruch entgegen dem Handeln gilt nicht“)
  • Flugzeug: Vertragsschluss nur durch Kauf des Flugtickets
    • Blinder Passagier“ (ohne Flugticket) schließt nicht konkludenten Vertrag durch Besteigen des Flugzeugs
  • Selbstbedienungstankstelle: Angebot betriebsbereite Zapfsäule; Annahme Selbstbedienung
  • Selbstbedienungsladen
    • Angebot: Waren zur Kasse bringen
      • Waren aus Regal nehmen noch keine Willenserklärung, da kein hinreichender Schluss auf Kaufabsicht
    • Annahme: Durch Verkäufer beim Kassieren

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Frage 1/13

A inseriert eine Kleinanzeige im Internet über den Verkauf einer Kaffeemaschine für 100€ „zur Abholung“. B meldet sich und will kaufen, A soll die Maschine aber versenden, da er sehr weit weg wohne. B ist einverstanden mit dem Kauf, besteht darauf, dass A die Kaffeemaschine abholen muss. Ist der Vertrag geschlossen?

Nein, es handelt sich um einen Totaldissens.
Ja, es handelt sich um einen versteckten Dissens gem. § 155 BGB.
Nein, es handelt sich um einen offenen Dissens gem. § 154 I BGB.
Ja, da hinsichtlich der essentialia negotii ein Konsens vorliegt.
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