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Vertretenmüssen: Verantwortlichkeit für Dritte, §§ 278, 31 BGB

Zugerechnetes VerhaltenVerantwortlichkeit für DritteErfüllungsgehilfeGesellschaftsrechtliche Organhaftung
Aktualisiert vor etwa 2 Monaten

In welchen Fällen hat der Schuldner fremdes Verhalten zu vertreten?

In manchen Fällen muss der Schuldner nicht nur für sein eigenes Verhalten, sondern auch für das Verhalten Dritter einstehen. Man spricht von der Verantwortlichkeit für Dritte. Sie ist in den §§ 278 und 31 BGB geregelt. Schauen wir uns die Fälle der Vertretenmüssen genauer an:

Erstens haftet der Vertretene für seinen gesetzlichen Vertreter nach § 278 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Das bedeutet zum Beispiel, dass minderjährige Kinder für ihre Eltern als gesetzliche Vertreter haften müssen. Hier ist es wichtig, die sogenannte "Haftung der Eltern für ihre Kinder" nach § 832 BGB abzugrenzen - das ist der umgekehrte Fall. Dabei geht es eigentlich um die Haftung für eine vermutete eigene Aufsichtspflichtverletzung der Eltern.

Zweitens haftet der Schuldner für seinen Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Ein Erfüllungsgehilfe ist jemand, der mit Wissen und Wollen des Schuldners in dessen Pflichtenkreis tätig wird. Zum Beispiel haftet der Verkäufer für den Handwerker, der in seinem Auftrag die gekaufte Sache repariert, denn die Reparatur fällt in den Pflichtenkreis des Verkäufers. Allerdings haftet der Verkäufer nicht für einen Fehler des Herstellers, da die Herstellung nicht seine Pflicht ist. Weisungsgebundenheit ist bei Erfüllungsgehilfen nicht erforderlich, sodass neben Arbeitnehmern auch freie Mitarbeiter darunter fallen können. Abzugrenzen ist der Erfüllungsgehilfe vom Verrichtungsgehilfen nach § 831 Abs. 1 BGB, bei dem zusätzlich Weisungsgebundenheit vorliegen muss. Das heißt, der Geschäftsherr muss die Tätigkeit des Verrichtungsgehilfen jederzeit untersagen, beschränken oder nach Zeit und Umfang bestimmen können.

Drittens haftet eine Gesellschaft als Schuldnerin für ihre Organe gemäß § 31 BGB. Das ist die gesellschaftsrechtliche Organhaftung. Zum Beispiel haftet die GmbH für ihren Geschäftsführer als Organ.

Zusammengefasst: In bestimmten Fällen muss der Schuldner auch für Dritte wie gesetzliche Vertreter, Erfüllungsgehilfen und Organe einstehen.

Merke

Verantwortlichkeit für Dritte, §§ 278, 31 BGB

  • Haftung für gesetzlichen Vertreter, § 278 1 Alt. 1 BGB: Vertretener haftet für gesetzlichen Vertreter, z.B. minderjährige Kinder für ihre Eltern, § 1929 (≠ Haftung der Eltern für ihre Kinder, § 832 BGB)
  • Haftung für Erfüllungsgehilfe, § 278 1 Alt. 2 BGB: Wer mit Wissen und Wollen des Schuldners in dessen Pflichtenkreis tätig (z.B. nicht Hersteller für Verkäufer, da Lieferung, nicht Herstellung dessen Pflicht); Weisungsgebundenheit nicht erforderlich, z.B. neben Arbeitnehmer auch freier Mitarbeiter
    • Verrichtungsgehilfe, § 831 I BGB: Zusätzlich Weisungsgebundenheit erforderlich (Geschäftsherr kann Tätigkeit jederzeit untersagen, beschränken, nach Zeit und Umfang bestimmen)
  • Gesellschaftsrechtliche Organhaftung, § 31 BGB: Gesellschaft haftet für ihre Organe, z.B. GmbH für Geschäftsführer

Was genau wird dem Schuldner zugerechnet? Nur das Verschulden des Dritten oder bereits seine Handlung?

Es stellt sich die Frage, was genau dem Schuldner bei der Verantwortlichkeit für Dritte im Rahmen des Vertretenmüssens nach den §§ 278, 31 BGB zugerechnet wird. Wird ihm nur das Verschulden des Dritten zugerechnet oder bereits dessen Handlung?

Dem Schuldner wird entgegen dem Gesetzeswortlaut bereits das Handeln des Dritten im Rahmen der Pflichtverletzung zugerechnet, nicht nur dessen Verschulden. Denn ohne eine Pflichtverletzung kann es gar kein Verschulden geben.

Außerdem wird dem Schuldner auch das Verschulden des Dritten zugerechnet im Rahmen des Vertretenmüssens.

Genauer betrachtet gibt es also eigentlich zwei Zurechnungsprüfungen: Zum einen bei der Pflichtverletzung und zum anderen beim Vertretenmüssen. Bei der Prüfung der Pflichtverletzung ist die Zurechnung des Handelns regelmäßig aber gar nicht erforderlich. Denn der Begriff der Pflichtverletzung ist erfolgsbezogen. Das heißt, die objektive Nichteinhaltung der Pflicht ist bereits eine Pflichtverletzung. Auf ein vorwerfbares Verhalten, das eventuell zugerechnet werden müsste, kommt es gar nicht an.

Daher reicht in den meisten Fällen die Prüfung beim Vertretenmüssen, also ob das Verschulden des Dritten dem Schuldner zugerechnet werden muss.

Kurz gesagt: Dem Schuldner wird nicht nur das Verschulden, sondern bereits die Handlung des Dritten im Rahmen der Pflichtverletzung zugerechnet. Eine gesonderte Prüfung der Zurechnung der Handlung ist aber meist nicht erforderlich.

Merke

Zurechnung des Verhaltens

  • Bereits das Handeln kann zugerechnet werden im Rahmen der Pflichtverletzung: Entgegen Wortlaut nicht nur Verschulden, da ohne Pflichtverletzung kein Verschulden
  • Verschulden im Rahmen des Vertretenmüssens
  • Eigentlich zwei Zurechnungsprüfungen: Bei Pflichtverletzung und Vertretenmüssen
  • Regelmäßig aber im Rahmen der Pflichtverletzung nicht erforderlich
    • Erfolgsbezogener Begriff der Pflichtverletzung: Objektive Nichteinhaltung der Pflicht ist bereits Pflichtverletzung; auf vorwerfbares Verhalten (das ggf. zugerechnet werden muss), kommt es gar nicht an
    • Regelmäßig reicht Prüfung beim Vertretenmüssen daher
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Wie müssen das Verhalten des Dritten und die Verbindlichkeit des Schuldners zusammenhängen?

Für die Zurechnung ist entscheidend, wie das Verhalten des Dritten und die Verbindlichkeit des Schuldners zusammenhängen. Nur wenn die Handlung des Dritten bei der Erfüllung der Verbindlichkeit erfolgt, ist sie dem Schuldner zuzurechnen. Ein anschauliches Beispiel: Ein Malergehilfe wirft beim Streichen der Wohnung eines Kunden versehentlich einen Farbeimer um. Hier ist das Fehlverhalten des Gehilfen dem Malermeister als Schuldner zuzurechnen, da es bei der Erfüllung seiner Leistungspflicht aus dem Malerwerkvertrag geschah. Abzugrenzen ist der Fall, dass der Dritte nur bei Gelegenheit der Erfüllung handelt. Wenn der Malergehilfe beispielsweise den Kunden bestiehlt, geschieht dies nicht bei der Erfüllung der Malerleistung, sondern nur bei Gelegenheit dazu. Dann muss sich der Malermeister das Verhalten nicht zurechnen lassen. Die Voraussetzung des Vertretenmüssens ist also, dass ein enger Zusammenhang zur Erfüllungshandlung besteht. Nur dann haftet der Schuldner für Dritte mit.

Merke

Nur zurechenbar, wenn Handlung bei Erfüllung der Verbindlichkeit, z.B. Malergehilfe wirft beim Malen in Kundenwohnung Farbeimer um

  • Bei Gelegenheit: z.B. nicht, wenn Malergehilfe Kunden bestiehlt

Ist das Verhalten auch zurechenbar, wenn das Verschulden des Dritten ausgeschlossen ist, z.B. wegen Schuldunfähigkeit oder einem Haftungsausschluss?

Bei der Verantwortlichkeit für Dritte ist entscheidend, ob die Handlung des Dritten schuldhaft war. Nur eine schuldhafte Handlung des Dritten ist dem Schuldner zurechenbar. Es gibt zwei wichtige Fälle, in denen keine Schuld vorliegt.

Erstens ist das Verhalten des Dritten nicht zurechenbar, wenn dieser schuldunfähig war nach den §§ 827, 828 BGB. Das wären Fälle, in denen der Dritte beispielsweise aufgrund einer psychischen Krankheit oder Minderjährigkeit nicht die erforderliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit hatte. Zweitens ist das Verhalten des Dritten ebenfalls nicht zurechenbar, wenn für den Dritten ein Haftungsausschluss gilt nach § 276 Abs. 3 BGB. Das könnte etwa der Fall sein, wenn im Vertrag ein Haftungsausschluss für Mitarbeiter vereinbart wurde.

Zentral ist also: Das Vertretenmüssen für Dritte setzt voraus, dass das Verhalten des Dritten schuldhaft ist.

Merke

Nur schuldhafte Handlung des Dritten zurechenbar

  • Nicht bei Schuldunfähigkeit, §§ 827, 828 BGB
  • Nicht bei Haftungsausschluss, § 276 III BGB

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Frage 1/3

Hausmeister H im Dienst des Vermieters A verursacht leicht fahrlässig einen Schaden i.H.v. 300.000€ am Lamborghini des Mieters B. Hat B gegen A einen Anspruch aus § 280 I BGB?

Nein, da A den Schaden nicht verursacht hat.
B muss sich an H wenden, wenn er Schadensersatz möchte.
Ja, denn H unterstützt den A bei dessen Pflichten ggü. B.
A hat die Pflichtverletzung nicht zu vertreten.
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