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Vollmacht / Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht, § 167 I BGB

VollmachtInnenvollmachtAußenvollmachtSpezialvollmachtGeneralvollmachtUntervollmachtForm der Vollmacht
Aktualisiert vor 8 Tagen

Was versteht man unter einer Vollmacht?

Stell dir vor, du kannst nicht selbst zum Autohändler gehen, um einen Kaufvertrag abzuschließen, und möchtest stattdessen eine andere Person für dich handeln lassen. Genau das ermöglicht die Vollmacht. Sie ist eine durch Rechtsgeschäft begründete Vertretungsmacht nach § 167 Abs. 1 BGB. Das bedeutet, dass eine Person, der sogenannte Vollmachtgeber, eine andere Person, den Bevollmächtigten, dazu ermächtigt, für ihn Willenserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen.

Entscheidend ist, dass die Vollmacht auf einem rechtlichen Ermächtigungsakt des Vollmachtgebers beruht. Sie ist also kein eigenständiger Vertrag, sondern eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung.

Merke

Vollmacht, § 167 I BGB: Durch Rechtsgeschäft begründete Vertretungsmacht; Vollmachtgeber ermächtigt Bevollmächtigten zur Abgabe einer oder mehrerer Willenserklärungen in seinem Namen

Wie unterscheiden sich Innen- und Außenvollmacht?

Es gibt zwei unterschiedliche Arten der Vollmacht: die Innenvollmacht und die Außenvollmacht. Sie unterscheiden sich darin, wem gegenüber die Vollmachtserklärung abgegeben wird.

Bei der Innenvollmacht gemäß § 167 Abs. 1 Alt. 1 BGB erklärt der Vollmachtgeber die Bevollmächtigung gegenüber dem Bevollmächtigten selbst. Das bedeutet, dass die Person, die die Vollmacht erhält, direkt vom Vollmachtgeber darüber informiert wird, dass sie in dessen Namen handeln darf. Ein Beispiel dafür wäre, wenn du deinem Freund sagst, dass er in deinem Namen ein Auto kaufen darf. Dein Freund weiß also von seiner Vertretungsmacht, aber der Verkäufer noch nicht.

Die Außenvollmacht gemäß § 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB hingegen wird gegenüber dem Geschäftsgegner erklärt. Das bedeutet, dass nicht der Bevollmächtigte selbst, sondern die Person, mit der das Rechtsgeschäft abgeschlossen werden soll, über die Vollmacht informiert wird. Das kommt seltener vor.

Die Innenvollmacht wird also dem Bevollmächtigten mitgeteilt, die Außenvollmacht dem Geschäftsgegner.

Merke

Innenvollmacht und Außenvollmacht

  • Innenvollmacht, § 167 I Alt. 1 BGB: Erklärt ggü. Bevollmächtigtem
  • Außenvollmacht, § 167 I Alt. 2 BGB: Erklärt ggü. Geschäftsgegner (selten)
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Wie unterscheiden sich Spezial- und Generalvollmacht?

Nicht jede Vollmacht hat den gleichen Umfang. Besonders wichtig ist die Unterscheidung zwischen Spezialvollmacht und Generalvollmacht.

Bei der Spezialvollmacht wird der Bevollmächtigte nur zum Abschluss ganz bestimmter Rechtsgeschäfte ermächtigt. Das bedeutet, dass er nur genau festgelegte Handlungen vornehmen darf. Ein Beispiel wäre, wenn du einen Freund beauftragst, für dich ein bestimmtes Auto zu kaufen. In diesem Fall kann dein Freund nur genau dieses eine Geschäft für dich abschließen und keine weiteren Entscheidungen für dich treffen.

Die Generalvollmacht hingegen ermächtigt den Bevollmächtigten dazu, Rechtshandlungen aller Art für den Vollmachtgeber vorzunehmen. Das bedeutet, dass er umfassend in dessen Namen handeln kann. Ein Beispiel wäre eine Generalvollmacht einer Mutter für ihre Tochter, die ihr zum Beispiel für den Fall einer aufkommenden Altersdemenz erlaubt, sämtliche Bankgeschäfte, Vertragsabschlüsse und andere rechtlichen Angelegenheiten für die Mutter zu regeln.

Zusammengefasst: Die Spezialvollmacht ist auf ein einzelnes Geschäft beschränkt, während die Generalvollmacht eine weitreichende Ermächtigung für alle verschiedene Rechtsgeschäfte umfasst.

Merke

Spezialvollmacht und Generalvollmacht

  • Spezialvollmacht: Nur zum Abschluss bestimmten Geschäfts ermächtigt
  • Generalvollmacht: Zu Rechtshandlungen aller Art ermächtigt

Darf ein Bevollmächtigter einen Dritten bevollmächtigen?

Darf ein Bevollmächtigter selbst einen weiteren Vertreter bestimmen? Diese Frage ist sehr relevant in der Praxis, etwa weil der Geschäftsführer einer großen Firma nicht alle Geschäfte selbst erledigen kann und daher weitere Personen einschalten möchte. Die Antwort liegt in der sogenannten Untervollmacht.

Grundsätzlich ist es einem Bevollmächtigten erlaubt, eine Untervollmacht zu erteilen. Das bedeutet, dass eine Person, die eine Vollmacht besitzt, einem Dritten wiederum Vertretungsmacht verleihen kann. Dies setzt allerdings voraus, dass dies im Rahmen seiner eigenen Vertretungsmacht geschieht. Hat der Bevollmächtigte also beispielsweise eine Generalvollmacht, die ihn zur umfassenden Vertretung berechtigt, kann er grundsätzlich auch eine Untervollmacht erteilen.

Ein einfaches Beispiel macht das deutlich: Angenommen, A erteilt B eine Vollmacht, um für ihn Verträge abzuschließen. B möchte sich diese Arbeit erleichtern und beauftragt C, in seinem Namen Verträge zu verhandeln. Ob das zulässig ist, hängt davon ab, ob A dem B in seiner Vollmacht erlaubt hat, eine Untervollmacht zu erteilen. Ist das der Fall, kann C ebenfalls im Namen von A handeln.

Die Erteilung der Untervollmacht ist somit möglich, solange sich dies im Rahmen der ursprünglichen Vertretungsmacht bewegt.

Merke

Untervollmacht grds. zulässig: Vertretungsberechtigter kann beliebigem Dritten Vertretungsmacht erteilen, wenn dies im Rahmen seiner Vertretungsmacht (z.B. bei Generalvollmacht)

Ist die Erteilung der Vertretungsmacht formbedürftig?

Muss die Erteilung einer Vollmacht einer bestimmten Form entsprechen? Grundsätzlich nein. Nach § 167 Abs. 2 BGB ist die Vollmacht formfrei erteilbar. Das bedeutet, sie kann mündlich, schriftlich oder sogar durch schlüssiges Verhalten, also konkludent, erteilt werden. Eine solche konkludente Bevollmächtigung ergibt sich oft aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen dem Vertretenen und dem Bevollmächtigten. Ein typisches Beispiel hierfür ist ein Arbeitsvertrag: Ein Filialleiter eines Unternehmens hat in der Regel die Befugnis, Bestellungen für die Filiale aufzugeben, auch wenn ihm keine ausdrückliche separate schriftliche Vollmacht erteilt wurde. Seine Befugnis ergibt sich aus seinem Arbeitsverhältnis und der ihm zugewiesenen Funktion.

Allerdings gibt es Ausnahmen, in denen die Erteilung der Vollmacht doch einer bestimmten Form bedarf. Das ist bei formbedürftigen Geschäften der Fall, wenn der Vertretene durch die Vollmachtserteilung bereits rechtlich und tatsächlich gebunden wird – ähnlich wie durch das formbedürftige Geschäft selbst. Hier geht man von einer teleologischen Reduktion des § 167 Abs. 2 BGB aus. Der Gesetzgeber verfolgt mit bestimmten Formvorschriften eine Warnfunktion, um die Beteiligten vor übereilten Entscheidungen zu schützen. Diese Schutzüberlegung wird unterlaufen, wenn die Vollmacht für ein formbedürftiges Geschäft ohne die gleiche Form erteilt werden könnte.

Ein besonders wichtiger Fall ist die unwiderrufliche Vollmacht zum Kauf oder Verkauf eines Grundstücks. Nach § 311b Abs. 1 BGB bedarf der Grundstückskaufvertrag der notariellen Beurkundung. Wenn ein Vertreter eine solche Transaktion für den Vertretenen abschließen soll und der Vertretene durch die Erteilung der Vollmacht bereits gebunden ist, dann muss auch die Vollmacht in der gleichen Form erteilt werden. Das gleiche Prinzip gilt für die Vollmacht zur Übernahme einer Bürgschaft. Nach § 766 BGB muss eine Bürgschaftserklärung schriftlich erfolgen, weil Bürgschaften oft erhebliche finanzielle Verpflichtungen mit sich bringen. Daher muss auch die Vollmacht zur Abgabe einer Bürgschaftserklärung schriftlich erteilt werden.

Obwohl eine Vollmacht also grundsätzlich formfrei erteilt werden kann, gibt es Ausnahmen, wenn der Vertretene durch die Vollmacht bereits so gebunden wird wie durch das formbedürftige Geschäft selbst.

Merke

Form der Erteilung der Vollmacht

  • Grds. nicht formbedürftig, § 167 II BGB
    • Auch konkludente Bevollmächtigung möglich: Insb. wegen zugrundeliegendem Innenverhältnis, z.B. Auftrag oder Arbeitsvertrag
  • Aber ausnahmsweise formbedürftig (entgegen Wortlaut des § 167 II BGB), wenn Vertretener bereits durch Vollmacht rechtlich und tatsächlich gebunden wird wie durch Vornahme des formbedürftigen Geschäfts
    • Teleologische Reduktion des § 167 II BGB wegen Warnfunktion
    • Insb. unwiderrufliche Vollmacht zum Grundstückskauf oder -verkauf formbedürftig gem. § 311b I BGB
    • Insb. Vollmacht zum Bürgschaftsabschluss formbedürftig gem. § 766 BGB

Was muss der Vertreter bei einseitigen Rechtsgeschäften wie der Kündigung besonders beachten?

Stell dir vor, du erhältst eine Kündigung von jemandem, der behauptet, im Namen deines Arbeitgebers zu handeln. Doch wie kannst du sicher sein, dass diese Person überhaupt die Befugnis dazu hat? Hier setzt § 174 BGB an und gibt dir als Empfänger ein Zurückweisungsrecht, wenn der Vertreter keine Vollmachtsurkunde vorlegt.

Dieses Zurückweisungsrecht gilt bei einseitigen Rechtsgeschäften wie einer Kündigung. Einseitige Rechtsgeschäfte sind solche, die bereits durch die Willenserklärung einer einzigen Person Rechtsfolgen herbeiführen können, ohne dass eine Annahme erforderlich ist.

Besonders im Assessorexamen, also im zweiten Staatsexamen wird dieser Punkt häufig geprüft.

Das Fazit lautet: Ohne Vollmachtsurkunde kann der Empfänger einseitige Rechtsgeschäfte wie Kündigungen nach § 174 BGB zurückweisen.

Merke

Zurückweisungsrecht bei einseitigen Rechtsgeschäften des Vertreters (z.B. Kündigung), § 174 BGB: Wenn keine Vollmachtsurkunde vorgelegt, darf Empfänger Geschäft deshalb als unwirksam zurückweisen

  • Beliebtes Problem insb. im Assessorexamen (zweites Staatsexamen)

Wie kann der Vollmachtgeber eine einmal erteilte Vollmacht wieder aus der Welt schaffen?

Eine einmal erteilte Vollmacht kann auch wieder aus der Welt geschafft werden. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten mit jeweils unterschiedlichen Wirkungen.

Eine erste Möglichkeit ist die Anfechtung der Vollmachtserteilung nach § 142 Abs. 1 BGB. Wird die Vollmacht erfolgreich angefochten, entfällt sie rückwirkend, also mit ex tunc-Wirkung. Das bedeutet, dass die Vollmacht so behandelt wird, als hätte sie nie existiert. Dadurch werden auch alle Rechtsgeschäfte unwirksam, die der Bevollmächtigte auf Grundlage dieser Vollmacht bereits abgeschlossen hat. Allerdings ist die Anfechtung nur möglich, wenn ein Anfechtungsgrund vorliegt, etwa eine arglistige Täuschung oder ein Irrtum bei der Erteilung der Vollmacht.

Eine weitere Möglichkeit ist der Widerruf der Vollmacht nach § 168 Abs. 2 BGB. Im Gegensatz zur Anfechtung wirkt der Widerruf jedoch nur für die Zukunft, also ex nunc. Bereits abgeschlossene Geschäfte bleiben unberührt, der Vertreter darf aber keine neuen mehr im Namen des Vollmachtgebers tätigen. Der Widerruf ist grundsätzlich jederzeit und ohne Begründung möglich, sofern nichts anderes vereinbart wurde.

Schließlich kann eine Vollmacht auch durch das Ende des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses erlöschen, § 168 Abs. 1 BGB. Ist die Vollmacht beispielsweise im Rahmen eines Arbeitsvertrags erteilt worden, erlischt sie automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dasselbe gilt, wenn die Vollmacht an ein anderes Rechtsverhältnis geknüpft war, das nicht mehr besteht.

Merk dir also: Eine Vollmacht kann durch Anfechtung rückwirkend, durch Widerruf für die Zukunft oder automatisch mit dem Ende der Rechtsgrundlage erlöschen.

Merke

Erlöschen der Vollmacht

  • Durch Anfechtung der Vollmachtserteilung, § 142 I BGB: Betrifft wegen ex tunc-Wirkung der Anfechtung auch bereits getätigte Geschäfte des Vertreters, erfordert aber Anfechtungsgrund
  • Durch Widerruf, § 168 2 BGB: Vollmacht grds. grundlos frei widerruflich, wirkt aber ex nunc nur für zukünftige Geschäfte des Vertreters (≠ bereits getätigte Geschäfte)
  • Vollmacht erlischt auch mit Ende des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses, § 168 1 BGB: z.B. Arbeitsvertrag

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Frage 1/9

A erteilt B schriftlich eine gewöhnliche Generalvollmacht, mit der auch Grundstücksgeschäfte möglich sind. Hat B Vertretungsmacht zum Verkauf eines Grundstücks des A?

Nein, Grundstücksgeschäfte können nur höchstpersönlich abgeschlossen werden.
Nein, die Vollmacht hätte notariell beurkundet werden müssen.
Ja, die Vollmacht ist formfrei gem. § 167 II BGB.
Nein, die Vollmachtserteilung bedarf immer der Form des Rechtsgeschäfts, zu dem sie ermächtigt.
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