- Strafrecht
- Allgemeiner Teil des StGB
- Vorsatz und Fahrlässigkeit
Vorsatz
Was versteht man unter Vorsatz?
Vorsatz: Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung
- Wille zur Verwirklichung eines Tatbestands: Mindestens billigendes Inkaufnehmen
- In Kenntnis aller objektiven Umstände: Bewusstsein hinsichtlich der Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale
- Je gefährlicher Tathandlung, desto eher kann von äußerem Verhalten auf Vorsatz (innere Tatsache) geschlossen werden
Welche Formen des Vorsatzes unterscheidet man?
Vorsatzformen
- Absicht / dolus directus 1. Grades: Dominierender Wille zur Herbeiführung des Erfolgs; Täter kommt es gerade darauf an, den Erfolg herbeizuführen; auch wenn Erfolg nicht sicher eintritt
- Wissentlichkeit / dolus directus 2. Grades: Sicheres Wissen um Erfolgseintritt, auch wenn dieser nicht gewünscht
- Eventualvorsatz / Bedingter Vorsatz / dolus eventualis: Gefahr des Erfolgseintritts erkannt, ernst genommen und billigend in Kauf genommen (Täter sagt sich „Na wenn schon“); Indizien für billigendes Inkaufnehmen (in Abgrenzung zur Fahrlässigkeit) z.B. Gefährlichkeit der Handlung, Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts, Vorerfahrungen bzgl. Ausgang, gezeigter Vermeidungswille
- Bewusste Fahrlässigkeit: Auf Nichteintritt des Erfolgs ernsthaft (≠ nur vage) vertraut (Täter sagt sich „Wird schon gut gehen“); Abgrenzung zwischen dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit im Detail umstritten
- Beispiel: Täter möchte Opfer töten und installiert nachts eine Autobombe in Familienauto des Opfers (Zündung durch Motorstart), mit dem das Opfer (wie der Täter weiß) am nächsten Morgen einen Familienausflug plant; Täter hält es für möglich, dass im Moment der Explosion Fußgänger vorbeikommen, weitere Gedanken macht er sich nicht
- Hinsichtlich des Todes des Opfers handelt er mit dolus directus 1. Grades, da es ihm gerade auf den Tod des Opfers ankommt
- Hinsichtlich des Todes ebenfalls einsteigender Familienmitglieder handelt er mit dolus directus 2. Grades, da er weiß, dass diese ebenfalls durch die Bombe sicher sterben
- Hinsichtlich der Tötung oder Verwundung vorbeikommender Fußgänger handelt er mit dolus eventualis, da er sie für möglich hält und billigend in Kauf nimmt
- Hinsichtlich der Gehörschädigung angrenzender Anwohner durch die laute Explosion handelt er nicht vorsätzlich, sondern nur fahrlässig (unbewusste Fahrlässigkeit), da er sich darum gar keine Gedanken gemacht hat und ihm diese nicht bewusst ist
Lerne Jura kompakt, verlinkt und interaktiv
Welche Bedeutung hat der Vorsatz?
Bedeutung des Vorsatzes
- Bestandteil der strafrechtlichen Handlung: Finales Element; Träger des Handlungsunrechts
- Träger des Vorsatzschuldvorwurfs
Wie grenzt man dolus eventualis und bewusste Fahrlässigkeit voneinander ab?
Detailliertere Abgrenzung zwischen dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit (lat. „luxuria“) umstritten
- Relevanz: Nur ansprechen, wenn erforderlich, weil Meinungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen; Thema „durchgekaut“
- Nur Wissens-, kein Wollenselement:
- Möglichkeitstheorie: Täter erkannte die Möglichkeit des Erfolgseintritts
- Wahrscheinlichkeitstheorie: Täter hielt Erfolgseintritt für wahrscheinlich
- Gleichgültigkeitstheorie: Erfolg aus Gleichgültigkeit gegenüber geschütztem Rechtsgut in Kauf genommen
- Willens- und Wollenselement
- Einwilligungs- / Billigungstheorie, h.M.: Erfolgseintritt erkannt, ernst genommen und damit abgefunden, da billigend in Kauf genommen
- Für Verzicht auf Wollenselement sprechen v.a. Beweisschwierigkeiten hinsichtlich des „Billigens“; dogmatisch jedoch schwer haltbar, da schon Versuchsstrafbarkeit zeigt, dass es beim Vorsatz gerade von Einstellung des Täters zur Tat abhängt
Ist es egal zu welchem Zeitpunkt der Täter Vorsatz hat?
Koinzidenz-Prinzip / Simultanitätsprinzip: Vorsatz muss bei Tatbegehung vorgehen (Tatbegehung einzig relevanter Zeitpunkt der Beurteilung ob Vorsatz vorliegt)
- Schwelle zum Versuch (unmittelbares Ansetzen gem. § 22) muss bereits überschritten sein
- Vorheriger Vorsatz (lat.: „dolus antecedens“) unbeachtlich
- Nachträglicher Vorsatz (lat.: „dolus subsequens“) unbeachtlich
- Generalvorsatz (umstritten): Zeitpunkt der Tatbegehung maßgeblich; vorheriger Vorsatz unbeachtlich
Kann man bei einem Tatgeschehen aus mehreren Handlungen davon ausgehen, dass der Vorsatz sich generell auf den gesamten Geschehensablauf bezieht?
- Umstritten, ob von einem Generalvorsatz (lat.: „dolus generalis“) ausgegangen werden kann
- Relevant wenn Erst- und Zweithandlung: Täter denkt, der Taterfolg tritt durch vorsätzliche Ersthandlung ein, tatsächlich aber erst Erfolg durch anschließende Zweithandlung, die er ohne Vorsatz begeht
- Beispiel: z.B. Scheinbar getötetes Opfer stirbt erst beim Entsorgen der „Leiche“ in Jauchegrube („Jauchegrubenfall“)
- Lehre vom dolus generalis: Generalvorsatz umfasst gesamten Geschehensablauf, da Zweithandlung lediglich unselbständiger Teilakt einheitlicher Gesamthandlung
- Simultanitätsprinzip: Vorsatz zum Zeitpunkt der Tathandlung erforderlich
- Rspr., h.M.: Fall des Irrtums über den Kausalverlauf (allerdings nur wesentlicher Irrtum beachtlich)
Wie ist der Vorsatz zu beurteilen, wenn der Täter bei Tatbegehung noch nicht weiß, welchen von mehreren möglichen Tatbeständen er verwirklichen wird?
Alternativvorsatz (lat.: „dolus alternativus“): Täter will einen von mehreren (sich gegenseitig ausschließenden) Tatbeständen verwirklichen, weiß aber noch nicht, welchen er verwirklichen wird wird; z.B. Täter wirft Stein und geht davon aus, entweder Auto oder Mensch zu treffen
- Vorsatz nur bzgl. schwerstem Tatbestand (nach max. Höchststrafe)
- Vollendungsunrecht so ggf. nicht berücksichtigt; kein Lösungsansatz bei mehreren gleich schweren Tatbeständen
- Vorsatz nur bzgl. tatsächlich verwirklichtem Tatbestand
- Versuchter schwererer Tatbestand ggf. nicht berücksichtigt; kein Lösungsansatz, wenn gar keine Tatbestandsverwirklichung
- BGH: Vorsatz bzgl. aller vorgestellten Taten, da Vorsatz sich auf mehrere Rechtsgutsverletzungen bezieht und so Unrechtsgehalt sachgerecht erfasst
Teste dein Wissen
T erkennt, dass sein Handeln möglicherweise jemanden verletzen könnte. Welche Vorsatzform liegt vor?
Deine Lernplattform für mehr Verständnis im Jurastudium
4.9 von 5 Sternen aus 60+ Google-Bewertungen
Erlebe eine neue Lernerfahrung mit kompakten, verlinkten Inhalten in einer interaktiven Plattform.
Das sagen unsere Nutzer
Die Struktur, das Design und der Inhalt der App sind hervorragend. Während meiner Recherche habe ich viele juristische Seiten besucht und sogar einen Kurs bei Jura Academy absolviert. Ehrlich gesagt gefällt mir deine Seite am besten.
Ziad T.
Jurastudent