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Willenserklärung

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Aktualisiert vor etwa 12 Stunden

Was ist eine Willenserklärung? Was unterscheidet sie vom Rechtsgeschäft und vom Realakt?

Die Willenserklärung ist einer der zentralsten Begriffe im deutschen Zivilrecht. Ohne sie kommt kein Rechtsgeschäft zustande, vom Kaufvertrag bis zur Schenkung. Doch was genau steckt hinter diesem Begriff? Und wie unterscheidet sich die Willenserklärung von einem Rechtsgeschäft oder einem Realakt?

Eine Willenserklärung ist die Kundgabe eines rechtlich bedeutsamen Willens. Das bedeutet, es handelt sich um eine Äußerung, die darauf gerichtet ist, eine rechtliche Folge herbeizuführen. Diese Willenserklärung besteht aus zwei wesentlichen Elementen: der Erklärung und dem Willen.

Die Erklärung ist eine nach außen gerichtete Handlung, durch die eine Person ihren Willen kundtut. Das kann auf verschiedene Arten geschehen, etwa durch eine mündliche Erklärung, einen schriftlichen Brief oder sogar durch schlüssiges Verhalten wie ein bestätigendes Nicken. Entscheidend ist, dass die Erklärung von außen wahrnehmbar ist.

Der Wille wiederum muss darauf gerichtet sein, eine konkrete Rechtsfolge zu erzielen. Ein Beispiel dafür wäre, wenn jemand ausdrücklich erklärt, ein Auto kaufen zu wollen. Wichtig ist dabei, dass die Willenserklärung nur auf eine Rechtswirkung abzielen muss, selbst wenn der gewünschte Erfolg am Ende nicht eintritt. Wenn etwa ein Kaufangebot abgegeben wird, aber der Verkäufer ablehnt, bleibt die Abgabe des Angebots dennoch eine gültige Willenserklärung, da sie auf den rechtlichen Erfolg – den Abschluss des Kaufvertrags – gerichtet war.

Während die Willenserklärung lediglich die Äußerung eines auf Rechtswirkung gerichteten Willens darstellt, geht das Rechtsgeschäft einen Schritt weiter: Es führt tatsächlich zu einem rechtlichen Erfolg, weil dieser von den Beteiligten gewollt ist. Ein Rechtsgeschäft besteht aus mindestens einer, häufig jedoch aus mehreren Willenserklärungen. Das wichtigste Beispiel ist der Vertrag: Hier treffen mindestens zwei übereinstimmende Willenserklärungen aufeinander. Man könnte also sagen, ein Rechtsgeschäft ist das Ergebnis erfolgreicher Willenserklärungen.

Demgegenüber steht der Realakt, der sich sowohl von der Willenserklärung als auch vom Rechtsgeschäft unterscheidet. Ein Realakt ist eine Handlung, die auf einen tatsächlichen, nicht auf einen rechtlichen Erfolg gerichtet ist, an die das Gesetz aber unabhängig vom Willen des Handelnden eine Rechtsfolge knüpft. Ein Beispiel dafür ist die Verarbeitung einer Sache: Wenn jemand gemäß § 950 BGB eine Sache verarbeitet, wird dadurch automatisch das Eigentum an der neuen Sache begründet, unabhängig davon, ob die handelnde Person das beabsichtigt hat oder nicht. Ebenso führt die Einbringung einer Sache, zum Beispiel ein Fernseher, in eine Mietwohnung gemäß §§ 562 ff. BGB dazu, dass ein Vermieterpfandrecht an der Sache entsteht – allein aufgrund der Handlung, auch wenn der Mieter das gar nicht möchte.

Zentral ist also, dass die Willenserklärung auf eine Rechtsfolge gerichtet ist, während das Rechtsgeschäft den Eintritt des Rechtserfolgs voraussetzt und der Realakt allein auf eine tatsächliche Handlung abstellt.

Merke

Willenserklärung (WE): Kundgabe rechtlich bedeutsamen Willens, gerichtet auf Herbeiführung einer Rechtsfolge

  1. Erklärung: Äußerung nach außen, z.B. mündliche Erklärung oder Brief
  2. Wille bestimmte Rechtsfolge zu erzielen, z.B. Kauf abschließen zu wollen
    • Willenserklärung muss auf Rechtswirkung gerichtet sein (kein tatsächlicher Rechtserfolg erforderlich), z.B. auch nicht angenommener Antrag
      • Rechtsgeschäft: Eintritt eines Rechtserfolgs, weil er gewollt ist, z.B. Vertragsschluss; sozusagen „erfolgreiche Willenserklärungen“; besteht aus mindestens einer Willenserklärung
      • Realakt: Nur auf tatsächlichen (≠ rechtlichen) Erfolg gerichtete Handlung, an die das Gesetz eine Rechtsfolge knüpft (unabhängig vom Willen des Handelnden); z.B. die Verarbeitung einer Sache bewirkt gem. § 950 BGB den Eigentumsübergang; z.B. die Einbringung einer Sache in eine Mietwohnung begründet ein Vermieterpfandrecht gem. §§ 562 ff. BGB

Wie werden Willenserklärungen wirksam? Gelten Unterschiede für empfangsbedürftige und nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen?

Um zu verstehen, unter welchen Voraussetzungen Willenserklärungen wirksam werden, müssen wir zwischen empfangsbedürftigen und nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen unterscheiden.

Beginnen wir mit den empfangsbedürftigen Willenserklärungen. Diese stellen den Regelfall dar. Beispiele sind etwa Angebot und Annahme beim Vertragsschluss oder auch eine Kündigung. Stell dir vor, du möchtest eine Mietwohnung kündigen. Deine Kündigungserklärung wird erst wirksam, wenn sie beim Vermieter ankommt und dieser die Möglichkeit hat, sie zur Kenntnis zu nehmen. Genau das regelt § 130 Abs. 1 S. 1 BGB: Empfangsbedürftige Willenserklärungen werden wirksam mit Abgabe und Zugang. Was das im Detail bedeutet, schauen wir uns an anderer Stelle noch genauer an.

Bis zum Zeitpunkt des Zugangs kann die Willenserklärung widerrufen werden, wie § 130 Abs. 1 S. 2 BGB klarstellt. Nehmen wir an, du kündigst deine Mietwohnung. Nachdem du den Kündigungsbrief in den Briefkasten eingeworfen hast, bereust du deine Entscheidung. Hier ist ein Widerruf möglich, solange er spätestens gleichzeitig mit der Kündigung dem Vermieter zugeht. Dieser Widerruf darf nicht verwechselt werden mit dem Verbraucherwiderruf gem. § 355 BGB das es Verbrauchern ermöglicht, sich von bestimmten Verträgen, wie etwa einem Online-Kauf, innerhalb von grds. 14 Tagen nach Vertragsschluss wieder zu lösen, auch wenn die Willenserklärung bereits zugegangen und damit wirksam war.

Die eher seltenen nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen hingegen, wie zum Beispiel das Testament, funktionieren etwas anders. Sie werden wirksam, sobald sie abgegeben wurden. Ein Zugang beim Empfänger ist hier nicht erforderlich. Stell dir vor, du verfasst ein handschriftliches Testament und legst es sicher in deiner Schublade ab. Allein die sorgfältige und willentliche Abgabe dieser Erklärung genügt, damit das Testament wirksam wird.

Der Unterschied ist also, dass bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen Abgabe und Zugang erforderlich sind, während bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen die Abgabe reicht.

Merke

Wirksamwerden von Willenserklärungen

  • Empfangsbedürftige Willenserklärungen: z.B. im Rahmen eines Vertragsschlusses, z.B. Kündigung
    • Regelfall: Fast alle Willenserklärungen sind empfangsbedürftig
    • Wirksam mit Abgabe und Zugang, § 130 I 1 BGB
    • Widerruflich bis Zugang, § 130 I 2 BGB: Willenserklärung kann zurückgenommen werden, wenn spätestens mit Zugang der Willenserklärung ein Widerruf zugeht
      • Verbraucherwiderruf, § 355 BGB: Lösungsrecht des Verbrauchers von bestimmten Verbraucherverträgen grds. bis 14 Tage nach Vertragsschluss
  • Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen: z.B. Testament
    • Wirksam bereits mit Abgabe

Wie verhält es sich, wenn eine Willenserklärung nicht ausdrücklich ausgesprochen wird, z.B. in Form eines Nickens?

Stell dir vor, du gehst in eine Bäckerei, deutest auf ein belegtes Brötchen in der Theke und legst dem Bäcker passend das Geld auf die Theke. Ohne ein Wort zu sagen, nimmt der Bäcker das Geld, gibt dir das Brötchen in einer Tüte und du verlässt den Laden. Wurden hier überhaupt Willenserklärungen abgegeben? Die Antwort lautet: ja. Und zwar in Form sogenannter konkludenter Willenserklärung.

Eine konkludente Willenserklärung liegt vor, wenn du deinen rechtlich bedeutsamen Willen nicht ausdrücklich, etwa durch Worte oder Schrift, sondern durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck bringst. Was genau das bedeutet? Dein Verhalten muss so klar und eindeutig sein, dass ein verständiger Außenstehender keinen Zweifel daran haben kann, was du willst. Im Beispiel mit dem Bäcker drückst du durch dein Handeln aus, dass du das Brötchen kaufen möchtest. Der Bäcker wiederum nimmt dein Geld entgegen und signalisiert damit ebenfalls durch schlüssiges Verhalten, dass er damit einverstanden ist, dir das Brötchen zu verkaufen. Ihr habt somit einen Kaufvertrag geschlossen und tauscht sodann auch gleich die Leistungen - Geld und Brötchen - aus, was Übereignungen und damit weitere Vertragsschlüsse impliziert.

Wichtig ist dabei, dass sich sowohl die Erklärung als auch ihr Inhalt aus den konkreten Umständen erschließen lassen. Nehmen wir ein anderes Beispiel: Stell dir vor, du hast im Restaurant deine Limo leergetrunken und der Kellner fragt, ob er dir eine weitere Limo bringen soll. Du nickst. Dieses Nicken wird allgemein als Zustimmung gewertet – es handelt sich also ebenfalls um eine konkludente Willenserklärung. Der Kellner wird davon ausgehen, dass du tatsächlich etwas bestellen möchtest, und das Getränk servieren.

Aber Vorsicht: Nicht jede Form von Verhalten ist ausreichend, um eine Willenserklärung zu begründen. Ganz entscheidend ist, dass ein objektiver Betrachter das Verhalten eindeutig als Erklärung auffassen kann. Ein bloßes Schweigen beispielsweise reicht grundsätzlich nicht aus, um eine Willenserklärung darzustellen. Nimm etwa einen Fall, in dem dir jemand ein Vertragsangebot macht und du daraufhin einfach nur nichts sagst. Schweigen bedeutet hier in der Regel keine Zustimmung. Es wird juristisch nicht als Ausdruck eines Rechtsbindungswillens verstanden – Die Ausnahmen hierzu werden wir an anderer Stelle noch kennen lernen.

Konkludente Willenserklärungen kommen zwar ohne Worte aus, müssen aber immer durch schlüssiges Verhalten klar erkennbar sein.

Merke

Konkludente Willenserklärung: Ohne ausdrückliche Erklärung durch schlüssiges Verhalten abgegeben; Erklärung und Erklärungsinhalt durch Auslegung aus den Umständen abgeleitet; z.B. Nicken signalisiert Einverständnis mit erhaltenem Angebot

  • Bloßes Schweigen: Grds. nicht als Willenserklärung anzusehen

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Frage 1/3

Kann durch stummes Nicken oder bloßes Schweigen eine Willenserklärung abgegeben werden?

Stummes Nicken kann als konkludente Willenserklärung ausgelegt werden.
Schweigen ist im Rechtsverkehr grds. nicht als Willenserklärung auszulegen.
Unter Kaufleuten kann Schweigen eine Willenserklärung darstellen.
Stummes Nicken und Schweigen sind im Rechtsverkehr nicht als Willenserklärung auszulegen.
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