Logo

Zurechnung von Willensmängeln, Kenntnis und Kennenmüssen, § 166 BGB

WillensmängelBösgläubiger Vollmachtgeber
Aktualisiert vor 7 Tagen

Kommt es bei Willensmängeln, Kenntnis und Kennenmüssen auf den Vertreter oder den Vertretenen an?

Stell dir vor, du beauftragst einen Freund, für dich als dein Vertreter ein gebrauchtes Auto zu kaufen. Bei dem Auto handelt es sich um einen Unfallwagen, was nicht erkennbar ist. Wenn nur einer von euch davon weiß und der andere beim Kauf einem Eigenschaftsirrtum über die Unfallfreiheit des Fahrzeugs unterliegt, stellt sich bei einer späteren Anfechtung die Frage: Auf wen kommt es beim Irrtum an? Auf dich als Vertretenen oder auf ihn als Vertreter?

Grundsätzlich kommt es bei Willensmängeln, also etwa Irrtum oder Täuschung, sowie bei Kenntnis und Kennenmüssen auf die Person des Vertreters an. Das regelt § 166 Abs. 1 BGB. Denn der Vertreter gibt die Willenserklärung ab, die für dich als Vertretenen wirkt. Seine Willensbildung ist daher entscheidend.

In unserem Beispiel bedeutet das: Falls dein Freund beim Kauf des Unfallwagens irrtümlich davon ausging, dass es sich um ein unfallfreies Fahrzeug handelt, kannst du den Kaufvertrag unter den Voraussetzungen der Anfechtung wegen Irrtums gemäß § 119 Abs. 2 BGB anfechten. Denn auf seinen Irrtum kommt es an. Hast du dich aber getäuscht und nicht dein Freund, kannst du dich nicht auf den Irrtum berufen – denn maßgeblich ist allein der Wissensstand desjenigen, der die Willenserklärung abgibt, also des Vertreters.

§ 166 Abs. 2 BGB stellt eine wichtige Ausnahme zur Regel des Absatzes 1 dar. Hat der Vertretene dem Vertreter eine konkrete Weisung erteilt, kann er sich nicht darauf berufen, dass der Vertreter einem Irrtum unterlag. Entscheidend bleibt dann der Wissensstand des Vertretenen selbst. Nach § 166 Abs. 2 Satz 1 BGB wird in einem solchen Fall auf das Wissen des Vertretenen abgestellt. Damit soll verhindert werden, dass ein bösgläubiger Vollmachtgeber seine eigene Kenntnis oder Bösgläubigkeit durch die Einschaltung eines unwissenden Vertreter „heilt“. Das gilt nach § 166 Abs. 2 Satz 2 BGB auch für Fälle, in denen der Vertretene es zumindest hätte wissen müssen.

Entscheidend ist aber grundsätzlich, ob der Vertreter einen Willensmangel hatte oder eine Tatsache kannte – nicht der Vertretene.

Merke

Willensmängel, Kenntnis und Kennenmüssen

Müssen grds. bei Vertreter vorliegen, § 166 I BGB

Kommt es bei Willensmängeln, auch auf den Vertreter an, wenn der Vollmachtgeber bösgläubig war?

Stell dir vor, jemand möchte durch einen Vertreter ein Geschäft abschließen, hat aber selbst Kenntnis von Umständen, die das Geschäft anfechtbar machen könnten. Kann er sich dann darauf berufen, dass sein Vertreter nichts von diesen Umständen wusste? Genau das regelt § 166 Abs. 2 S. 1 BGB.

Grundsätzlich kommt es bei der Beurteilung von Willensmängeln oder der Bösgläubigkeit darauf an, was der Vertreter weiß oder wissen musste, nicht was der Vertretene wusste. Das folgt aus dem Prinzip, dass der Vertreter die rechtsgeschäftlichen Erklärungen abgibt und deshalb auch seine Kenntnis maßgeblich ist. Allerdings macht § 166 Abs. 2 S. 1 BGB eine wichtige Ausnahme: Wenn der Vollmachtgeber selbst bösgläubig ist, kann er sich nicht dadurch entlasten, dass er einen gutgläubigen Vertreter vorschiebt.

Ein Beispiel: A weiß, dass ein Kaufvertrag wegen Täuschung anfechtbar wäre. Anstatt selbst zu handeln, gibt er B eine Vollmacht, den Vertrag für ihn abzuschließen, ohne B von der Täuschung zu unterrichten. Nach Vertragsschluss versucht A, sich darauf zu berufen, dass B ja nichts davon wusste. Doch das Gesetz verhindert genau dieses Vorgehen: Die Bösgläubigkeit des A bleibt relevant, und A kann sich nicht auf die Gutgläubigkeit seines Vertreters berufen.

Diese Regelung stellt sicher, dass sich ein Vollmachtgeber nicht durch bloße Einschaltung eines Dritten seiner eigenen Verantwortung entziehen kann. Kurz gesagt: Die Bösgläubigkeit des Vollmachtgebers bleibt beachtlich.

Merke

Bösgläubiger Vollmachtgeber, § 166 II 1 BGB: Kann Bösgläubigkeit nicht durch bestimmte Weisung an gutgläubigen Vertretenen „heilen“

Teste dein Wissen

Frage 1/1

A weiß, dass die D häufig Autos mietet, die er dann günstig verkauft, anstatt sie zurückzugeben. Die A möchte ein solches Auto haben. Um es gem. § 929 1, 932 BGB nach einem Kauf gutgläubig erwerben zu können, bevollmächtigt sie ihre nichtsahnende Freundin F das Auto zu kaufen und abzuholen, was diese auch tut. Ist A Eigentümerin geworden?

Ja, denn Bei Kenntnis und Kennenmüssen kommt es auf den Vertreter an.
Nein, weil die Bevollmächtigung der F sittenwidrig war.
Nein, weil sie sich als bösgläubige Vertretene nicht auf die Gutgläubigkeit der von ihr angewiesenen F berufen kann.
Nein, weil der F die Bösgläubigkeit der A zugerechnet wird.
Logo

Deine Lernplattform für mehr Verständnis im Jurastudium

4.9 von 5 Sternen aus 60+ Google-Bewertungen

Lerne mit weiteren Inhalten aus dem Zivilrecht und zum Thema Allgemeiner Teil des BGB.
Erlebe eine neue Lernerfahrung mit kompakten, verlinkten Inhalten in einer interaktiven Plattform.
Spare wertvolle Zeit
mit kompakten Inhalten im Zivilrecht, Strafrecht & Öffentlichen Recht
Entwickle Systemverständnis
durch interaktive Verlinkungen zwischen allen Themen
Trainiere effizient die Anwendung
mit Multiple-Choice-Fallfragen und Fallbeispielen
Lerne auch unterwegs
mit nahtlosem Wechsel zwischen allen Geräten

Das sagen unsere Nutzer

Die Struktur, das Design und der Inhalt der App sind hervorragend. Während meiner Recherche habe ich viele juristische Seiten besucht und sogar einen Kurs bei Jura Academy absolviert. Ehrlich gesagt gefällt mir deine Seite am besten.

Ziad T.

Jurastudent

Z
Lernkarten
2.000+
Nutzer
1.000+
Übungsfragen
2.800+